Landgericht Wiesbaden hält Sportwettenvermittlung an einen innerhalb der EU staatlich konzessionierten Buchmacher während der Übergangszeit für straffrei

Auch Landgericht Wiesbaden hält Sportwettenvermittlung an einen innerhalb der EU staatlich konzessionierten Buchmacher während der Übergangszeit für straffrei.

Das Landgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 12.09.2007 einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Idstein vom 22.12.2006 aufgehoben. Darin hatte das Amtsgericht Idstein eine Hausdurchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume eines Sportwettenvermittlers der Firme Tipico angeordnet. Auf die Beschwerde des Unterzeichners hat nunmehr das Landgericht Wiesbaden diesen Beschluss aufgehoben. Weiterhin hat das Landgericht festgestellt, dass die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschuldigten rechtswidrig gewesen ist. Der Staatsanwaltschaft wurde aufgegeben dem Beschuldigten die sicher gestellten Gegenstände herauszugeben.

Das Landgericht Wiesbaden reiht sich nunmehr in die lange Liste der Strafgerichte ein, die allesamt von der Straffreiheit der gewerblichen Tätigkeit der Sportwettenvermittlung an einen innerhalb der EU staatlich konzessionierten Buchmacher ausgehen.

Das Gericht führt dazu aus:

Dieter Pawlik, Rechtsanwalt„Diese grundsätzliche (so ausdrücklich BVerfG “ Kammer “ Beschluss vom 02. August 2006 “ 1 BvR 2677/04 “ Rdn. 16 (nach Juris)) Beurteilung der Rechtslage durch das Bundesverfassungsgericht ist nicht auf Bayern beschränkt, sondern hat “ ersichtlich auch nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts “ Bedeutung für alle anderen Bundesländer. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht das (bayerische) Staatslotteriegesetz nicht für nichtig erklärt (BVerfG aaO. Rd. 146), was wegen der Verwaltungsakzessorietät des § 284 StGB auch eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift ausgeschlossen hätte. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht es als „nach Maßgabe der Gründe mit Art. 12
Abs. 1 GG unvereinbar“ erklärt, dass nach dem Staatslotteriegesetz Sportwetten nur staatlicherseits veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen „ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten“, und den Gesetzgeber verpflichtet, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter Beachtung der sich aus den Urteilsgründen ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bis zum 31.12.2007 neu zu regeln. Auch wenn danach die in der Entscheidungsformel enthaltene Unvereinbarkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Strafvorschrift des § 284 StGB unmittelbar betrifft, diese Strafvorschrift als solche vielmehr verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. BVerfG aaO, RD. 116 ff.), schränkt die Entscheidung „nach Maßgabe der Gründe“ auch deren Anwendungsbereich ein. Denn das durch § 284 StGB begründete strafrechtliche Verbot der Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels ist Teil der Gesamtregelung, die zumindest in der Vergangenheit das den verfassungswidrigen, mit Art. 12 GG unvereinbaren Eingriff in die Berufsfreiheit begründende staatliche Wettmonopol ausmachte (BVerfG aaO. Rd. 79, 119; ebenso für das europäische Gemeinschaftsrecht EuGH in der „Gambelli“-Entscheidung aaO. Rn. 57, 72 sowie in der „Placanica“-Entscheidung vom 06. März 2007, EuZW 2007, 209 ff. Rd. 72).

Denn zumindest in den Altfällen “ d. h. im Zeitraum vor dem Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts “ verbot der Staat unter Androhung von Kriminalstrafe, was er selbst betrieb, ohne rechtlich und organisatorisch sichergestellt zu haben, dass er sich nicht tatsächlich mit den von ihm für das Verbot geltend gemachten Zielen in Widerspruch setzte (BGH, Urteil vom 16.08.2007, 4 StR 62/07). Ob in der Übergangszeit bis zum 31.12.2007 eine Strafbarkeit gegeben sei, unterliegt nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts der Entscheidung der Strafgerichte (BVerfG aaO:, Rd. 159), die ihrerseits zumindest nicht zu einer einheitlichen Bejahung einer Strafbarkeit gelangt sind. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 26.06.2006 (NJW 2006, 2422 ff.) darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht formulierten hohen Anforderungen möglicherweise das staatliche Wettmonopol aufgibt oder aber die Bundesländer die hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllen können, weshalb das Bundesverfassungsgericht ggf. im Jahr 2008 das staatliche Wettmonopol sowie § 284 StGB für verfassungswidrig und nichtig erklären könnte und daher nach wie vor eine von Behörden und Gerichten geschaffene „extrem unklare Rechtslage“ vorliege (aaO., 2424). Auch kann nach Auffassung der Kammer, worauf das Landgericht Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 02.03.2007 (5/6 Qs 10/07) zu Recht hinweist, in Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht ohne weiteres § 284 StGB genau in dem Moment zur Anwendung gebracht werden, in dem das jeweilige Bundesland den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügen mag. Schließlich hat der Bundesgerichtshof in seinem zitierten jüngsten Urteil zu § 284 StGB vom 16.08.2007 die Frage einer entsprechenden Strafbarkeit in der Übergangszeit offen gelassen und eine Strafbarkeit „zumindest“ (aao:, Rd. 23) in den Altfällen verneint.

Angesichts dieser unklaren rechtlichen Situation und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschuldigte hier wohl nur als Vermittler, also Dienstleister für einen in einem anderen EU-Land konzessionierten Wettanbieter handelte, betrachtet die Kammer den den Beschuldigten treffenden Schuldvorwurf als inhaltlich so geringfügig, dass sich der mit der Durchsuchung verbundene Grundrechtseingriff als unverhältnismäßig darstellt. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte ausweislich der Angaben in der Ordnungsverfügung vom 29.08.2006 zu keinem Zeitpunkt den Betrieb eines Wettbüros in Abrede gestellt hat und die Verwaltungsbehörde bereits seit dem 19.04.2006 über umfangreiche Wettunterlagen verfügte, so dass zumindest der von der Durchsuchung zu erwartende zusätzliche Erkenntnisgewinn vor dem Hintergrund des allenfalls geringen Schuldvorwurfs in keiner Relation zur Intensität des Grundrechtseingriffs steht.“

Die Entscheidung ist auf der Homepage www.vewu.de
im Volltext abrufbar.

Dieter Pawlik
Rechtsanwalt

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