Die Kontrolle von Allgemeinen Wettbestimmungen nach deutschem Recht

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Arendts Rechtsanwälte
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)
Teil 1 beschäftigte sich mit Fragen des sog. Internationales Privatrechts. Nach deutschem Recht können gegenüber Verbrauchern zwingende Rechtsvorschriften nicht abbedungen werden. In Teil 2 stelle ich die (relativ komplexen) Grundsätze einer AGB-Prüfung nach deutschem Recht sowie die einzelnen Prüfungsschritte und -kriterien dar.

Wettbestimmungen bzw. Spielbedingungen stellen – ganz egal wie sie bezeichnet sind – rechtlich gesehen sog. Allgemeine Geschäftsbestimmungen (AGB) dar, d. h. einseitig gestellte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verwendungsfällen (laut Rechtsprechung mindestens drei).

Sofern diese AGB-Klauseln einer AGB-Inhaltskontrolle nicht standhalten, sind die von den gesetzlichen Regelungen abweichenden Bestimmungen unwirksam. Der Anbieter kann sich dann nicht auf für ihn positive Regelungen berufen. Im Übrigen besteht die Gefahr, dass Wettbewerber (u.a. mit dem Argument „Vorsprung durch Rechtsbruch“) oder Verbraucherschutzverbände (nach dem Unterlassungsklagegesetz) gegen unwirksame Klauseln vorgehen können.

Ausgangspunkt für eine AGB-Inhaltskontrolle ist die Frage, ob es sich bei dem Kunden um einen Unternehmer oder um einen Verbraucher handelt. Dabei kommt es darauf an, in welcher Sphäre das jeweilige Geschäft getätigt wird. Wetten werden im Zweifelsfall immer im privaten Bereich stattfinden. Insoweit gilt die für Verbraucher geltende, wesentlich schärfere Klauselkontrolle.

Eine Prüfung von AGB erfolgt in folgenden Schritten:

(1) Einbeziehung in den Vertrag

Erster Prüfungsschritt ist die Frage, ob die Klausel wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Praktisch bedeutet dies: Die schönste Klausel nützt nichts, wenn sie nicht Vertragsbestandteil geworden ist.

Die Beweislast für die wirksame Einbeziehung trägt der Verwender, d. h. er muss in einem Prozess auch beweisen können, dass die Allgemeinen Wettbestimmungen wirksam vereinbart worden sind. Diesbezüglich empfiehlt sich eine beweiskräftige Dokumentation. Die Einbeziehungsvoraussetzung sind nach dem insoweit unabdingbaren deutschen Recht nämlich sehr streng. Nach § 305 Abs. 2 BGB ist für die Einbeziehung von AGB gegenüber Nichtunternehmern ein ausdrücklicher Hinweis erforderlich, so dass er von einem Durchschnittskunden (auf den die Rechtsprechung abstellt) auch bei flüchtiger Betrachtung nicht übersehen werden kann (BGH, NJW-RR 1987, 113). Ungenügend ist nach der Rechtsprechung insbesondere ein Hinweis in kleinerer und engzeiliger Schrift (OLG Düsseldorf, BB 1983, 84). Ungenügend dürfte auch der bloße Abdruck der AGB auf der Vertragsrückseite oder auf dem Wettschein sein. Auch hier müsste auf der Vorderseite ein ausdrücklicher, gut lesbarer Hinweis enthalten sein. Ähnliches gilt für Vertragsabschlüsse über das Internet. Auch hier ist ein entsprechender Hinweis erforderlich.

Ein weiteres Kriterium ist die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme. Nach der Rechtsprechung reicht die Bereitschaft, die AGB bei Unkenntnis zuzusenden, nicht (OLG München, NJW-RR 1992, 349). Allgemeine Wettbestimmungen sollten daher in den Annahmestellen gut sichtbar aushängen. Des Weiteren sollten möglichst weitere Exemplare im (praktisch wohl nicht sonderlich relevanten) Bedarfsfall zur Aushändigung an den Kunden vorgehalten werden. Ähnliches gilt für das Internet. Hier sollten die AGB mit einem Klick aufgerufen und ohne Probleme ausgedruckt werden können.

