Holländisches Gericht befindet das Casinomonopol Hollands als unvereinbar mit dem Vertrag von Rom [key:FLAGS_ISA]

Article by Justin Franssen

Europäische Kommission lässt erkennen, das es den vorgeschlagene Entwurf zum holländischen Internet gaming Monopol für unverhältnismäßig hält.
Entscheidung vom 02.12.2005 CFR gegen den holländischen Staat.

Nach der Hauptverhandlung vom 2.12.2005 traf das Verwaltungsgericht von Breda eine grundlegende Post-Gambelli-Entscheidung in dem strittigen Verfahren zwischen der Compagnie Financière Régionale B.V. (nachfolgend: „CFR“) und dem Justizministerium sowie dem Wirtschaftsministerium der Niederlande (nachfolgend: „Staat“). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Breda kann als nichts geringeres angesehen werden, als ein historischer Sieg der Verfechter der Prinzipien des Vertrages von Rom, insbesondere der Artikel 43 und 49 des EG-Vertrages.

Nachdem verschiedene holländische Gerichte im Rahmen einstweiliger Verfahren sowie in einem Hauptsacheverfahren zu dem Ergebnis gekommen waren, dass die holländische Gesetzgebung zum Spielerecht und die dahinter stehende Politik mit den sog. Gambelli-Kriterien in Sachen grenzüberschreitendem Internet-Gambling zu vereinbaren sei, entschied das Verwaltungsgericht Breda nun, dass das staatliche Monopol auf (Casino) Spiele unwirksam sei. Einer der Hauptgründe: Es seien keine klaren Beweise dafür substantiiert vorgebracht worden, dass die restriktive Gesetzgebung in Bezug auf Casinos kohärent, also widerspruchsfrei und konsistent sei.

Zum Fall: Die CFR hatte eine Lizenz beantragt, um in dem holländischen Bezirk von Bergen op Zoom ein Kasino betreiben zu können. Mitte 2003 wurde dieser Antrag unter Hinweis auf das niederländische staatliche Glücksspielmonopol abgelehnt. So betreibt der niederländische Staat mit der Gesellschaft „Holland Casino“ 12 Casinos in den Niederlanden. Außerdem berief sich der Staat auf die Rechtsprechung des EuGH und schlussfolgerte, dass die Politik restriktiver Lizenzvergaben mit dieser europarechtlichen Rechtsprechung übereinstimme. Daraufhin legte CFR Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht gegen diese Entscheidung des Staates ein und es kam zu einer ersten Anhörung am 29.9.2004. Nach dieser Anhörung wurde das Verfahren vor dem zuständigen Gericht am 21.12.2004 fortgeführt und dem Staat eine Reihe weiterer Fragen diesbezüglich gestellt. Der Staat reichte daraufhin am 4.2.2005 eine schriftliche Stellungnahme ein, auf die CFR mit Schreiben vom 31.3.2005 reagierte.

CFR begründete seine Position damit, dass das restriktive Kasinomonopol gegen die Prinzipien des EuGH aus der Gambelli-Entscheidung verstößt, in welchem der EuGH seinen Standpunkt hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsprinzips untermauerte und in der der EuGH den Nachweis sachlicher Tatsachen zum substantiierten konsistenten und kohärenten Vortrag hinsichtlich der Spielpolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten verlangte, soweit diese die Grundfreiheiten einschränkten, wie sie im Vertrag von Rom festgeschrieben sind.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Mitgliedsstaaten grundsätzlich ein weiter Ermessensrahmen zusteht. Dies gelte insbesondere in Bezug auf die Regulierung ihrer entsprechenden Spielmärkte. Diese Restriktionen mussten allerdings kohärent und konsistent sein und durch anwendungsvorrangige Prinzipien, wie das Allgemeininteresse, Betrugsbekämpfung und Spielerschutz gerechtfertigt sein. Der Staat führt in seiner Begründung aus, dass das Casinomonopol notwendig sei und es dem Staat ermöglichen müsse, unmittelbar zu handeln und das Verhalten von „Holland Casino“ zu kontrollieren.

Das Gericht respektiert zwar diese Sicht der Dinge, allerdings nimmt es gleichzeitig Bezug auf den sog. „Geeignetheits-Test“, wie er in Abs. 66 und 67 der Gambelli-Entscheidung als ausdrückliche, weitere Voraussetzung vom EuGH festgelegt wurde. Anders als alle anderen vorangegangenen Post-Gambelli-Entscheidungen der holländischen Gerichte schlussfolgert das Verwaltungsgericht Breda aus dieser Rechtsprechung des EuGH, dass eine grundlegende Überprüfung der äußeren Umstände stattfinden müsse. Auf Nachfrage des Gerichts hat sich der Staat auf den Standpunkt gestellt, dass er nicht für das ausufernde Marketingbudget des staatlichen Veranstalters verantwortlich gemacht werden könne. Das Gericht sieht in dieser Begründung allerdings einen klaren Widerspruch zum Auftrag des Staates, durch ein legales Monopol eine größtmögliche und effektive Kontrolle der Aktivitäten des staatlichen Betreibers „Holland Casino“ zu gewährleisten. Das Gericht ist sogar der Auffassung, dass der Staat zur Rechenschaft gezogen werden könne, dass er nicht in die intensiven Marketing-Kampagnen von „Holland Casino“ eingegriffen habe. Der Staat toleriere die Tatsache, dass holländische Verbraucher noch weiter dazu angeregt und ermutigt werden, an Casinospielen teilzunehmen.

