Gewinnspiele – Glücksspiele mit Mehrwertdienste Rufnummern (0190, 0900, 013x)

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Zunächst bedarf es kurz der Klärung zweier Begriffe:

Ein Glücksspiel liegt immer dann vor, wenn die Teilnahme entgeltlich erfolgt und die Entscheidung über Gewinn und Verlust alleine oder hauptsächlich vom Zufall abhängt. Glücksspiele in Deutschland bedürfen grundsätzlich einer staatlichen deutschen Zulassung. Nach einem aktuellen EuGH-Urteil soll auch eine ausländische, europäische Lizenz reichen. Vgl. den Aufsatz von RA Dr. Bahr: Internet-Glücksspiele – Grundlegende Änderung der Rechtsprechung.

Bei Gewinnspielen dagegen erfolgt kein entgeltlicher Einsatz oder die Gewinn-/Verlust-Entscheidung hängt alleine von den Fertigkeiten und Fähigkeiten des Teilnehmers an. Gewinnspiele sind grundsätzlich zulassungsfrei.

Es empfiehlt sich zwischen der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Problematik zu unterscheiden.

1. Zivilrechtliche Problematik:

a) Grundsatz: Zulässigkeit von Gewinnspielen

Gewinnspiele sind grundsätzlich wettbewerbsrechtlich zulässig. Dies bedeutet, dass grundsätzlich auch Gewinnspiele mit Mehrwertdienste-Rufnummern wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

b) 1. Ausnahme: Kopplungsfälle:

Nach ständiger Rechtsprechung wird die Grenze des wettbewerbsrechtlich Zulässigen aber dort erreicht, wo der Erwerb von Waren oder die Inanspruchnahme von Leistungen des Gewinnveranstalters zwangsweise als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Gewinnspiel verlangt wird (sog. Kopplungsfälle).

Dabei unterscheidet man die Fälle der unmittelbaren und mittelbaren Kopplung. Eine Unmittelbarkeit liegt dann vor, wenn der Kauf einer Ware oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung zwingende Voraussetzung für die Teilnahme ist (z.B. „Jeder 10. Käufer gewinnt“ oder „Jeder Kassenzettel ist ein Los.“). Mittelbare Kopplung dagegen ist zu bejahen, wenn dieser erforderliche Zwang fehlt. In diesen Fällen gibt es meist noch andere Mittel und Wege, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen.

Das bloße Porto, welches ein Teilnehmer aufwendet, um die Lösung an den Veranstalter zu senden, ist noch kein die Sittenwidrigkeit begründender Einsatz. Denn dieses fließt nicht dem Veranstalter, sondern einem Dritten zu, dessen Dienstleistung in Anspruch genommen wird.

c) 2. Ausnahme: Gewinnspiele mit Mehrwertdienste-Rufnummern

Fraglich ist, ob diese Kopplung auch in den Fällen gegeben ist, wo Gewinnspiele mit Mehrwertdienste-Rufnummern veranstaltet werden.

Das LG Dortmund (Beschl. v. 25.04.2001 – Az.: 20 O 27/01), das LG Hamburg (Beschl. v. 08.01.2002 – Az: 406 O 7/02) und das LG Memmingen (Urt. v. 10.05.2000 – Az.: 1 H 2217/99) haben derartige Gewinnspiele als Verstoß gegen § 1 UWG angesehen und die Veranstaltungen verboten. Diese Ansicht wird auch von den Verbraucherverbänden vertreten.

Die Richter stützen sich dabei ausdrücklich auf die Parallele zu den Kopplungs-Fällen, da ein Teil der durch die Mehrwertdienste-Nummern erzielten Einnahmen dem jeweiligen Gewinnveranstalter zufließt.

Nach Ansicht des LG Memmingen (a.a.O.) soll dies sogar dann gelten, wenn der Gewinnspiel-Veranstalter sich eines unabhängigen Dritten bedient und nur dieser Dritte die Mehrwertdienste-Rufnummer schaltet.

Auch die Möglichkeit der alternativen Teilnahme entlässt dann die Wettbewerbswidrigkeit nicht entfallen, wenn diese andere Möglichkeit unbequem ist, nicht ernst genommen wird oder erfahrungsgemäß kaum beachtet wird. Deswegen hat auch das LG Hamburg (a.a.O.) die Sittenwidrigkeit bejaht.

d) 3. Ausnahme: Veranlassung zu unwirtschaftlichen Ausgaben:

Ein weiterer Wettbewerbsverstoß ist dann gegeben, wenn besonders schutzwürdige Personen, somit insbesondere Kinder und Jugendliche, zu unwirtschaftlichen Ausgaben veranlasst werden.

So ist z.B. eine Werbeanzeige in einer Jugendzeitschrift wettbewerbswidrig, bei der Kinder und Jugendliche zum Führen von Telefongesprächen nach Australien veranlasst werden, um ?heiße News vom offiziellen Michael Jackson-Fan-Club? zu erhalten (LG Berlin, Az: 27 O 776/92).
Auch die Aufforderung an Kinder im Grundschulalter in einer Jugendzeitschrift, die „Lego-Hotline“ anzurufen, um zu erfahren, welche „tollen neue Lego-Spielzeuge es gibt“, verstößt gegen § 1 UWG (OLG Frankfurt a.M., GRUR 1994, 523 „Lego-Hotline).

2. Strafrechtliche Problematik:

Gemäß §§ 284, 287 StGB macht sich strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis Glücksspiele veranstaltet. Hinsichtlich der Voraussetzung der behördlichen Erlaubnis ist durch die „Gambelli“-Entscheidung des EuGH zwar einiges ins Wanken geraten, es gilt aber zunächst, die weitere Entwicklung abzuwarten. Vgl. den Aufsatz von RA Dr. Bahr: Internet-Glücksspiele – Grundlegende Änderung der Rechtsprechung.

