Tagungsbericht: Spielerschutz in Baden-Württemberg – Eine Zwischenbilanz zur Umsetzung des Landesglücksspielgesetzes

An der Fachtagung „Spielerschutz in Baden-Württemberg – Eine Zwischenbilanz zur Umsetzung des Landesglücksspielgesetzes“ am 22. Februar in Stuttgart haben 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Bereichen des Glücksspielwesens, dem Hilfesystem, Glücksspielanbietern, aus Behörden, Ministerien und der Politik teilgenommen.

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Die Veranstalter, die Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim, der Baden-Württembergische Landesverband für Prävention und Rehabilitation, Die Zieglerschen sowie die Evangelische Gesellschaft (eva) erhielten eine durchgängig positive Rückmeldung. Sie ziehen eine positive Bilanz sowohl hinsichtlich der Qualität der Vorträge und Diskussionsbeiträge als auch hinsichtlich des teils kontroversen, aber immer respektvollen Austausches.

Herr Professor Tilman Becker verwies in seiner Begrüßung auf die positiven Entwicklungen seit Geltung des Landesglücksspielgesetzes in BW, wie die verbesserte wirtschaftliche Situation der Spielbanken und der Lottogesellschaft, den funktionierenden Jugendschutz und die enormen Anstrengungen im Bereich der Schulung der Servicefachkräfte. Er hob die baden-württembergische Tradition der Kooperation von Hilfe und Anbieter hervor, die auch zu dieser Tagung geführt habe. Auch die kritischen Punkte sprach er an: Das noch ausstehende landesweite Sperrsystem für das Automatenspiel, die fehlende Evaluation der Sozialkonzepte und die unzureichende Förderung der Forschung.

Herr Günther Zeltner, SeniorBerater bei der eva, moderierte die folgenden Vorträge. Mit Kompetenz und klaren Aussagen vermittelte er zwischen den Referenten und den intensiv Mitdiskutierenden.

Frau Christa Niemeier von der Landesstelle für Suchtfragen gab einen Überblick zum Klientel der Suchtberatungsstellen und verdeutlichte mit ihren umfangreichen Zahlen die Entwicklung der Hilfesuchenden mit der Hauptdiagnose pathologisches Glücksspiel. Die Zahl der hilfesuchenden pathologischen Glücksspieler liegt seit ca. 10 Jahren mit Schwankungen bei etwas unter 2000 Personen. Zudem präsentierte sie die Ergebnisse einer Befragung der Suchtberatungsstellen, die Servicekräfte-Schulungen anbieten. Sie informierte über die Anzahl durchgeführter Schulungen, deren Weiterentwicklung und die Entwicklung der Kooperationen. Beim letztgenannten Punkt stellte sie fest, dass über die Schulungen hinweg kaum weitere Zusammenarbeit zwischen Suchtberatungsstellen und Spielhallen besteht.

Herr Holger Urbainczyk gab eine eher kritische Bewertung der Schulung der Servicefachkräfte: Die Quantität überwiege die Qualität. Servicefachkräfte seien überfordert, Gäste, die auffällig spielten, direkt anzusprechen. Nach seiner persönlichen Erfahrung ließen sich Spieler an den Spielstätten nur unwillig ansprechen und es wäre unklar, ob sich dort eine Veränderungsbereitschaft fördern ließe. Seine pointierten Aussagen wurden danach im Plenum kontrovers diskutiert. Übereinstimmung bestand darin, dass in den Unternehmen den Spielerschutz fördernde und organisierende Strukturen vorhanden sein müssen.

In zwei von Kolleginnen der Fachstelle Glücksspiel der eva, Frau Kristina Kasimirski und Frau Beate Klink moderierten Runden wurden Einblicke in die Praxis und den Alltag des Spielerschutzes gegeben: Für die Spielhallen berichtete Frau Alexandra Coelho, Sozialkonzeptbeauftragte bei der Firma Aristo aus den Spielhallen und Herr Dr. Uwe Kniesel, unterstützt von Volker Brümmer, über den Spielerschutz in den baden-wüttembergischen Spielbanken. Diese beiden Berichte würden mit viel Beifall aufgenommen. Zahlreiche Nachfragen aus dem Publikum zu genauen Zahlen und Fakten zeigten das große Interesse der Teilnehmer.

