Glückspielsucht und Sozialkonzepte

23. Jahrestagung des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V.

Berlin, 1./11.12.2011. Klarheit verschafft oder Tribunal veranstaltet? Hoch her ging es Anfang Dezember bei der 23. Jahrestagung des gemeinnützigen Fachverbandes Glücksspielsucht im Hotel Aquino in Berlin. Die Mehrheit der 226 Zuhörer lehnte lautstark einen Teil des neuen Berliner Gesetzespakets des Glückspielmarktes ab.

Sachkundenachweise zur Suchprävention. Unter Paragraf sechs des Berliner Spielhallengesetzes (SpielhG) heißt es zum Jugend- und Spielerschutz, dass Kenntnisse zur Prävention der Spielsucht und im Umgang mit betroffenen Personen erworben werden müssen. Nicht nur die Mitarbeiter, auch die Antragssteller für Spielkonzessionen müssen gemäß Paragraf zwei, einen Sachkundenachsweis vorlegen. „Die für Wirtschaft zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung durch Rechtsverordnung die Dauer und Inhalte der Schulung sowie die Rahmenbedingungen für deren Durchführung festzulegen.“

Kooperationen für Personalschulungen im Glücksspielgewerbe. Der Regionalleiter des Berliner Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin e.V., Rolf Göpel, ist zufrieden damit. Er schult als Kooperationspartner bereits seit den neuen Glückspielregeln von 2008 Mitarbeiter von privaten und staatlichen Spielbanken sowie von Lottogesellschaften im ganzen Bundesgebiet.Die terrestrisch konzessionierten Spielbanken haben je Betrieb einen oder mehrere Suchtpräventionsbeauftragte, die sich regelmäßig weiterbilden und sind zufrieden damit.

Schulungen als Alibi-Funktion? Der freie Journalist Kolakowski aus Köln diskutierte hart gegen den Leiter des Berliner Caritasverbandes Rolf, weil Göpel als erster in Deutschland eine Schulungskooperation mit der Automatenwirtschaft einging. Der Inhaber der Gauselmann-Gruppe Paul Gauselmann persönlich hatte in einem Werbevideo 2010 die Zusammenarbeit mit der Caritas hervorgehoben, was nicht nur die Kritiker bei der Glücksspielsuchttagung scharf verurteilten, sondern den Bundesverband der Caritas dazu veranlasste, dem Berliner Bistum mit Austritt zu drohen, sagte Peter Kolakowski nach der Diskussion. Bei der Glückspieltagung war Dirk Lamprecht von der Automaten-Wirtschaftsverbände-Info GmbH ( AWI ) als Gast vertreten. Lamprecht erhielt erst am Ende der Diskussion von Peter Kolakowski das Wort und wies die schweren Vorwürfe zurück, die Automatenwirtschaft verschaffe sich mit Hilfe der gemeinnützigen Caritas ein humaneres Image und lenke von dem Suchtpotential der gewerblichen Geldgewinnspielgeräte ab. Göpel verteidigte seinerseits die Kooperation, die Mitarbeiter seien sensibilisiert worden für die Probleme in dem Glücksspielmarkt. Göpel sehe auch keine Probleme darin die Fachleute für Schulungen zur Suchtprävention unter dem Dach des Berliner Caritas Bistums von der Automatenwirtschaft bezahlt zu bekommen und habe nicht vor, eine abgekoppelte Betriebsvariante zu gründen, um die Kritiker mit mehr Transparenz zu besänftigen.

Zustimmung zur Personalschulung erhielt Göpel vom geschäftsführenden Vorstand des Bundesverbands der privaten Spielbanken (BupriS), Martin Reeckmann. Der Rechtsanwalt sagte nach der Veranstaltung: „das war keine Diskussion heute Nachmittag, das war ein Tribunal gegen Rolf Göpel“. Der Journalist Peter Kolakowski habe „nicht neutral moderiert, sondern Stimmung gegen Sozialkonzepte gemacht“. Zwar ist BupriS sich nicht immer grün mit der Automatenwirtschaft, aber eine Ablehnung der Entscheidung des Gesetzgebers für Sozialkonzepte sei nicht nachvollziehbar.

Berlins Spielhallengesetz 2011. Der Spandauer SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, sagte in seinem Grußwort bei der Glückspielsuchttagung nicht ohne Stolz: die Berliner Parlamentarier waren sich „fraktionsübergreifend bei dem Gesetzespaket einig. Fast 90 Prozent stimmten für den Gesetzvorschlag.“ Buchholz war Mitinitiator, die Spielhallen, Spielotheken oder Wettbüros und deren Lizenzvergaben einzudämmen. Nach der Übergangsfrist wird es ab 2016 keine neuen Anträge auf Glücksspielhallen mehr geben können. Mehrere Vorgaben des Spielhallengesetzes gelten seit in Krafttreten am 2. Juni 2011 für bereits bestehende Spielcasinos.

Automatenspiel stärker besteuert. Daniel Buchholz: Der erste Baustein war die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Erhöhung der Vergnügungssteuer auf Geld-Gewinnspielgeräte von 11% auf 20% Prozent. Diese Landessteuer werde auf das Einspielergebnis bei allen Automaten erhoben, egal ob sie in Spielhallen, Döner-Buden, Vereinslokalen oder Gaststätten hängen, die Automatenspiele würden unattraktiver dadurch werden.
Berlin verfüge schon jetzt über keine Ressourcen mehr, neue Spielhallen zuzulassen. Alleine die Einschränkungen des gebotenen Abstands mit 500 Metern der Spielhallen, Casinos oder ähnlicher Unternehmen voneinander sowie zu Kindergärten, Jugendclubs und Schulen, können nicht mehr erfüllt werden. Ab 2016 werden keine Mehrfachlizenzen für einen einzelnen Anbieter mehr erteilt. Auf der Internetseite von Daniel Buchholz (SPD) heißt es: Nach dieser „Übergangsfrist von fünf Jahren verlieren zum 31. Juli 2016 alle Erlaubnisse von bestehenden Spielhallen ihre Gültigkeit und müssen nach dem geänderten Recht erneut beantragt werden.“

Veranstalter der Tagung war der Fachverband Glücksspielsucht e.V. (fags), Vorsitzende ist Ilona Füchtenschnieder-Petry. www.glueckspielsucht.de
Berliner Spielhallengesetz (Drei-Din-A-4-Seiten): http://www.daniel-buchholz.de/download/spielhallengesetz_berlin_gesetzesblatt_06_2011.pdf

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