Glücksspiel-Regulierung in Deutschland: Kopfschütteln beim World Regulatory Briefing in Frankfurt

– E-15-Insellösung hängt den deutschen Markt ab
– EU-rechtskonformes Glücksspielgesetz Schleswig-Holsteins bleibt Hoffungsträger

Ein Artikel von Andreas Schultheis

Frankfurt/München, April 2012 – Kopfschütteln und Unverständnis insbesondere ausländischer Teilnehmer waren es, die das World Regulatory Briefing(http://www.wrbriefing.com) in Frankfurt bisweilen prägten, eine Veranstaltungsreihe, die die weltweiten rechtlichen Rahmenbedingungen für den Glücksspielsektor unter die Lupe nimmt. Kopfschütteln und Unverständnis über ein Land, das sich aktuell zwei unterschiedliche Glücksspielgesetze leistet, aber vor allem darüber, wie insbesondere die Verfechter des so genannten E-15-Modells – von allen Bundesländern außer Schleswig-Holstein getragen – argumentiert wird. Rund 160 deutsche und internationale Spitzenvertreter der Branche waren hierzu in der hessischen Metropole zusammengekommen, um den Beiträgen von insgesamt 40 Referenten zu folgen. Das Leitthema: „Auf dem Weg zur deutschen Glücksspiel-Regulierung – Erster umfassender Überblick zu den Vorstellungen der 16 Bundesländer zum Internet-Glücksspiel“. Und der Weg zur Glücksspiel-Regulierung für ganz Deutschland bleibt erkennbar steinig.

15 Länder betreiben Wettbewerbsverhinderungsstrategie

Schleswig-Holstein hat in den letzten Jahren die Voraussetzungen für ein europarechtskonformes und wettbewerbsfähiges Glücksspielrecht mit zeitgemäßen Steuersätzen, umfassenden Möglichkeiten des Spielerschutzes und garantierten Mehreinnahmen für den organisierten Sport geschaffen. Die übrigen 15 Bundesländer hingegen halten an Regelungen fest, deren europarechtliche Unbedenklichkeit alles andere als erwiesen ist. Im Zuge des Notifizierungsverfahrens durch die Europäische Kommission wurde durch Brüssel mit Blick auf das E-15-Modell nämlich zum wiederholten Mal die Ungleichbehandlung von Sportwettenanbietern einerseits und Online-Poker- und Casino-Spielen andererseits sowie die willkürliche Vergabe von bundesweit 20 Lizenzen kritisiert.
Nach Lesart von Martin Stadelmeier (SPD), Staatskanzleichef in Rheinland-Pfalz und als solcher qua Amt einer der obersten E-15-Aktivisten, wischte diese Argumente jedoch vom Tisch. Er wertete den Brüsseler Bescheid als klares Signal der europarechtlichen Unbedenklichkeit, blieb jedoch stichhaltige Argumente einmal mehr schuldig – was Beobachtern die Zornesfalten auf die Stirn trieb. Mancher sprach später sogar von einer giftigen Stimmung, denn die E-15-Ausgestaltung ist für viele Experten durch die Limitierung der zu vergebenden Spiellizenzen sowie die Beschränkung auf Sportwetten eine Wettbewerbsverhinderungsstrategie der 15 Bundesländer, weil unter diesen Bedingungen kein privater Anbieter in der Lage ist, ein profitables Spielangebot zu entwickeln.

Genau dies schilderte auch Jürgen Creutzmann (FDP) (http://www.juergen-creutzmann.de), Mitglied des Europäischen Parlaments und hier Berichterstatter für den Bereich Online-Glücksspiel. Seine Analyse: Die EU-Kommission habe den 15 deutschen Bundesländern mit ihrer Reaktion „nicht den ersehnten Freibrief erteilt. Sie betont, dass die im Gesetzentwurf beabsichtigten Beschränkungen der im EU-Vertrag verankerten Grundfreiheiten geeignet und verhältnismäßig sein müssen, um die angestrebten Ziele zu erfüllen. Ferner ermahnt die Kommission die Bundesländer, dass die Lizenzvergabe transparent gestaltet sein muss und die existierenden staatlichen Glücksspielanbieter nicht bevorzugen darf.“ Die Kommission weise ausdrücklich darauf hin, dass sich die Beurteilung der Kommission gemäß des in Richtlinie 98/34/EG niedergelegten Notifizierungsverfahrens auf die technischen Normen des Gesetzentwurfs beschränke. Der Abschluss des Notifizierungsverfahrens impliziere jedoch nicht die Vereinbarkeit des Gesamttextes mit dem EU-Vertrag. Die Kommission behalte sich daher ausdrücklich die Möglichkeit vor, gegebenenfalls Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten – ein Aspekt, den man bei den E-15-Wortführern bislang scheinbar ignoriert.

Ein Vergleich mag für sich sprechen: Die positive Brüsseler Antwort zum Notifizierungsverfahren des Kieler Glücksspielgesetzes findet Platz auf einer DIN A 4-Seite, die Antwort zu E-15 umfasst ein rundes Dutzend Seiten. Dass es sich hier nicht nur um Goutierungen handeln kann, dürfte auch dem Laien einleuchten. Creutzmann kritisierte einmal mehr die willkürliche Beschränkung auf 20 Lizenzen im E-15-Vertrag. Der FDP-Politiker sieht hier einen klaren Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit innerhalb Europas. Das Licht auf der „Brüssler Ampel“ sei nicht „grün“, sondern trotz diplomatischer Formulierung „tief gelb“ gewesen.

