Bremen sagt Spielhallen und Wettbüros den Kampf an – Ziel: drastische Reduzierung des Angebotes

Ein journalistischer Zwischenruf von Robert Hess

Robert Hess M.A. war in Politik, Verwaltung und Wirtschaftsunternehmen über viele Jahre in leitenden Funktionen tätig. Heute ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens und arbeitet als freier Journalist.
Robert Hess M.A. war in Politik, Verwaltung und Wirtschaftsunternehmen über viele Jahre in leitenden Funktionen tätig. Heute ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens und arbeitet als freier Journalist.
Bereits im Frühjahr 2022 wurden die Pläne des Senats von Bremen zur radikalen Neuordnung des Marktes für Spielhallen und Wettbüros bekannt. Die politischen Treiber sind Kristina Vogt (Die Linke), Bremens Wirtschaftssenatorin und der Innensenator Ulrich Mäurer. Er hat sich in der Vergangenheit mit der DFL angelegt als es um die Kosten von Polizeieinsätzen bei Problemspielen im Profifußball ging und preschte mit dem Vorschlag eines Werbeverbotes für Sportwetten auf einer Innenministerkonferenz vor. Die erste Runde ging nicht an ihn, aber er scheint Ausdauer zu haben. So steht für ihn fest, dass Sportwetten ähnliche gesellschaftliche Probleme verursachen wie Alkohol und Drogen. So jüngst in einem Interview der Welt vom 16.06.2022. Kein Wunder, dass er generell ein Problem mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag hat. Er sei nur ein Kompromiss mit ein paar kleinen Verbesserungen im Bereich des Spielerschutzes. Also es geht weiter.

Was eine solche Grundhaltung bewirken kann zeigt das neue Gesetz zu Spielhallen und Sportwettbüros. Fast unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit hat der Senat einen drastischen Abbau des Angebotes an Spielhallen und Sportwettbüros im Mai in Gesetzesform gegossen und die Bremische Bürgerschaft hat das entsprechende Gesetz am 15. Juni beschlossen, so dass es rechtzeitig zum 01.07.2022 in Kraft treten kann (Gesetz zur Anpassung spielhallenrechtlicher und glücksspielrechtlicher Vorschriften an den Glücksspielstaatsvertrag 2021. Drucksache 20/1465).

Worum ging es dem aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linken bestehenden Senat. Nach eigenen Aussagen natürlich um Spielschutz und daraus logisch folgend eine drastische Reduzierung des Angebotes.

Schritt 1:

Einfache Lösung: der Mindestabstand wird verdoppelt. Von derzeit 250 Meter auf zukünftig 500 Meter. Also ein Abstand zwischen zwei Spielhallen muss zukünftig 500 Meter betragen. Gleichzeitig muss aber auch ein gleicher Mindestabstand zu Sportwettbüros eingehalten werden und natürlich zu Schulen (Oberschulen). Für den Nordwestdeutschen Automatenverband bedeutet dies einen Kahlschlag von vier Fünfteln des Marktes. Das Mindestalter für Gäste wird darüber hinaus von 18 auf 21 Jahre heraufgesetzt.

In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Durch die Einführung eines Mindestabstandes von 500 Metern zu Schulen, soll einer Gewöhnung von Kindern und Jugendlichen an das Angebot von Spielhallen als einer unbedenklichen Freizeitbeschäftigung entgegengewirkt werden. Indem Spielhallen aus dem alltäglichen Umfeld … herausgenommen werden, soll erreicht werden, dass diese in geringerem Maße einen Bestandteil der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen Darstellen“ (Drucksache 20/1465). Also anders ausgedrückt: Spielhallen und Sportwettbüros sind für die Initiatoren des Gesetzes gesellschaftlich unerwünschte Güter und Dienstleistungen. Wurde eben mal so entschieden.

Schritt 2:

Aber Bremen hat sich noch etwas anderes Schlaues ausgedacht. Für die Spielhallen, die nach einer Übergangsfrist dann noch auf dem Markt sein werden, wurde die Notwendigkeit einer Zertifizierung und das Ablegen einer Sachkundeprüfung festgeschrieben. Die Begründung ist schon pfiffig. Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 hat dies in § 29 Absatz 4 als Voraussetzung für den Weiterbetrieb von Spielhallen im baulichen Verbund vorgesehen. Auch wenn Bremen von dieser Möglichkeit im Unterschied zu anderen Ländern keinen Gebrauch macht, wurden Zertifizierung und Sachkundenachweis ins Gesetz aufgenommen. Dient ja schließlich auch dem Spielerschutz.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Qualität ist immer ein besseres Auswahlkriterium als statische Festlegungen, wie Mindestabstand. Beides ergibt aber überhaupt keinen Sinn, außer es geht um die radikale Umsetzung ideologischer Ideen.

