Glücksspielwesen: Am Rand der neuen Epoche Glücksspielkollegium berät über Ausnahmegenehmigungen für Internet- und TV-Werbung

Ein Kommentar von Rechtsanwalt Boris Hoeller

Bislang war sie rechts-und ordnungswidrig: Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet und Fernsehen. Gekümmert hat dies nicht alle: Insbesondere die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks kündigen schon seit Sommer 2012 in bunten Farben von insbesondere Jackpots, Sonderverlosungen und Produktinnovationen. Eingegriffen hat der Staat bisher nicht. Ab kommender Woche ist nun erstmals mit der behördlichen Erteilung einer Erlaubnis für solche mediale Werbung zu rechnen. Wendepunkt im deutschen Glücksspielwesen?

Nachfrage vom 31.01.2013 zum Stand von Genehmigungen für Internetwerbung bei der nach den glücksspielrechtlichen Regelungen zuständigen Behörde und deren Antwort:

„Die Bezirksregierung Düsseldorf ist seit dem 01.12.2012 im sog. „ländereinheitlichen Verfahren“ für die Erteilung von Erlaubnissen für die Werbung für u.a. Lotterien im Internet und im Fernsehen (bundesweit) zuständig.
Zahlreiche gewerbliche Spielvermittler, Veranstalter von Soziallotterien und Landeslotteriegesellschaften haben hier einen entsprechenden Antrag gestellt, u. a. auch die Westdeutsche Lotterie GmbH. Bislang sind noch keine Erlaubnisse erteilt worden und können durch die BR Düsseldorf auch nicht erteilt werden, da das insoweit zuständige Glücksspielkollegium noch keine abschließende Entscheidung getroffen hat. Das Glücksspielkollegium beabsichtigt, in seiner nächsten Sitzung am 21./22.02.13 die Anträge abschließend zu beraten und über diese zu entscheiden.
In der Zwischenzeit wird weder gegen die Landeslotteriegesellschaften noch gegen die privaten gewerblichen Spielvermittler vorgegangen, sofern sie über eine Erlaubnis zum Veranstalten bzw. Vermitteln verfügen, hier einen Antrag auf Werbeerlaubnis gestellt haben und dieser Antrag erlaubnisfähig ist.“

Im Klartext: Jegliche „Werbung für öffentliches Glücksspiel“ im Fernsehen oder Internet war und ist bis heute rechtswidrig. Eine Werberichtlinie gibt es erst seit 1.2.2013, zudem mit fragwürdigen Inhalten. Wonach beurteilt sich eine „Erlaubnisfähigkeit“. Worthülsen aus einem Dilemma. Unter dem Begriff der „Werbung für öffentliches Glücksspiel“versteht sich zumindest „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handelsgewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.“ Das war das Verständnis der Gerichte zum Werbebegriff des GlüStV 2008 und entspricht auch der Definition des § 2 Abs. 1 der zu Anfang Februar 2013 von den Ländern veröffentlichten Werberichtlinie nach § 5 Abs. 4 GlüStV 2012.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unterfällt auch das tatsächliche Anbieten eines Produktes zum entgeltlichen Absatz dem Werbebegriff. Wer tatsächlich Beteiligungsmöglichkeiten am öffentlichen Glücksspiel anbietet, der will den Absatz insofern auch fördern. Die Rechtswidrigkeit des bisherigen Internetwerbeverhaltens ist damit offensichtlich. Etwaig erteilte Internetvertriebsgenehmigungen konnten vom medialen Werbeverbot nicht befreien. Selbst wenn sie solche Bestimmungen aufgewiesen hätten, wären diese wirkungslos, da mit Nichtigkeitsfolge eine Zuständigkeit offensichtlich nicht gegeben war.

Dass kurz vor den zu erwartenden Genehmigungen für Fernseh- und Internetwerbung nunmehr der Deutsche Lotto- und Totoblock an die Öffentlichkeit geht und öffentlich ein Eingreifen der Glücksspielaufsicht gegen die „Illegalen“ fordert, ist Vorbote für anstehende Veränderungen im Verhalten von Glücksspielaufsicht und Veranstaltern.