(2) Überraschende Klausel

Eine nach den allgemeinen Regeln zunächst einbezogene Klausel wird nicht Vertragsbestandteil, wenn sie entweder überraschend oder von einer individuellen Abrede verdrängt wird. Eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB liegt dann vor, wenn sie nach den konkreten Umständen so ungewöhnlich ist, dass ihr ein Überraschungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt (BGH, NJW 1998, 683). Eine überraschende Klausel ist etwa eine Regelung, dass ein Wettschein innerhalb von 20 Tagen zur Auszahlung vorgelegt werden muss. Überraschend können nach der Rechtsprechung jedoch auch grundsätzlich „gängige“ Klauseln sein, wenn sie etwa an ungewohnter Stelle versteckt sind.

Auch Klauseln, die gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen, gelten nicht. Ein Beispiel ist der Ausschluss „jeglicher Anfechtung“ durch eine Klausel. Insbesondere eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann nicht wirksam ausgeschlossen werden.

Ist eine Klausel für den Durchschnittskunden mehrdeutig, gilt sie zwar, allerdings nach § 305c Abs. 2 BGB nur in der Bedeutung, die für den Kunden günstiger ist („verwenderfeindliche“ Auslegung).

(3) Vorrang der Individualabrede

Nach § 305b BGB verdrängt jede Individualabrede abweichende AGB-Klauseln. Eine entsprechende Abrede kann mündlich, schriftlich, durch Bestätigungsschreiben oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Der Vorrang der Individualabrede kann daher nicht mit einer Klausel, dass Abweichungen von den AGB der Schriftform bedürfen, ausgeschaltet werden (BGH, NJW 1995, 1488). Die Beweislast für eine abweichende Individualvereinbarung trifft allerdings denjenigen, der sich auf die Abweichung beruft (BGH, WM 1987, 646).

Bei Sportwetten können mündliche Zusicherungen durch den Betreiber einer Annahmestelle sowie Zusicherungen/Erläuterungen in E-mails von Bedeutung sein.

(4) Inhaltskontrolle

Erst nach Feststellung der wirksamen Einbeziehung und Überprüfung der oben genannten Punkte erfolgt die eigentliche AGB-Inhaltskontrolle.

Nicht kontrollfähig sind Klauseln, die unmittelbar die Hauptleistungen beschreiben, wie etwa Preise und Leistungen (Leistungsbeschreibungen). Kontrollfähig sind jedoch sog. Preisnebenabreden, selbst wenn sie mittelbare Auswirkungen auf den Preis haben (BGHZ 124, 254, 259; 106, 42, 46).

Folgende Klauselverbote sind ausdrücklich gesetzlich geregelt:

(a) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB)

Verboten ist nach § 309 Nr. 1 BGB insbesondere die kurzfristige Preiserhöhung.

Ein generelles Aufrechnungsverbot in Wettbestimmungen verstößt gegen § 309 Nr. 3 BGB. Es müsste zumindest hinsichtlich unbestrittener oder rechtskräftig festgestellter Forderungen eingeschränkt werden, um noch wirksam zu sein.

Eine Haftungsbeschränkung ist nur nach den engen Voraussetzungen des § 309 Nr. 7 und Nr. 8 BGB zulässig.

Hinsichtlich Beweisregelungen ist vor allem § 309 Nr. 12 BGB von entscheidender Bedeutung. Diese Vorschrift untersagt grundsätzlich Beweislaständerungen zum Nachteil des Kunden. Unwirksam ist etwa eine vorformulierte Bestätigung, auf die AGB hingewiesen worden zu sein und die Möglichkeit gehabt zu haben, von ihrem Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen (BGH, NJW 1990, 761). Auch die Klausel, dass alleine die Aufzeichnungen des Anbieters maßgebend sein sollen, sind nach dieser Vorschrift unwirksam.

Nach § 309 Nr. 13 BGB darf die Abgabe von Erklärungen des Kunden weder an eine strengere Form als die Schriftform noch an besondere Zugangserfordernisse geknüpft werden. Eine Klausel in Wettbestimmungen, dass eine Reklamation durch den Kunden „mittels eingeschriebener Briefsendung“ zu erfolgen habe, ist somit unwirksam.

(b) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB)

Die Klauselverbote nach § 308 BGB verwenden unbestimmte Rechtsbegriffe, die der richterlichen Wertung unterliegen, d. h. im Einzelfall vom Gericht überprüft würden.

