Die Regierung von Mittelfranken hatte in den Jahren 2009 bis 2011 unterschiedlichen Unternehmen die Veranstaltung von Glückspielen im Internet – nur für das Land Bayern – untersagt, dabei in einigen Fällen Zwangsgelder in erheblicher Höhe angedroht, teils auch die „Mitwirkung“ an solchen Veranstaltungen untersagt und dies damit begründet, dass es ein grundsätzliches Internetverbot nach dem damals noch geltenden Glückspielstaatsvertrag a.F. gebe, welches zu beachten sei. Da die Behörde nur für Bayern zuständig war, bezog sich auch die Untersagung auch nur auf das Gebiet des Freistaates Bayern.
Wie die Kläger der Verfahren es technisch bewerkstelligen sollten, die Verfügungen umzusetzen, sei Ihnen überlassen. Es bestehe jedenfalls die Möglichkeit des Einsatzes einer sog. Geolokalisationstechnik, so die Behörde; zudem könne die Internetseite alternativ auch ganz abgeschaltet werden.
Den Werbepartner wurde die „Werbung“ für Glückspielunternehmen im Internet untersagt, wobei hier zur Begründung auf das noch im früheren GlüStV normierte Werbeverbot im Internet abgestellt wurde.
Sämtliche Klagen hatten nunmehr Erfolg.
Dabei hat das Gericht der Regierung von Mittelfranken im Verhandlungstermin am 28.01.2014 nahe gelegt, ihre Verfügungen schon deshalb aufzuheben, weil jedenfalls zwischenzeitlich eine vollständig veränderte Gesetzeslage bestehe, zudem Ermessenserwägungen nicht mehr rückwirkend ausgetaucht werden könnten und angesichts der Duldung dieser Internetangebote in fast allen anderen Bundesländern und auch außerhalb Deutschland auch nicht ersichtlich sei, welchen Zweck die Aufrechterhaltung dieser „alten“ Verfügungen noch haben sollten. Eine Befragung der Behördenvertreter ergab zudem, dass auch in Bayern seit Anfang 2012 nicht mehr gegen Wettanbieter eingeschritten werde, jedenfalls keine Vollstreckung mehr erfolge und auch keine neuen Verfügungen mehr erlassen worden sind.
Die Vertreterinnen der Behörde erklärten sodann, dass Sie seitens des Ministeriums angewiesen seien, die Verfügungen aufrechtzuerhalten. Insoweit sahen sie sich nicht in der Lage, der Anregung des Gerichts zur Aufhebung der Verfügungen Rechnung zu tragen.
In diesem Zusammenhang ist seitens des Unterzeichners im Verhandlungstermin darauf hingewiesen worden, dass in fast allen anderen Bundesländern derartige Verfügungen längst aufgehoben worden sind oder im Rahmen von Vergleichen in den letzten beiden Jahren Einigungen mit den unterschiedlichen Länderbehörden erzielt werden konnten, wonach aus diesen Verfügungen gegen Internetwettanbieter nicht mehr vorgegangen werde, so dass sich dort jeweils entsprechende Verfahren, meist durch Vergleich oder Aufhebung der Verfügung erledigt hatten.
Das Gericht musste nun insoweit die Verfahren entscheiden und hat den Klagen aller Unternehmen vollumfänglich stattgegeben.
Die schriftlichen Urteilsgründe liegen zwar noch nicht vor; indes hat das Gericht bereits am Ende der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es die Verfügungen aus unterschiedlichen Gründen für voraussichtlich rechtswidrig erachte.
Zum einen, so das Gericht, stelle sich die Frage, ob die Verfügungen überhaupt verhältnismässig seien, wenn man dabei berücksichtige, dass in anderen Bundesländern gegen Glückspielanbieter nicht mehr vorgegangen werde.
Dabei sei natürlich auch von Bedeutung, dass es wahrscheinlich unverhältnismässig sei, nur gegen einige, wenige Glückspielanbieter vorzugehen und die Verfügungen aufrechtzuerhalten während gegen hunderte anderer Anbieter im Internet, ebenso gegen deren Werbepartner seit fast zwei Jahren selbst in Bayern nicht mehr konsequent und mit wirksamen Maßnahmen eingeschritten werde.
Zudem habe sich die Rechtslage maßgeblich verändert. Faktisch und auch gesetzlich gebe es das Internetverbot in der bisherigen Form des alten GlüStV nicht mehr. Vielmehr dürfen die Lotteriegesellschaften nach den Regelungen des neuen GlüStV, der seit dem 1.7.2012 gelte, wieder im Internet anbieten, ebenso die Lotterievermittler, schliesslich würden auch die Sportwettanbieter Konzessionen erhalten, die dann auch zum Angebot im Internet berechtigten.
Damit bestehe ein gänzlich veränderte Rechtslage, welche dem Bescheid keine Rechnung mehr trage.
Soweit die Behörde durch ein Nachschieben der Begründung ihrer Verfügungen, gestützt auf das aus Sicht der Behörde weiterhin geltende Internetverbot – jedenfalls ohne Erlaubnis, so die Behörde – versucht hatte, die Verfügungen nun auf die neue Rechtslage zu stützen, verwies das Gericht unter Hinweis auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf, dass das Ermessen während des laufenden Klageverfahrens nicht ausgetauscht werden könne, jedenfalls der hier unternommene Versuch der „Nachbesserung“ auch nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung trage.