Schritt 3:

Aber damit noch nicht genug. Sicherlich ist es richtig und wichtig, vulnerable Menschen zu schützen. Aber darf ich als Gesetzgeber dann all den Anderen – und das ist die große Mehrheit – die sozial und verantwortungsvoll mit ihrem Freizeitvergnügen umgehen, jeden Spaß vermiesen?

In der Gesetzesbegründung zu § 6 des neuen Landesgesetzes wird klargestellt: in Spielhallen gilt weiterhin das Verbot der Abgabe von alkoholhaltigen Getränken und die entgeltliche oder unentgeltlichenAbgabe von Speisen. Nun kommt ein neues Verbot hinzu: Keine Abgabe alkoholfreier Getränke und keine Duldung des Verzehrs von jeglichen Getränken und Speisen! Das gilt auch für mitgebrachte Speisen und Getränke. Also auch kein Glas Leitungswasser mehr! Welchem Geist entspringen denn solche Regelungen. Also soll das Personal der Spielhalle den Spielgast auf die „verbotene“ Mitnahme von Schokoriegel und Wasser filzen? Was tun im Konfliktfall? Will der Bremer Senat und die Bremische Bürgerschaft ernsthaft erwachsenen Menschen verbieten die eigene Flasche Wasser mitzubringen?

Begründung: Der Spieler, also auch ich, soll die „Möglichkeit“ erhalten die Spielhalle zu verlassen um etwas zu trinken und/oder zu essen. Dabei soll er aber über sein Spielhalten bewusst nachdenken. Können Menschen mit Durst und Unterzuckerung überhaupt sinnvoll nachdenken? Wie nannten Grüne in Schleswig-Holstein diesen pfiffigen konzeptionellen Ansatz? Der Hunger treibt die Menschen aus den Spielhallen. Nah dann Mahlzeit.

Da gäbe es doch sicherlich noch weitere Möglichkeiten einen Aufenthalt in Spielhallen allen sozial und verantwortungsvoll spielenden Menschen zu vermiesen: Wozu muss der Spielgast beim Spiel eigentlich bequem sitzen? Raus mit den bequemen Sitzmöglichkeiten! Getreu dem Motto – wer steht spielt kürzer!

Schritt 4:

Jetzt möchte ich mir mein Freizeitvergnügen durch scheinbar Ideologie getriebene Politiker und Verwaltungsmitarbeiter nicht gleich vermiesen lassen, auch nicht in Bremen. Da muss es doch noch sozial verträglichere Angebote geben. Oh ja, ich bin fündig geworden. Da gibt es aber doch einen Glücksspieltempel, das Casino an der Schlachte. Schneller Blick online. Oh, wurde umbenannt und hat neue Eigentümer. „Aus Casino wird Spielbank. Neues Logo, neuer Name und mit Lotto Bremen auch ein neuer Inhaber für unser Haus an der Schlachte. An unserem besonderen Ambiente und dem gewohnten Spielangebot ändert sich aber natürlich nichts. Wir begrüßen Sie in der neuen Spielbank Bremen.“ Ah ja, Bremer Toto und Lotto GmbH. Wem gehört die eigentlich. Schau an, 66,7 Prozent gehören dem Land Bremen. Also ist das Land Bremen einerseits Regulator für andere Glücksspielanbieter und gleichzeitig selbst Betreiber von Glücksspielangeboten. Und da soll es ja durchaus gefährliche Produkte geben, so etwa Rubbellose aber auch sogenannte einarmige Banditen. Die sind bei Einsatz und Verlust ziemlich weit offen. Also ohne die engen Regularien, wie sie nach Spielverordnung für Geräte in Spielhallen gelten. Übrigens, der Bremer Innensenator Ulrich Meurer war lange im Aufsichtsrat der Bremer Toto und Lotto GmbH. Heute ist eine Grüne Aufsichtsratsvorsitzende, Silke Krebs. Sie ist Staatsrätin im Finanzressort und war viele Jahre Ministerin im Staatsministerium Baden-Württemberg.

Ach ja, bin ja fündig geworden, aber immer noch ziemlich hungrig und durstig. Vielleicht wird mir ja hier geholfen

Aber da ist doch die Erlösung: „Unser gastronomisches Angebot bietet Ihnen alles fürs leibliche Wohl – eine große Auswahl an Drinks und leckere Snacks. Freundliches Personal und exzellenter Service schaffen die ideale Atmosphäre, um zwischen den Spielen am Roulettetisch und den Spielautomaten zu entspannen.“ Glücksspiel und Alkohol? Entspannen zwischen den verschiedenen Glücksspielangeboten. Irgendwie verkehrte Welt. Aber ein Schelm wer hier Böses denkt. Also hier darf ich bleiben. Gut gesättigt und ohne Durst. Beides soll mich hier nicht vertreiben. Irgendwie komische Doppelmoral.

Ach ja, Spielerschutz und Prävention. Sowohl bei Spielhallen und in der Spielbank gibt es Sozialkonzepte und durchaus geschultes Personal. Und natürlich auch die Möglichkeit sich sperren zu lassen.