Konzerne planen Milliardeninvestitionen – Mega-Casinos locken die Briten zum Glücksspiel

Riesige Hallen mit tausenden Spielautomaten, Millionengewinne – Verhältnisse wie im Spielerparadies Las Vegas könnten bald in Liverpool, Manchester oder Leeds herrschen. Viele Briten fürchten diese Perspektive, andere wünschen sie sehnlichst herbei.

HB/su LONDON. Die britische Regierung hat ein neues Gesetz für Glücksspiele auf den Weg gebracht. Es soll moderne Technologien wie das Zocken im Internet regulieren und die Spieler besser schützen, aber auch Schluss machen mit seltsam anmutenden Regeln des fast 40 Jahre alten Glücksspielgesetzes – etwa der Vorschrift, dass ein Spielwilliger 24 Stunden lang Mitglied in einem Spielclub sein muss, bevor er das erste Geld setzen darf. Schafft es der Gesetzentwurf wie geplant den Weg durch alle Instanzen, fallen im März 2005 räumliche und zeitliche Beschränkungen für britische Zocker.

Die kleinen britischen Casino-Betreiber fürchten das neue Gesetz, denn es könnte das Aus für viele traditionelle Hallen mit Automaten, Pokertischen und Roulette bedeuten. Der Grund: Die Regierung lässt Mega-Casinos mit bis zu 1 250 Automaten zu. Spielkonzerne wie Kerzner International, MGM Mirage und Caesars Entertainment stehen schon in den Startlöchern; Projekte mit einer Investitionssumme von zusammen fünf Mrd. Pfund (mehr als sieben Mrd. Euro) sind geplant, die zigtausende Arbeitsplätze schaffen sollen. MGM Mirage will 2010 zehn Prozent seines weltweiten Umsatzes (2003: fast vier Mrd. Dollar) in Großbritannien erwirtschaften.

Der Markt ist attraktiv: In einer Studie der Unternehmensberatung KPMG heißt es, jeder dritte Brite wolle ein Casino besuchen, wenn das Gesetz geändert würde, und der Umsatz der Branche von 690 Mill. Pfund im Jahr 2003 steige auf 2,5 Mrd. Pfund im Jahr 2009.

Konkrete Projekte gibt es bereits, bevor das Gesetz in Kraft ist. Der US-Konzern Caesars – ein Gigant mit einem Jahreserlös von 4,5 Mrd. Dollar – will zusammen mit dem britischen Immobilienkonzern Quintain Estates am neuen Londoner Wembley Stadium für 330 Mill. Pfund ein Vergnügungsparadies bauen, inclusive Luxushotel mit 400 Zimmern auf neun Etagen sowie Casino mit 135 Spieltischen und 1 250 Automaten auf einer Fläche von 7 000 Quadratmetern – etwa so groß wie ein Fußballfeld. Mindestens 5 000 Quadratmeter Fläche muss ein britisches Spielcasino künftig haben, will es die Spieler mit Millionengewinnen an die Automaten locken.

In „Caesars Wembley“ sollen die Fußballfans die Stunden vor und nach dem Spiel verbringen. Teile der neuen Anlage sollen zur Eröffnung des neuen National Stadium an der Stelle der alten Wembley Arena im Jahr 2006 fertig sein, zwei Jahre später der ganze Komplex.

Fußballstadien in ganz Großbritannien wecken die Phantasien der Entwickler. Sie liegen günstig, werden nur ein oder zweimal pro Woche genutzt, haben genug Parkmöglichkeiten und ziehen große Menschenmengen an. In Manchester soll Kerzner für 260 Mill. Pfund das Sportcity Casino bauen mit Hotel, Eisbahn, Schwimmbad und künstlichem Strand – dort, wo vor zwei Jahren die Commonwealth-Spiele stattgefunden haben. Den Baugrund am Stadion in Leeds hat sich der britische Spielkonzern Stanley Leisure gesichert.

Stanley ist britischer Marktführer mit einem Jahresumsatz von 1,6 Mrd. Pfund. Der Konzern betreibt 660 Wettbüros und 41 Casinos. 125 Mill. Pfund will das Unternehmen in Leeds investieren. „Wir wollen eher einen allgemeinen Vergnügungspark schaffen als ein altmodisches Spielcasino“, sagt ein Firmensprecher. Ende 2007 soll der Komplex stehen, 1 000 neue Jobs soll es der Region bringen. 20 bis 30 solcher Mega-Casinos könnten in Großbritannien wirtschaftlich erfolgreich sein, schätzt die Branche.

Weil die großen Casinos mehr als Glücksspiel bieten müssen, sind sie auch für die Kommunen attraktiv: „Die Vertreter der Kommunen sagen uns, was sie gern hätten, aber nicht finanzieren können“, sagt Rodney Brody von Las Vegas Sands.