Weiter entschied das Gericht, dass die Politik des Staates eher kontraproduktiv sei und auch kein Beweis seitens des Staates dafür angebracht worden sei, dass die staatlichen Ziele tatsächlich verfolgt würden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts sei noch nicht einmal eine verlässliche oder jüngere Studie zur Spielsucht erhältlich gewesen.

Darüber hinaus nimmt das Gericht die Pläne des Staates, das Angebot von „Holland Casino“ noch um zwei weitere Lizenzen auszuweiten, eher kritisch zur Kenntnis, nachdem Forschungen klar ergeben hätten, dass eine Expansion des legalen Casinoangebots einen Effekt auf die Eindämmung illegaler Angebote haben könnte („Substitutiveffekt“).

Des Weiteren führt der Staat in seiner Begründung an, dass eine Ausweitung des staatlichen Angebots von „Holland Casino“ keine wesentliche Auswirkung auf das Wachstum von Problemspielern habe. Diesbezüglich betont das Gericht, dass eine derartige Begründung vielmehr auf Annahmen beruhe und dies in keiner Weise durch Tatsachen belegt sei.

Das Gericht schlussfolgert, dass das restriktive Casinomonopol nicht mit den Grundsätzen der Übereinstimmung und Kohärenz zu vereinbaren sei, wie sie in der Gambelli-Entscheidung festgelegt wurden. Das Monopol laufe zudem den administrativen Entscheidungen von Holland zuwider und gab dem Staat daher auf, seine Entscheidung vollständig zu überarbeiten. Sollte der Staat bei dieser neuen Entscheidung weiterhin nicht in der Lage sein, die Einhaltung der staatlichen Zielsetzung mit Fakten zu belegen, dann wird das Gericht das Casinomonopol für europarechtswidrig – also als Verstoß gegen Art. 49 (Dienstleistungsfreiheit) des EG-Vertrages – erklären.

Schlussfolgerung

Holland scheint der nächste Staat zu sein, in dem offensichtlich die Post-Gambelli-Rechtsprechung revidiert werden muss, wie schon zuvor in den Mitgliedsstaaten Italien und Deutschland. Der Autor hält ein Handeln auf europarechtlicher Ebene für notwendig, um die Situation zu klären. Die Entscheidung, Glücksspiele nicht in die Dienstleistungsrechtlinie aufzunehmen, vermochte den fortwährenden Konflikt zwischen der Post-Gambelli-
Rechtsprechung in den verschiedenen nationalen Gerichten nicht zu beseitigen.

Vielmehr sollte die Europäische Kommission fortfahren, sich mit der Glücksspielproblematik der Vertragsverletzungsverfahren gegen Holland und die übrigen Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich, Spanien, Ungarn und Italien zu beschäftigen. Nach Ansicht des Autors könnte diese Entscheidung auch Auswirkungen auf die anhängigen Zivil- und Verwaltungsverfahren haben, die die Legalität von grenzüberschreitenden Internetspielanbietern
zum Gegenstand haben. Auch auf die von Wettanbietern aus England angestrengten Verfahren, die sich mit der diskriminierenden Verteilung der (exklusiven) holländischen Spiellizenzen beschäftigen, dürfte diese Entscheidung Auswirkungen haben.

Die Europäische Kommission bringt ihre heftige Kritik zum vorgeschlagenen Internet Glücksspielmonopol für „Holland Casino“ zum Ausdruck:

Vor kurzem wurde ein Gesetzesentwurf zum Dutch Gaming Acts von 1964 beim Parlament eingereicht. Dieser Gesetzesentwurf sieht in Bezug auf Glücksspiele Änderungen im Dutch Gaming Act 1964 vor, und enthält vorübergehende Regelungen der Glücksspielveranstaltungvia Internet. Letztendlich beabsichtigt das Justizministerium, „Holland Casino“ eine dreijährige Lizenz zum exklusiven Betrieb von interaktiven Glücksspielen zu gewähren.

Dieser Gesetzesentwurf sah sich sowohl der Kritik seitens der privaten Spielautomatenindustrie als auch seitens des Staatsrats („Raad van State“) – vergleichbar einem Fachbeirat zur Gesetzgebung – ausgesetzt, ebenso wie einer ernsthaften und grundlegenden Kritik seitens der Europäischen Kommission.