Das Gericht verwies auch und gerade in Bezug auf die Untersagungen der Bewerbung von Glückspielen im Internet darauf, dass die Werbung für Glückspiele, insbesondere auch der staatlichen Lotteriegesellschaften allgegenwärtig seien, sei es im Radio, Fernsehen oder auch im Internet. Ein effektives Einschreiten der Behörden hiergegen sei nicht zu erkennen, so dass auch das Werbeverbot, soweit es überhaupt noch bestehe, den Klägerinnen nicht entgegengehalten werden könne. In diesem Sinne hatte schon der Verwaltungsgerichtshof in Bayern im Jahre 2012 angesichts der dauerhaft unzulässige Bewerbung staatlicher Anbieter entschieden, dass das Werbeverbot unanwendbar sei, weil es gemeinschaftswidrig und zudem unter Berücksichtigung von Art 3 GG verfassungswidrig sei.
Schliesslich sei zu berücksichtigen, dass mittlerweile in Schleswig Holstein bereits Konzessionen zur Veranstaltung von Casinospielen und Sportwetten erteilt worden seien, insbesondere auch zu Gunsten einer der Klägerinnen. Es bestehe voraussichtlich danach eine tatsächliche wie rechtliche Inkohärenz. Der Unterzeichner verwiess ergänzend darauf, dass nicht zu vergessen sei, dass die Erlaubnisse in Schleswig-Holstein auch zur Bewerbung der Produkte berechtigten, wobei man wohl nicht davon ausgehen kann, dass das in der Konzession ausgesprochene Recht zur Werbung nur auf ein einzelnes Bundesland beschränkt.
Das Gericht machte auch deutlich, dass die beklagte Behörde wohl auch keine zutreffende Störerauswahl getroffen habe.
Auf eine pauschal fehlende Erlaubnis könne man die Verfügung ebenso nicht stützen, so das Gericht sinngemäss, denn zum einen müsse man betrachten, dass bereits Erlaubnisse in Schleswig-Holstein bestünden, zum anderen eine der Klägerinnen sich derzeit gerade um eine Erlaubnis bemühe und dieses Unternehmen sich auch auf der letzten Stufe des Erlaubnisverfahrens bezüglich des Erhaltes einer Sportwettenkonzession beim Hessischen Innenministerium befinde. Das Unternehmen hatte dort sogar bereits eine Einladung zur Vorstellung verschiedener Kozepte erhalten, was nach vorhergehenden Mitteilung des Innenministeriums nur möglich war, wenn bis dahin auch alle Mindestanforderungen erfülllt seien.
Schliesslich sei äusserst zweifelhaft, ob es technisch überhaupt möglich sei, eine sog. Geolokalisationstechnik wirksam einzusetzen, so dass das Angebot des Glückspielanbieters ausgerechnet in Bayern nicht aufrufbar sei. Denn bei diesen Techniken gebe nach der Auffassung sachverständiger Experten nicht unerhebliche Abweichungen und Schwierigkeiten. Man denke nur an I-Pads und I-Phones, so das Gericht, weche die Kunden auch benutzten, wenn sie von einem Bundesland in einen anderes unterwegs seien, die Landesgrenzen überschreiten oder sich an diesen Landesgrenzen aufhalten.
Die Frage der Umsetzung und des Einsatzes einer solchen Geolokalisationstechnik stelle sich auch insoweit, als zu prüfen sei, wie teuer eine solche Technik
sei und ob diese überhaupt innerhalb der von der Behörde eingeräumten Fristen umgesetzt werden könne, worauf wiederrum der Unterzeichner ergänzend verwieß.
Dies sind nur einige Punkte, die das Gericht in der mündlichen Verhandlung angesprochen hatte.
Insgesamt reiht sich diese Entscheidung in eine Vielzahl anderer Gerichtsentscheidungen ein, die nach Änderung der Gesetzeslage zu Gunsten von Glückspielinternetanbietern ergangen waren. So hatten das OVG Berlin oder der VGH Baden-Württemberg schon 2012 und 2013 in Eilverfahren darauf hingewiesen, dass die Behörden angesichts der veränderten Gesetzes- und Sachlage nicht an derartigen Verfügungen festhalten könnten, jedenfalls daraus auch nicht mehr vollstrecken können. Auch das OVG Münster hatte in einem Fall der untersagten Werbung im Internet das entsprechende Werbeverbot im Internet für voraussichtlich rechtswidrig erachtet, weil eben auch die staatlichen Anbieter dort dauerhaft werben würden ohne dass die Behörden dies unterbunden hätten. Auf die oben zitierte Entscheidung des BayVGH zur Rechtswidrigkeit des Werbeverbotes nach dem alten GlüStV sei nochmals verwiesen.
Die jetzt ergangenen Urteile stellen indes nun erstmals Hauptsacheentscheidung im Klageverfahren in derartigen Internetuntersagungsverfahren nach veränderter Gesetzeslage da.
Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir diese gern interessierten Kollegen und Mandanten zur Verfügung stellen.