Erste Hauptsacheentscheidungen zur Lottovermittlung: Gewerbliche Internetvermittlung und -werbung für Lotto ohne Erlaubnis zulässig

Rechtsanwalt Dr. Tobias Masing
Rechtsanwalt Dr. Tobias Masing

Die 35. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat am 22. 09.2008 entschieden, dass zentrale Beschränkungen des GlüStV für die gewerbliche Lottovermittlung nicht anwendbar sind. Auf die Feststellungsklage eines gewerblichen Spielvermittlers erklärte das Gericht u.a. das Internetverbot, den Erlaubnisvorbehalt und die Werbebeschränkungen für unwirksam. Die Entscheidung, welche die Vermittlung aller in einem Bundesland erlaubten Lotterien mit bis zu zwei Ziehungen in der Woche – (also Lotto 6 aus 49, Glücksspirale, Klassenlotterien etc.) betrifft, ist die erste Hauptsacheentscheidung eines Verwaltungsgerichts zur gewerblichen Lottovermittlung. Die Entscheidung lässt in ihrer Eindeutigkeit kaum zu wünschen übrig:

Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Tenor der Entscheidung in bezug auf die Vermittlung von staatlich zugelassenen Lotterien mit nicht mehr als zwei Ziehungen in der Woche (insbesondere Lotto)die Feststellung getroffen, dass gegenüber der Klägerin die folgenden gesetzlichen Vorgaben des GlüStV und des Berliner Ausführungsgesetzes unanwendbar sind:

  • den Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung nach § 4 I GlüStV (§ 14 Abs. 1 i.V.m. §§ 7, 8 Abs. 5 GlüStVAG Bln)
  • das Verbot der Internetvermittlung nach § 4 Abs. 4 GlüStV
  • die Beschränkung der Zulassung der gewerblichen Spielvermittlung auf Spieler mit Aufenthalt in Berlin (§ 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4 Satz 1, § 3 Abs. 4 GlüStV (§ 14 Abs, 1 i.V.m. §§ 7, 8 Abs. 5 AG GlüStV Bln)
  • die Beschränkung der Zulassung der gewerblichen Spielvermittlung auf Spiele, die in Berlin zugelassen sind bzw. der Ausschluss von in anderen Bundesländern zugelassener Spiele für Berlin (§ 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4 Satz 1, § 3 Abs. 4 GlüStV (§§ 13 Abs. 1, 14 Abs, 1 i.V.m. §§ 7, 8 Abs. 5 AG GlüStV Bln)
  • das Internetwerbeverbot (§ 5 Abs. 3 2. Alt. GlüStV)
  • die Werbebeschränkungen des § 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 GlüStV, insbesondere das Verbot, gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel aufzufordern, anzureizen oder zu ermuntern,
  • das Verbot, an die Veranstalter und Annahmestellen, gewerblichen Spielvermittler Provisionen und Vergünstigungen einzuräumen (§ 13 Abs. 3 AG GlüStV AG Bln)
  • die Verpflichtung an den gewerblichen Spielvermittler, vor Annahme eines Spielauftrags eine Auskunft aus der Sperrdatei einzuholen (§ 13 Abs. 4 GlüStV AG Bln).

Die Klägerin wurde von Dr. Tobias Masing (Redeker Sellner Dahs & Widmaier) in Zusammenarbeit mit Dr. Wolfgang Bomba (White & Case) vertreten. Die Begründung des Urteils steht noch aus. Die Rechtsfragen lassen sich nach Überzeugung Dr. Tobias Masing ohne weiteres auf die Situation in den anderen Bundesländern übertragen. Dass das Gericht die Vorschriften für unanwendbar erklärt hat, ohne dass es das Bundesverfassungsgericht anrufen musste, dürfte seinen Grund in der Europarechtswidrigkeit der angegriffenen Vorschriften haben, auf die bereits die EU-Kommission in einem Anhörungsschreiben vom 31. Januar 2008 an die Bundesregierung hingewiesen hatte. Dieselben Aspekte, die den Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig machen, führen auch zur Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Grundrechtseingriffe, wenn man einmal von den europarechtlichen Fragen absieht. Auch die Vorgaben des § 25 Abs. 6 GlüStV sind nach der Entscheidung der Sache nach hinfällig. Das Gericht musste nicht mehr hierzu entscheiden. In der mündlichen Verhandlung hatte das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass sich die Frage nach der Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Vorgaben des § 25 Abs. 6 GlüStV für Übergangserlaubnisse für die Internetvermittlung nur stelle, wenn das Internetverbot wirksam sei. Auf die Anregung der Kammer wurde deshalb der zunächst auch gegen diese Vorschrift gerichtete Feststellungsantrag zu einem Hilfsantrag zum Internetverbot umformuliert. Nachdem das Gericht aber bereits das Internetverbot insgesamt gekippt hatte, brauchte es über die Vorgaben für Übergangserlaubnisse gar nicht mehr zu entscheiden. In einer Parallelsache (VG 35 A 78.08) eines anderen gewerblichen Lottovermittlers stellte das Gericht mit Urteil vom selben Tage fest, dass „die Klägerin ohne Erlaubnis der zuständigen Berliner Behörde berechtigt ist, die inem anderen Land erlaubt veranstalteten Glücksspiele Lotto 6 aus 49, Glücksspirale, SKL und NKL im Internet volljährigen Personen, die sich in Berlin aufhalten, gewerblich zu vermitteln und die Spielscheine den Lottogesellschaften anderer Länder zuzuleiten und für ihr Internetangebot unter Nutzung allgemein verfügbarer Werbeträger einschließlich Internet, Fernsehen und Telekommunikationsanlagen zu werben.“

Das Gericht hat die Berufung in beiden Verfahren zugelassen.

Damit ist der Glücksspielstaatsvertrag für Berlin erstinstanzlich praktisch beerdigt worden, soweit es um die Lottovermittlung geht.

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