Zunächst machten die Anbieter privater Spielautomaten ihren Bedenken und ihrem Ärger Luft. Sie argumentierten, dass das Justizministerium ihnen (den Automatenaufstellern) eine ähnliche vorübergehende Internet Gaming Lizenz versprochen habe, wie sie nun „Holland Casino“ ausgestellt werden soll. Die Industrie der Automatenaufsteller vertritt die Ansicht, dass das Justizministerium diese Versprechungen nur abgegeben habe, um die Vorteile des Erstauftritts auf dem Markt zu sichern. Dies sei ein unfairer Wettbewerb. Bis dato bleibt abzuwarten, ob die von der Industrie initiierten Vertragsverletzungsverfahren, die jeweiligen Minister tatsächlich dazu zwingt, ihr geplantes Monopol für „Holland Casino“ zu überarbeiten und zu prüfen, ob das Parlament tatsächlich hinter dem Gesetz steht, wenn es darüber im Jahre 2006 zur Abstimmung kommt.

Im Hinblick auf einige europarechtliche Fragestellungen im Rahmen seiner Ratschläge zu dieser Gesetzgebung, gab der Staatsrat seinen Bedenken Ausdruck. Angesichts des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt der Rat zu dem Ergebnis, dass die Begrenzung auf einen einzigen Anbieter überdacht werden müsse. In einem Erklärungsschreiben legte der Gesetzgeber dar, dass die Rechtfertigung für die Wahl eines Monopols unter der Führung von „Holland Casino“ eine striktere Kontrolle ermögliche, da es sich bei „Holland Casino“ um einen anerkannten staatlichen Anbieter handele. Dieser weise Erfahrungen im Spielerschutz sowie dem Schutz vor Missbrauch auf. Der Staatsrat stellt fest, dass es ebenso möglich sei, dass andere Anbieter, sowohl ausländische als auch inländische, diese Voraussetzungen erfüllen können. Der Staatsrat stellte zudem die Frage, ob die Begrenzung auf einen einzelnen (holländischen) Anbieter mit einer exklusiven Lizenz nicht zu einer Verletzung der Rechte anderer angesehener EU-Betreiber führen könnte und damit nicht ein Verstoß gegen die Prinzipien des Art. 49 EG-Vertrages vorliegen würden.

Die Europäische Kommission ist in ihrer Kritik – der Richtlinie 98/48/EC folgend – noch wesentlich deutlicher. Die Kommission qualifiziert die Gesetzgebung als nicht vereinbar mit Art. 49 des EG-Vertrages. Sie nimmt dabei ausdrücklich Bezug auf die Gambelli-Rechtsprechung und schlussfolgert aus dem die Gesetzgebung begleitenden Erklärungsschreiben, dass „es den Anschein habe, […] dass sich die holländische Regierung hauptsächlich über die entgangenen Gewinne Sorgen machten (die für das Jahr 2004 von der Regierung auf 144 Mio. € geschätzt werden), die an (illegale) ausländische Dienstleister fließen“. In Übereinstimmung mit den Entscheidungen des EuGH wird deutlich, dass das Auffüllen der Staatskassen, für sich selbst genommen, nicht als objektive Rechtfertigung eines Monopols angesehen werden kann.

Die Kommission führt weiter aus: „Die Kommission hat keine wirksamen Rechtfertigungen dafür erkennen können, wie der holländische Gesetzgeber annehmen kann, dass es notwendig sei, alle grenzüberschreitenden Spielangebote zu begrenzen, wenn sie von solchen lizenzierten Unternehmen angeboten werden, die rechtlich niedergelassen in einem anderen Mitgliedsstaat ihre Dienstleistungen erbringen, wo sie angemessenen Kontrollen unterliegen […]. In Anbetracht der Absicht der holländischen Regierung, kriminelle Vorgehensweisen zu bekämpfen, stellt die Kommission fest, dass ein unabhängiges holländisches Expertenkomitee, die sog. „Werkgroep Wet op de Kansspelen“, die damit beauftragt war, das streitgegenständliche Gesetz zu überprüfen und seine Auswirkungen festzustellen, zu dem Schluss kam, dass die Begrenzung der Anzahl der Anbieter nicht vor Kriminalität und Illegalität schützen kann.“ […]

Die Kommission kommt zu folgendem klarstellenden Ergebnis:

„Schließlich kommt die Kommission zum Ergebnis, dass die Restriktionen, wie sie in dem neuen Gesetzesentwurf zum Glücksspiel vorgesehen sind, den Anschein machen, nicht durch überragende Gründe gerechtfertigt zu sein. Auch scheinen die Begrenzungen nicht verhältnismäßig in Bezug auf das genannte Ziel“ zu sein.