Kein System zum Reichwerden

Die Hoffnung, am Roulette- oder Karten­tisch reich zu werden, ist so alt wie die Glücks­spiele selbst. Eine Ge­schichte des Scheiterns

Die Hoffnung, am Roulette- oder Kartentisch reich(er) zu werden, ist so alt wie diese Glücksspiele selbst. Auch Systeme, um das Spielglück zu zwingen, haben eine lange Genesis: eine Geschichte des Scheiterns.

Wien – Während des Studiums hatte G. eine blendende Idee, wie er zu Geld kommen würde. Er wollte mit seinen gesamten Ersparnissen, rund 10.000 Schilling (730 Euro), ins Kasino gehen, sich an den Roulettetisch stellen und den Mindesteinsatz auf Rot oder Schwarz setzen. Wenn die Kugel auf die falsche Farbe rollen sollte, den Einsatz einfach verdoppeln, bis er einmal gewonnen hat, um, sobald er mehr als den Eintrittspreis verdient hat, die Spielbank reicher wieder zu verlassen. So weit die Idee. G. lebt heute nicht auf einer hübschen Karibikinsel, sondern noch immer in einer Mietwohnung in Wien.

Trösten kann er sich zumindest mit der Tatsache, dass er nicht der Erste war, der vergeblich an die Wirksamkeit dieses Systems geglaubt hat – und auch nicht der Letzte sein wird. Denn seit dem 18. Jahrhundert hoffen die Spieler auf den Erfolg des so genannten Martingale-Spiels. Der Reiz der Sache: Man gewinnt damit sogar, aber immer nur kleine Beträge – den ursprünglichen Einsatz nämlich.

Kein langfristiger Erfolg

Auf Dauer reich zu werden spielt es aber wirklich nicht: Denn sobald oft genug die falsche Farbe fällt, ist durch das ständige Verdoppeln des Einsatzes das Tisch-Limit erreicht und die Chance auf eine positive Bilanz dahin. Und selbst wenn es kein Limit geben würde: Nachdem siebenmal das Farbenglück fernblieb, hatte G. dank der Tücken der Progression insgesamt schon 6350 Schilling (463 Euro) eingesetzt. Die 6400 Schilling (467 Euro), die für den nächsten Einsatz nötig gewesen wären, konnte er sich so nicht mehr leisten.

Dieses Schicksal teilt sich das Martingale-Spiel mit fast allen anderen Progressionssystemen im Glücksspielbereich – sei es das Vertrauen auf den Coup de Lion, den Löwencoup beim Roulette, bei dem man nach dem einmaligen Unterbrechen einer langen Serie wieder auf die ursprüngliche Farbe setzt, oder auf die Progression d’Alembert, bei der die Einsätze bei Gewinnen verringert, bei Verlust gesteigert werden: Langfristig erfolgreich ist keines davon.

Profit muss stimmen

Schließlich haben die Kasinobetreiber genügend Wahrscheinlichkeitsrechnungen angestellt, um zu wissen, wie die Quoten gestaltet sein müssen, um ihren Betrieb profitabel halten zu können, wobei sie bei elektronischen Spielautomaten im Vergleich zu den klassischen „analogen“ Glücksspielen den Vorteil haben, die Auszahlungsquote festlegen zu können.

Erfolgversprechender als die Suche nach dem perfektem Setzsystem scheinen da zwei andere Methoden: Das Ausforschen von Unregelmäßigkeiten im Roulettekessel auf legalem und illegalem Weg und das Kartenzählen beim Blackjack. Was Dustin Hoffman als Autist in „Rain Man“ noch in Perfektion demonstrierte, geht heute aber praktisch nicht mehr, warnt Karl Vybiral von der Sicherheitstochterfirma der Casinos Austria. „Früher gab es Handschlitten, aus denen die Karten gezogen und dann weggelegt wurden. Mittlerweile werden aber durchwegs automatische Kartenmischmaschinen eingesetzt, in die die gezogenen Karten wieder zurückkommen. So bleibt immer das gesamte Deck im Spiel.“

Laserstrahl, Lichtpunkte

Sicherheitstechnisch ein Problem sind dagegen die immer kleiner werdenden Roulettecomputer. „Hier ist der Stand der Dinge, dass mittels Laserstrahls oder Lichtpunkten auf dem Kessel versucht wird, vorauszuberechnen, wohin die Kugel rollen wird“, schildert Vybiral: eine äußerst komplexe Berechnung, die technisch aber machbar sei – und selbstverständlich illegal ist.

Allzu oft kommt es aber nicht vor, dass jemand versucht, dem Glück mit technischen Hilfsmitteln, gezinkten Karten oder gefälschten Jetons nachzuhelfen, beteuert Vybiral. Die meisten Menschen sind zudem geheilt, sobald sie einmal vergeblich auf ein System vertraut haben, auch wenn Izabela Horodecki von der Wiener Beratungsstelle „AS“ nicht ausschließt, dass Systemspielen ein Faktor sein kann, der zu Spielsucht führt. „Das Entwickeln eines Systems ist meist Ausdruck eines Problems. Das Spielen nimmt dann einen wesentlichen Teil im Leben des Betroffenen ein“ ist die Psychologin überzeugt.