Ein Glücksspiel ist dann gegeben, wenn eine Mehrzahl von Personen die Möglichkeit hat, gegen einen bestimmten Einsatz einen Gewinn zu erlangen, dessen Erzielung vom Zufall abhängt. Ausreichend ist dafür ein versteckter Einsatz, z.B. wenn jemand dem Käufer seiner Waren Freilose gibt, bei Auslosung unter Abonnenten einer Zeitung oder bei Prämienschießen in Schießbuden.

a) Das Kritierum „Einsatz“:

Bei dem Einsatz muss es sich um einen solchen mit nicht unbeträchtlichem Vermögenswert handeln.

Das Porto für die Postsendung ist nach herrschender Meinung kein Einsatz, da das Entgelt nicht dem Veranstalter, sondern einem Dritten zufließt, dessen Dienstleistung in Anspruch genommen wird.

Unstreitig ist, dass es sich bei der Mehrwertnummer-Nutzung um einen Einsatz handelt, da in jedem Fall Vermögenswerte fließen. Eine Parallele zu den Porto-Kosten entfällt deswegen, weil zumindest ein Teil der Entgelte idR. dem Spiel-Veranstalter und nicht
ausschließlich einem Dritten zufließt.

b) Das Kriterium „Erheblichkeit“:

Eine Strafbarkeit scheidet aber aus, wenn der Einsatz die Grenze der Unbeträchtlichkeit nicht überschreitet.

Für unbedenklich hielt das OLG Köln (NJW 1957, 721 [721]) im Jahre 1957 einen Betrag von 0,10 DM. Das OLG Hamm (OLG Hamm, JMBlNW 1957, 251 [251] dagegen sah im gleichen Jahr die Grenze bei einem Wert von 1,00 DM überschritten. Das BayObLG (GA 1956, 385 [386] hatte dies bei einer Summe von 5,00 DM ein Jahr zuvor ebenfalls bejaht.

Da – wie oben dargestellt – die Portokosten als zulässig angesehen werden, bieten sie bei der Bestimmung des heute aktuellen Wertes eine gewisse Orientierungshilfe. Dies wäre ein Wert zwischen 0,45 € (Porto für Postkarte) und 0,55 € (Porto für Brief).

In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird zum Teil – im Wege des allgemeinen Inflationsausgleichs – von einem Wert von 2,50 € ausgegangen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Wert zutreffend ist oder vielleicht nicht zu hoch angesetzt ist. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird selbst diese Grenze überschritten. Legt man nämlich einen mittleren Tarif von 0,62 €/min. zugrunde, darf das Gespräch nicht länger als 4 min. dauern. Jedoch ist es gerade bei den meisten Telefonspielen der Fall, dass zunächst langwierige Erläuterungen vom Band erfolgen, bevor überhaupt die eigentliche Teilnahme möglich ist. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen die Teilnehmer nicht nur einmal, sondern mehrfach die Telefonnummer anwählen.

Die Schaltung einer Mehrwertdienst-Nummer führt somit in aller Regel zu einem nicht entgeltlichen, nicht unbeträchtlichen Vermögenseinsatz auf Seiten des Teilnehmers.

c) 3. Das Kriterium „Zufallsbezogenheit“:

Entscheidende Bedeutung kommt somit dem Tatbestandsmerkmal des Zufalls zu, da bei Bejahung auch dieses Kriteriums ein Glücksspiel vorliegen würde, für das der Veranstalter eine behördliche Erlaubnis bräuchte.

Eine Veranstaltung ist ein Glücksspiel, wenn der Erfolg, also der Gewinn, allein oder überwiegend vom Zufall abhängt. Zufall ist auch dann gegeben, wenn die Willkür des Unternehmens für die Verteilung der Gewinne maßgeblich ist oder wenn die Ankunftszeit der Lösungen über die Reihenfolge der Gewinner entscheiden soll.

Lediglich wenn die Denkleistung eines Beklagten entscheidet, so kommen die §§ 284ff. StGB nicht in Betracht. Keinesfalls aber braucht der Erfolg ausschließlich vom Zufall abhängen. Ist der Kausalverlauf teils beeinflussbar, teils nicht beeinflussbar, so kommt es darauf an, ob die Zufalls-Tatsachen überwiegen.

In diesem Zusammenhang ist eine in der letzten Zeit zunehmende, besondere Form des TV-Gewinnspiels interessant. Dort wird der Gewinn neben der Einwahl über eine kostenpflichtige Telefonnummer von der Beantwortung einer Quiz-Frage abhängig gemacht. Es handelt sich dabei aber um eine rein vorgeschobene Frage, deren Beantwortung selbst einem Zuschauer mit geringer Bildung ohne Probleme möglich ist (z.B. die Frage: Bei welcher Farbe dürfen Sie üher eine Ampel fahren? Antwort: Bei Grün)..

In diesen Fällen ist offensichtlich, dass der Beantwortung allzu große Bedeutung zukommt. Etwas anderes kann nur dort geltend, wo die Quiz-Frage nicht nur vorgeschoben ist, sondern eine ernsthafte Hürde für den Teilnehmer darstellt. Denn in diesen Fällen beeinflusst die individuelle Denkleistung des Teilnehmers den Ausgang entscheidend.

Es ist daher wenig verwunderlich, dass – nach eigenen Angaben „Deutschlands 1. Quizsender“ – „Neun Live“ inzwischen das Niveau seiner Fragen erheblich angezogen hat, um dieser ganzen Problematik von vornherein aus dem Weg zu gehen.

Mit freundlicher Genehmigung für ISA-CASINOS