§ 308 Nr. 1 BGB betrifft u. a. den Fall, dass sich ein Klauselverwender (d. h. der Buchmacher) sich Fristen für die Annahme oder die Ablehnung eines durch den Kunden unterbreiteten Angebots auf Abschluss eines Vertrags vorbehält.

§ 308 Nr. 3 BGB verbietet die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlichen gerechtfertigten und im Vertrage angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen.

§ 308 Nr. 4 BGB betrifft alle Klauseln, die es dem Verwender ermöglichen, gegenüber dem Kunden nach Abschluss des Vertrages eine Änderung oder Abweichung von der versprochenen Leistung durchzusetzen. Relevant wäre dies etwa für eine klauselmäßig eingeräumte Möglichkeit zur einseitigen Quotenänderung.

§ 308 Nr. 5 BGB erfasst alle Bestimmungen, nach denen die Abgabe oder Nichtabgabe einer rechtsgeschäftlich bedeutsamen Erklärung durch den Vertragspartner fingiert wird. Ein Beispiel hierfür ist eine Regelung in Wettbestimmungen, dass das jeweilige Saldo als vom Wettkunden genehmigt gilt.

c) Inhaltskontrolle nach der Generalklausel (§ 307)

Neben den gesetzlich geregelten Klauselverboten hat die Generalklausel des § 307 BGB in der Praxis entscheidende Bedeutung. AGB, die den Klauselverboten der §§ 308 und 309 BGB standhalten, scheitern (in der Praxis sehr häufig) an dieser Vorschrift, wenn sie die Kunden entgegen den geboten von Treu und Glauben (ein von der Rechtsprechung zu füllender unbestimmter Rechtsbegriff) unangemessen benachteiligen.

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich bereits daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Abgrenzung zu anderen Vorschriften ist im Einzelfall schwierig. Ist die Klausel grundsätzlich verständlich, aber in Randfragen zweifelhaft, gilt die oben dargestellte Unklarkeitenregel des § 305c Abs. 2 BGB. Ist die Klausel dagegen tiefgreifend unverständlich, gilt gegenüber Verbrauchern § 305 Abs. 2 BGB, d. h. sie wird bereits nicht Vertragsbestandteil.

Bei vielen der Klauseln in mir vorliegenden Wettbestimmungen habe ich das Gefühl, dass ein Durchschnittskunde (und ein mit Sportwetten bislang nicht befasster Richter) erhebliche Verständnisschwierigkeiten haben dürfte (auch wenn die Regelungen für einen Profi klar sein dürften).

Zur Frage, was ansonsten unter einer ungemessenen Benachteiligung zu verstehen ist, gibt es unzählige Urteile. Unangemessen ist insbesondere eine Haftungsfreizeichnung selbst bei leichter Fahrlässigkeit, wenn es um die Verletzung von vertragswesentlichen Pflichten (sog. Kardinalpflichten) geht (BGH, NJW 1993, 335). Ein zu weit reichender Haftungsausschluss ist somit gänzlich unwirksam.

(5) Rechtsfolge der Unwirksamkeit

Die Unwirksamkeit einzelner Klauseln lässt regelmäßig die Wirksamkeit des restlichen Vertrages unberührt (§ 306 Abs. 1 BGB). Nur bei einer unzumutbaren Härte für eine der Vertragsparteien wird der gesamte Vertrag unwirksam (§ 306 Abs. 2 BGB).

Die unwirksame Klausel entfällt ersatzlos. Insbesondere wird die Klausel nicht auf ihren (noch) zulässigen Inhalt zurückgeführt (Verbot der geltungserhaltenden Reduktion). Eine Haftungsfreizeichnung ist daher generell unwirksam und wird nicht etwa auf leichte Fahrlässigkeit begrenzt. Umgangssprachlich heißt dies: Will man zu viele Punkte zu seinen eigenen Gunsten regeln, geht der „Schuss nach hinten“ los, d. h. die gesamte Regelung ist unwirksam. Angestrebt werden sollte daher aus meiner Sicht, eine noch wirksame Regelung zu formulieren (die allerdings immer mit Unwägbarkeiten hinsichtlich der Generalklausel und einer diesbezüglichen Rechtsprechungsänderung behaftet sein wird). Letztlich kann nur durch eine nicht zu stark einseitige Klauselformulierung langfristig das Vertrauen der Kunden gewonnen bzw. erhalten werden.