Offenbar war man sich der sensiblen Achillesferse bewusst, die man sich durch den unverzüglichen Wiedereintritt ab dem 1.7.2013 in das Internetgeschäft mit den Lotterien geschafft hat, ohne aber über die Werbeerlaubnis zu verfügen. Es gab keine Werberichtlinie, es gab auch keine Erlaubnisbehörde. Trotzdem ging man an den „Onlinespeck“.
Doch diese Episode des rechtswidrigen Handelns zur Erlangung von Marktanteilen im Internet wähnt man nun vorbei und man geht in die Offensive. Die eigenen Erträge und damit auch das Gute, das man tut, litten unter den so genannten „Illegalen“. Dem müsse jetzt konsequent entgegengewirkt werden, so jüngst eine öffentliche Artikulation des Geschäftsführers der beim DLTB federführenden Saartoto.

Die letzten Jahre waren keine Erfolgsstory für das deutsche staatliche glücksspielwesen. Sinkende Umsätze, damit sinkende Erträge und ein stumpfes rechtliches Instrumentarium, das die Eignung zur Durchsetzung des gewollten Glücksspielmonopols nicht leisten konnte.

Wird jetzt alles anders? Abgesichert durch „behördliche Genehmigungen“ geht man in die Werbeoffensive in den Medien, die seit 2008 ausgesperrt waren, alles natürlich nur zur besseren Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages. Das Angebot der „Illegalen“ ist dann auch der Grund dafür, dass für Lotto und Eurojackpot „im für eine gesicherte Wahrnehmung notwendigen Umfang attraktiv geworben werden“ darf. Die Phase des mit dem Versuch, Feuer mit Öl zu löschen vergleichbaren „Wettrüsten der Legalen und Illegalen bei der Glücksspielwerbung“ (so schon Bornemann, K&R 2012, 654) steht bevor.
Die Glücksspielaufsicht ist vom Lottoblock aufgerufen, zur Absicherung der Einnahmen hart durchzugreifen. Beginnt jetzt die neue Epoche?

Wegen des rechtswidrigen Verhaltens in der eigenen staatlichen Sphäre traute man sich nicht, glücksspielaufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen und jetzt sollen die dadurch bewirkten Zustände mit attraktiver Werbung bekämpft werden (§ 5 GlüStV-Werberichtlinie). Das läßt sich nicht mehr schlüssig erklären, aber auch der Ansatz als solcher, bringt den Verstand zur Verzweiflung.

Gewerbetreibende als Betreiber von Spielhallen und Casinos – und durch Anwendung der Erprobungsregeln, der Aufbruch des Sportwettenmonopols bei Sportwetten. Die als mehr oder minder pathologische Spielsucht begründenden Glücksspielformen in der Hand von Privaten und die – „läßt man mal die Kirche im Dorf“ (O-Ton im WDR2 Interview), wie von DLTB-Chef Burkert gefordert – doch harmlosen Lotterien verbleiben im Staatsmonopol mit strangulierenden Regeln für rechtstreue Unternehmen.

„Geht’s noch?“ fragt man sich unwillkürlich und denkt zurück an die Gründe der Sportwetten–Entscheidung des Bundesverfassungsgericht, die Staatsmonopole nur aus dem Grund der Suchtvorbeugung und bekämpfung für zulässig erachtet hat. Zur Spielteilnahme aufforderndes Werbeverhalten hat da keinen Raum. Die anderen, für eine Einschränkung der Berufsfreiheit angeführten Gründe, wie Jugend– und Spielerschutz einschließlich Schutz vor überhöhten Ausgaben, Betrugsvorbeugung, Sicherung der Integrität des Sports, rechtfertigen den Eingriff in das Berufsfreiheitsrecht nicht auf der empfindlichsten Ebene.

Die langatmige Staatsmacht besteht auf ihr Einkünfte aus Lotterien. Dem wird alles untergeordnet.
Für den Rechtsstaat bleibt das Glücksspielwesen ein illegales Glücksspiel.

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