Forschungsstelle Glücksspiel kritisiert das Pokerverbot

Die „Forschungsstelle Glücksspiel“ der Universität Hohenheim hat sich im Rahmen ihres Newsletters vom 30.05.2008 mit der Thematik des generellen Verbots von privaten öffentlichen Pokerturnieren befasst.

Hintergrund:

Das Ziel der Verwaltungsbehörden scheint klar zu sein: Öffentliche Pokerturniere gegen Geldeinsatz – und sei er noch so gering – sollen um jeden Preis unterbunden werden. Hierfür werden die vielzitierten Gründe wie z. B. Jugendschutz, Kontrolle der Glücksspielsucht, Schutz der Teilnehmer vor kriminellen Machenschaften etc. angeführt.

Rückenwind erhalten die Verantwortlichen derzeit auch von den Verwaltungsgerichten. Das VG Frankfurt/Main, das VG Weimar und das VG Münster haben Poker pauschal und ohne fundierte Begründung als Glücksspiel klassifiziert und auf dieser Grundlage entsprechende Veranstaltungen untersagt. Dabei soll die Grenze zur Illegalität nach den neueren Entscheidungen sogar überschritten sein, wenn auch nur irgendein Einsatz von den Teilnehmern verlangt wird. Lediglich kostenlose Veranstaltungen seien demnach zulässig.

Das VG Hamburg (Beschluss v. 30.04.2008) lässt die Frage nach der Glücksspieleigenschaft offen. Denn nach seiner Ansicht ist auch dann eine (gewerberechtliche) Erlaubnis erforderlich, sofern man Poker als Geschicklichkeitsspiel klassifiziert. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Veranstaltungen regelmäßig und gewerblich (z. B. in einem „Pokerklub“) veranstaltet werden. Eine solche Erlaubnis sei jedoch nicht zu erlangen.

Vor diesem Hintergrund sind die Maßnahmen der Bundesländer, insbesondere Sachsen und Rheinland-Pfalz, zu verstehen, Pokerturniere mit Startgebühren grundsätzlich und umfassend als unzulässig zu bewerten.

Mit der „Forschungsstelle Glücksspiel“ der Universität Hohenheim meldet sich nun eine Institution zu Wort, die wissenschaftlich, objektiv und mit dem nötigen Fachwissen an die Thematik herangeht.

Stellungnahme der „Forschungsstelle Glücksspiel“

Die Forschungsstelle nimmt zu der Frage Stellung, ob ein striktes Verbot jeglicher kostenpflichtiger Pokerveranstaltung außerhalb von staatlich konzessionierten Spielbanken tatsächlich das Ziel erreichen kann, den Spieltrieb der Bevölkerung in überwachte Bahnen zu lenken.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen:

Ein solches Verbot ist nach Meinung der Forschungsstelle nicht nur untauglich, das vorgegebene Ziel zu erreichen, es widerspricht diesem Ziel sogar!

Zur Begründung werden zwei Argumente angeführt:

1. Da eine Deckung der Veranstaltungskosten durch die Teilnehmergelder bei einer kostenlosen Veranstaltung naturgemäß nicht möglich ist, werden zukünftig nur noch Veranstalter auftreten, die ihre Einnahmen auf anderem Wege erzielen. Vor allem sind dies diejenigen Veranstalter, die ihr Spielangebot vorwiegend im Internet anbieten. Naturgemäß ist mit solchen Veranstaltungen dann auch Werbung für jene Onlineanbieter verbunden. Da Startgelder nicht erhoben werden, steigen zudem Attraktivität und Anziehungskraft der Veranstaltungen – insbesondere auch für Jugendliche. Durch eine Absenkung der Startgebühren auf null wird somit genau das gefördert, was eigentlich verhindert werden soll.

2. Von staatlicher Seite wird zur Rechtfertigung der Verbote argumentiert, die Konsumenten sollten auf das staatlich konzessionierte und überwachte Spielangebot in den Spielbanken ausweichen.

