Kieler Glücksspielgesetz hat Vorbildcharakter – Neue Landesregierung sollte Weg der Rechtssicherheit nicht verlassen

Von Ansgar Lange

Kiel, Juli 2012 – Am 1. Juli 2012 ist ein neuer Glücksspielstaatsvertrag präsentiert worden. Doch die jahrelange Rechtsunsicherheit mit der Gefahr von Graumärkten wurde dadurch nicht aus der Welt geschafft. Während viele EU-Länder wie Italien oder Dänemark das Thema längst geregelt hätten, vollführen Deutschlands Behörden weiter einen Eiertanz.

Dass ausgerechnet Schleswig-Holstein, das über ein eigenes EU-konformes Glücksspielgesetz verfügt, nun dem Staatsvertrag der 15 anderen Länder so schnell wie möglich beitreten will, ist wohl nur politisch zu verstehen. Denn das Kieler Regulierungsmodell wurde noch von der christlich-liberalen Vorgängerregierung beschlossen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki – als Volljurist ebenfalls ein exzellenter Kenner der Materie – gilt als einer der „Väter“ des Gesetzes. Nach der Sommerpause, spätestens im September 2012, will die neue Kieler Regierung aus SPD, Grünen und der Minderheitenpartei SSW das landeseigene Glücksspielgesetz aufheben.

Experten halten unterdessen eine Aufhebung des Gesetzes im September für unwahrscheinlich, vielmehr gilt der Staatsvertrag der 15 Länder für europarechtlich bedenklich. Bundesweit sollen nämlich nur 20 Lizenzen an private Wettanbieter vergeben werden – eine willkürliche Zahl. Eine 21. Firma dürfte sich einklagen. Nach Angaben der tageszeitung erhält diese Position Rückhalt durch das jüngst vorgestellte Gutachten der Monopolkommission. Dieses kritisiert die Beschränkung der Konzessionen, die das Suchtproblem nicht löse. Zudem sehe das Gutachten „die Gefahr, dass die Graumärkte gestärkt“ werden.

Der schleswig-holsteinische CDU-Politiker Hans-Jörn Arp, auch er einer der „Väter“ des Kieler Regulierungsmodells, sagt, die Monopolkommission habe dem Kieler Glücksspielgesetz „einen Vorbildcharakter bescheinigt“. „Ich fordere die Landesregierung daher auf, ihre Pläne noch einmal zu überdenken. Warum soll Schleswig-Holstein sein Vorzeigegesetz kippen und dafür einem Staatsvertrag beitreten, der erhebliche Mängel aufweist, rechtlich unsicher ist und mit europäischem Recht nicht vereinbar“, so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion.

Piraten warnen vor Kriminalisierung der Anbieter und Nutzer

Derweil setzt bei der Piratenpartei ein Umdenken in Sachen Glücksspiel ein. So sagte der Vorsitzende der „Piraten“ in Niedersachsen, Andreas Neugebauer: „Der Staatsvertrag ignoriert die Bedeutung von Glücksspielangeboten im Internet. Statt Nutzer vor den Suchtgefahren zu schützen, werden Anbieter und Nutzer kriminalisiert.“ Hierdurch wachse die Grauzone unregulierter und unbesteuerter Glücksspielmärkte im Bereich der Sportwetten und des Online-Glücksspiels weiter an. Neugebauer sieht den Entwurf als ungeeignet an, um der Realität zunehmender Umsätze im Online-Glücksspiel gerecht zu werden: „Anstatt die Realität der Online-Glücksspiele und Poker-Portale weiter zu leugnen, sollte die Regulation des privaten Glücksspielmarkts angestrebt werden.“

Genau dies ist in Schleswig-Holstein geschehen. Der Piratenpartei wird oft vorgeworfen, sie hätte zu nichts eine Meinung. Beim Thema Online-Glücksspiele zeigt sich, dass sie durchaus in der Lage ist, Antworten zu geben, die den Anforderungen des Internetzeitalters gerecht werden. Dagegen sehen „alte Schlachtrösser“ der etablierten Parteien wie Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) mit ihrem Beharren auf dem ungeeigneten Staatsvertrag alt aus. Und der Kieler SPD-Fraktionschef Ralf Stegner dokumentiert mit seiner Rolle rückwärts, dass die eigene politische Ideologie bisweilen wichtiger genommen wird als die Realität des Internetzeitalters und die Interessen mündiger Konsumenten.