Nach der Mittagspause, die für den Austausch genutzt wurde, berichtete Herr Christoph Höh, Suchtberater bei der agj, von seinen Erfahrungen als Auditor in der Zertifizierung von Spielhallen. Seine zentrale Botschaft lautete: Spielhallen-Zertifizierungen können zur Qualität im Spielerschutz beitragen, wenn sie als prozessbegleitende Optimierungen verstanden und angewendet werden. Auch bei seinem Vortrag wurde kontrovers diskutiert und besonders auf das Thema „Mystery Shopping“ und dessen Grenzen zur Beurteilung von Spielerschutzmaßnahmen eingegangen.

Der Themenbereich Qualität und Evaluation wurde souverän von Professor Tilman Becker mit seinem Referat über wissenschaftliche Evaluierung von Sozialkonzepten abgeschlossen. Ihm war es ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die Differenzierung der Spielerschutzmaßnahmen nach dem Sucht- und Gefährdungspotential der Glücksspielformen erweitert werden muss um die Unterscheidung verschiedener Subtypen von Problem- bzw. pathologischen Spielern. Konditionierte Problemspieler, emotional verletzliche Problemspieler und anti-soziale, impulsive Problemspieler sind drei Gruppen, die jeweils spezifische Spielerschutzmaßnahmen benötigten.

Zum Spielerschutz und zur Regulierung in Baden-Württemberg tauschten sich aus: (v.l.): Adrian Bolanz, Pratsch Automaten, Matthias Brehm, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, Holger Urbainczyk, Baden- Württembergischer Verband für Prävention und Rehabilitation, Moderator Ulrich Albrecht, Die Zieglerschen, Otto Wulfer- ding, Baden-Württembergische Spielbanken und Georg Wacker, Staatl. Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg
In der abschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Herrn Ulrich Albrecht, wurde aus der jeweiligen Perspektive Zwischenbilanz gezogen:
Herr Georg Wacker, betonte die Bedeutung des staatlichen Glücksspielmonopols für den Spielerschutz, aber auch die Vorteile der Förderung von Kunst, Kultur, Sport und Sozialem. Herr Otto Wulferding, erinnerte daran, dass die Spielbanken schon vor Inkrafttreten des LGlüG den Spielerschutz auf hohem Niveau betrieben hätten und diesen ständig weiterentwickelten. Auf die Frage aus dem Plenum, ob eine weitere Spielbank z.B. in Mannheim geplant sei, machte er deutlich, dass diese politisch nicht gewollt wäre. Herr Matthias Brehm verwies auf die rechtliche Komplexität bei der gesamten Regulierungsdiskussion. Er machte deutlich, dass mit der Einbeziehung des gewerblichen Automatenspiels in das LGlüG eine Kulturänderung für diese Unternehmen erforderlich wurde, die bis heute noch nicht abgeschlossen sei. Herr Adrian Bolanz betonte, dass in seinem Familienunternehmen der Spielerschutz eine hohe Bedeutung habe. Zertifizierung sei sehr wichtig, auch wenn die aktuellen Entwicklungen durch die technische Richtlinie TR5 auch zu Umsatzeinbüßen führten. Kritisch merkte er an, dass es für den Spielerschutz nichts brächte, wenn die Gäste das Glücksspiel in Spielhallen nicht mehr attraktiv fänden und auf illegale Angebote oder unkontrollierte Angebote im Internet ausweichen würden. Herr Holger Urbainczyk sprach sich entschieden dafür aus, bei der Regulierung des Glücksspiels die betroffenen Spieler und Spielerinnen einzubeziehen und deren Erfahrungen mit zu berücksichtigen.

Übereinstimmung bestand bei der Forderung nach einer landes- bzw. bundesweiten Sperrdatei, dem wirksameren Vorgehen gegen illegales Glücksspiel und in der Erwartung, dass die Sportwetten und das Onlinespiel grundlegend geregelt würden. Es wurde auch mehrmals hervorgehoben, dass ein Forschungsbedarf besteht.

Pünktlich um 16.30 Uhr verabschiedete Herr Günther Zeltner die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in das Wochenende mit der Aufforderung, auch weiterhin an ihrem jeweiligen Ort an der Weiterentwicklung des Spielerschutzes zu arbeiten.

Die Referate sind auf der Webseite der eva (www.eva-stuttgart.de) eingestellt.

Informationen zur Fachtagung Glücksspiel – Suchtprävention in der Praxis am 21. und 22.05.2019