Die Forschungsstelle gibt hier zunächst zu bedenken, dass in den Spielbanken vorwiegend „cash game“ mit vergleichsweise hohen Einsätzen angeboten werde. Unter Hinweis auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Gefährdungspotential von Glücksspielen wird darauf hingewiesen, dass ein solches „Pokerspiel um Geld“ ein sehr viel höheres Suchtpotential habe als die Teilnahme an einem Pokerturnier mit einem lediglich kostendeckenden Startgeld in Höhe von €15,00. Dies folge aus der höheren Ereignisfrequenz, dem kürzeren Auszahlungsintervall, den höheren Einsätzen und der Förderung des hierdurch bedingten „Chasing-Verhaltens“ (dem Hinterherjagen von Verlusten).

Der Staat untersage also Veranstaltungen mit einem vergleichsweise geringen Gefährdungsgrad und verweise als Ersatz auf die Teilnahme an Pokerspielen in Spielbanken, die ein weit höheres Suchtpotential aufweisen. Seiner Aufgabe der Suchtprävention und der Kanalisierung des Spieltriebs werde der Staat damit nicht gerecht. Sein Verhalten widerspreche vielmehr den im Glücksspielstaatsvertrag definierten Zielen.

Die „Forschungsstelle Glücksspiel“ bringt ihre Auffassung wie folgt auf den Punkt (Newsletter vom 30.05.2008):
Hier handelt es sich sehr wahrscheinlich mal wieder, wie leider so oft, um eine staatliche Maßnahme, die zwar gut gemeint, aber kontraproduktiv ist. Es werden mal wieder die Konsequenzen, die das staatliche Handeln auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte hat, nicht berücksichtigt. Es ist schade, dass nicht einmal in Ansätzen bei Änderung der Gesetzgebung untersucht wird, welche Auswirkungen diese auf das Verhalten der Anbieter und Nachfrager haben. Konsumforschung scheint leider für den Gesetzgeber nicht von Interesse zu sein.
Stellungnahme

Es ist zu begrüßen, dass sich eine Institution zu Wort meldet, die ernsthaft den Anspruch verfolgt, die Thematik sachlich und wissenschaftlich fundiert anzugehen. Von einer solchen Herangehensweise sind die zuständigen Behörden derzeit nämlich sehr weit entfernt.

Wenn dann – wie kürzlich geschehen – auch noch führende Politiker meinen, sich mit polemischen Äußerungen und ohne jedes Wissen von der Materie selbst als Beschützer der Schwachen aufzuspielen, obgleich sie mit ihrem Handeln genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie als ihr Ziel vorgeben, wird die Situation nahezu unerträglich.

Es erfolgen immer weiterreichende behördliche Restriktionen. So ist, abgesehen von den zitierten Maßnahmen der Bundesländer und den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, in jüngster Vergangenheit ein deutlicher Anstieg der Strafverfahren zu verzeichnen, die gegen Turnierveranstalter betrieben werden. Die Frage, ob Poker (und in welcher Spielform) ein Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel ist, muss spätestens hier seriös behandelt und geklärt werden. Wer allerdings glaubt, die Strafverfolgungsbehörden würden jene Frage von sich aus kritisch hinterfragen, irrt gewaltig. Die Glücksspieleigenschaft wird bislang regelmäßig ohne nähere Begründung unterstellt, obgleich auch in der juristischen Fachliteratur immer öfter die Meinung vertreten wird, es handle sich z. B. bei Texas Hold’em um ein Geschicklichkeitsspiel. Stattdessen beruft man sich auf Entscheidungen des Reichsgerichts, die aus Zeiten stammen, in denen Texas Hold’em in Deutschland noch völlig unbekannt war.

Es drängt sich daher im Ergebnis immer mehr der Eindruck auf, dass in der gegenwärtigen Praxis der Behörden ausschließlich ergebnisorientiert „argumentiert“ wird: Fest steht dort allein, dass öffentliche Pokerveranstaltungen gegen Geldeinsatz (in welcher Höhe auch immer) nicht erwünscht sind und dass ein entsprechendes staatliches Angebot (über das bisherige Angebot der Spielbanken hinaus) nicht erforderlich ist.

Wir halten diese Entwicklung, nicht zuletzt unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, für äußerst bedenklich. Es bleibt zu hoffen, dass bald Vernunft einkehrt und mit allen Beteiligten eine Lösung gesucht und gefunden wird, die alle Interessen berücksichtigt. Stellungnahmen wie die der „Forschungsstelle Glücksspiel“ tragen hoffentlich dazu bei, dass sich zumindest eine sachliche Diskussion entwickelt.

RA Axel Mittig

Mittig, Thalmann & Stoll
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