Nur Legalisierung ermöglicht Kanalisierung und Kontrolle

Auch das gebetsmühlenhaft von den E-15-Befürwortern vorgetragene Argument, man lasse Online-Sportwetten zu, verbiete aber weiterhin Online-Poker und -Casino, weil die Spielsuchtgefahr hier viel größer sei, wurde in Frankfurt entkräftet. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie (http://www.it-tuv.com/news/online-poker-texas.html) des Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten im Auftrag der neutralen und unabhängigen TÜV Trust IT GmbH Unternehmensgruppe TÜV Austria beweist: Online-Poker Texas Hold’em birgt – wie die Sportwette auch – nur mittleres Risiko in Sachen Suchtpotenzial. Darauf wies der schleswig-holsteinische CDU-Landtagsabgeordnete Christian von Boetticher hin. Und wer im gleichen Atemzug die Geldwäsche- und Manipulationsgefahr anführt, um Millionen deutscher Pokerspieler weiterhin in den Schwarzmarkt zu treiben, der muss sich ebenfalls von der Wissenschaft belehren lassen: Gemäß der Studie ist es nämlich gerade der nicht regulierte Schwarzmarkt, „der illegale Geldwäsche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland (ermöglicht und fördert). Hierdurch entsteht der Gesellschaft zweifelsfrei ein unmittelbarer wirtschaftlicher Schaden, der aufgrund der unregulierten Marktbedingungen gegenwärtig nicht zu identifizieren ist. Es werden aktuell faktisch Rahmenbedingungen geschaffen, die Geldwäsche in Deutschland geradezu zu fördern scheint, der auch über Deutschland hinaus gesellschaftliche Schäden innerhalb der EU zu multiplizieren scheint.“ Die technischen Möglichkeiten zeigte in Frankfurt u.a. Burkhard Ley auf, Finanzvorstand der Wirecard AG, die Mechanismen entwickelt hat, die im Rahmen des elektronischen Zahlungsverkehrs der Geldwäsche- und Betrugsprävention dienen. Potenzielle Geldwäscher könnten hier in Echtzeit identifiziert werden. Ebenso sei es möglich, suchtgefährdete Spieler aufgrund ihres Spielverhaltens, ihrer Einsätze und der Spielintensität unmittelbar zu erkennen.

E-15-Lager bleibt Argumente schuldig

Zudem gibt es nach Aussagen von Dr. Wulf Hambach, Gründungspartner der Münchener Kanzlei Hambach & Hambach (http://www.timelaw.de), keine Belege des E-15-Lagers dafür, „dass in Deutschland nur die Sportwette tatsächlich nachgefragt werde. Denn mit über vier Millionen Spielern gilt der deutsche Pokermarkt als der zweitgrößte der Welt.“ Was im Übrigen der Einwohnerzahl von Rheinland-Pfalz entspricht, weshalb diese Größenordnung auch Stadelmeier und Co. nicht kalt lassen dürfte. Hambach verwies auch auf Erfahrungen der europäischen Nachbarn wie etwa Dänemark, wo im letzten Jahr auch der Online-Poker-Markt legalisiert wurde und an dessen Modell sich Schleswig-Holstein stark orientiert hat. Demgegenüber prognostizierte er, dass dem E-15-Modell gleiches drohen könnte wie dem französischen Modell, wo u. a. eine nicht wettbewerbsfähige Besteuerung mit dazu beigetragen habe, dass nun nachgebessert werden müsse. Über 70.000 Spieler, so wird in Frankreich geschätzt, seien im letzten Jahr vom regulierten Markt abgewandert. Hambach verglich die Flucht der französischen Spieler aus dem regulierten Markt mit einem „Eis im Hochsommer“ – anfangs prächtig anzusehen, schmelze es in kürzester Zeit unwiederbringlich dahin. Gleiches passiere derzeit mit den französischen Spielern und damit auch mit den Steuereinnahmen.

Ergo: Je mehr Legalisierung und damit Kanalisierung des Spieltriebes durch klare Regeln in einem legalen Markt herrschen, desto besser erreichen die Anbieter die Verbraucher und desto eher sind Manipulationsgefahren abzuwehren – darauf verwiesen insbesondere Creutzmann, von Boetticher und Hambach. Derzeit betreiben 15 Bundesländer wohl eher Glücksspiel-Protektionismus zu Lasten der Verbraucher und begründen damit eine international nicht konkurrenzfähige Insellösung, die keinen funktionierenden Online- Glücksspielmarkt zulassen wird. E-15 eröffnet trübe Aussichten für die Verbraucher, allerdings flankiert von einem klaren Lichtblick durch das Leuchtturm-Projekt des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes.

Der Autor war wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Europaabgeordneten und beschäftigt sich als freier Journalist seit Jahren mit der Entwicklung der Glücksspielgesetzgebung und des Glücksspielmarktes.