(Kein) Ende des staatlichen Glücksspielmonopols in Sicht?

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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EU-Rechtsexperten und Politiker fordern zum Kampf gegen das WIRKLICH illegale Glücksspiel und für Akzeptanz EU-lizenzierter Glücksspielanbieter auf

Noch im Jahr des Mauerfalls im Jahre 1989 verkündete Erich Honecker, dass die Ost- von Westdeutschland trennende Mauer noch 50 oder 100 Jahre stehen würde, obwohl sich „sein Volk“ schon über Ungarn und Rumänien Richtung Westen aufgemacht hatte. Nun stellt sich die Frage, wie stark die das deutsche Sportwettenmonopol umgebene Staatsmauer noch ist. Kann diese Mauer des Monopols noch die nächsten Jahrzehnte (zu Recht) standhalten oder ist sie schon heute unwiederbringlich (aus Rechtsgründen) eingerissen?

Für den Fortbestand des Monopols könnte zunächst sprechen, dass Glücksspielmonopole – wie das Bundesverfassungsgericht in seiner März-2006-Entscheidung klarstellte – an sich nicht von vornherein unzulässig sind. Das deutsche Glücksspielmonopol hat also eine – zumindest theoretische – Existenzberechtigung. Das bestätigte auch kürzlich der Leiter der EU-Generaldirektion Binnenmarkt Jean Bervergin auf einer Tagung der Europäische Rechtsakademie, die am 8. und 9. Februar 2007 zum Thema „Die Zukunft des Glücksspiels im Binnenmarkt – Das Ende der staatlichen Monopole?“ in Trier abgehalten wurde (vgl. dazu: http://www.ra-hambach.com/cms/front_content.php?idcat=10&idart=247). Freuen konnten sich die zahlreich erschienenen Glücksspiel-Referatsleiter der Bundesländer dennoch nicht. Äußerst unzufrieden zeigte sich der einflussreiche EU-Politiker Bervergin nämlich über den Umstand, dass im Zeitalter des Internets mit dem sog. ISP-Blocking, also mit einem unwirksamen Mittel, versucht werden soll, den Binnenmarkt des Internetglücksspiels zu kontrollieren. Zum Hintergrund des „ISP-Blockings“ verweisen wir auf die BLN 5/06 (http://www.ra-hambach.com/cms/front_content.php?idcat=38). Hier führte RA Dr. Hendrik Schöttle (Hambach & Hambach) zusammenfassend aus:

„Es gibt keine wirksame Möglichkeit für den Staat, unerwünschte Webseiten im Internet gegen den Zugriff aus Deutschland zu sperren. Die derzeit existierenden Methoden lassen sich ohne Spezialkenntnisse oder zusätzliche Hard- und Software mit zwei Mausklicks außer Kraft setzen. Zudem lässt sich technisch nicht ausschließen, dass durch eine Sperrung zahlreiche Angebote ebenfalls geblockt werden, die gar nicht Ziel der dahinter stehenden Verfügung sind. Sollen mehr als nur 1-2 Webseiten geblockt werden, ist darüber hinaus ein System erforderlich, welches regelmäßige automatische Aktualisierungen der Sperrlisten ermöglicht. Angesichts des immensen finanziellen und personellen Aufwands, der hohen Kollateralschäden und der von jedermann einfach zu bewerkstelligenden Umgehung scheitert jede Sperrungsverfügung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist daher rechtswidrig.“

Auch Bervergin äußerte sich in Trier in diese Richtung: Diese Art von Maßnahmen seien „unproportional“, da sie die Falschen träfen – und Unbeteiligte zu sehr in Anspruch genommen würden. Die jüngsten Erfahrungen aus den USA zeigten diese Unverhältnismäßigkeit, weil diese Maßnahmen u.a. zu extrem hohen Kosten bei allen Betroffenen führten. Diese Unverhältnismäßigkeit führe dann unweigerlich zu mehr Klagen der Betroffenen gegen diese zu harten Maßnahmen, was zwangsläufig noch mehr Rechtsunsicherheit verursache. Zudem würden die Verbraucher in Folge eines derartigen staatlichen Totalverbots von privaten Internetspielseiten auf diejenigen Spielseiten ausweichen, die weder durch eine EU-Behörde kontrolliert noch aufgrund der simplen Umgehbarkeit eines solchen Verbotes für die Verbraucher gesperrt werden könnten. Die Folge sei ein Abwandern der User in den grauen Spielmarkt, in dem Sie unkontrolliert, also schutzlos, Betrügereien und anderen Gefahren ausgesetzt seien. Energisch forderte der einflussreiche EU-Politiker deshalb die Mitgliedsstaaten auf, sich endlich im Interesse der EU-Bürger den Kampf gegen das „real illegal gambling“ aufzunehmen.

Prof. Siegbert Alber (ehemaliger Generalanwalt beim EuGH – u.a. in der Rechtssache Gambelli) und der Leiter der Europäischen Rechtsakademie (ERA) Dr. Wolfgang Heusel schlugen in die gleiche Kerbe. Dr. Heusel betonte, dass man im Licht des EU- Diskriminierungsverbotes bei EU-lizenzierten Glücksspielunternehmen nicht von „illegalen Anbietern“ sprechen könne, da dies einer Verwirklichung des Binnenmarktes zuwiderlaufe. Wenn der im Dezember 1992 eingeführte EU-Binnenmarkt nach Artikel 14 EG-Vertrag ein Raum ohne Binnengrenzen sei, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet sein soll, so ist und bleibe eine Weigerung der gegenseitigen Anerkennung von EU-Glücksspiellizenzen stets problematisch, so Dr. Heusel. Prof. Albert betonte im Zusammenhang mit seiner Forderung der gegenseitigen Anerkennung der EU-Glücksspiellizenzen („mutial recognition“) die dringende Notwendigkeit der Kontrolle des Glücksspiels durch eine EU-weite Zusammenarbeit der jeweils in den Mitgliedsstaaten einzurichtenden Glücksspielaufsichtsbehörden (vgl. hierzu: http://www.ra-hambach.com/cms/front_content. php?idart=122). Bei einer angemessenen Begründung (z.B. Förderung von Allgemeinwohlbelangen) sei trotz der gegenseitigen Anerkennung sogar eine individuelle, mitgliedsstaatbezogene und am Umsatz gemessene Abgabenbelastung der Glücksspielunternehmen gemeinschaftsrechtskonform regelbar. Auf die Gefahr der Glücksspielsucht bei privaten Glücksspielangeboten angesprochen, bemerkte Prof. Albert trocken, dass das Thema Spielsucht als Rechtsfertigung für ein staatliches Glücksspielmonopol missbraucht werde, da ein mündiger Spieler, wenn er es darauf anlege, sein Vermögen ebenso bei einem staatlichen Glücksspielanbieter wie bei einem privaten Veranstalter verlieren könne. Robert Young von der Wirtschaftsberatung Europe Economics (London) betonte zuvor in diesem Zusammenhang, dass mehr Studien zum Thema Glücksspielsucht erstellt werden müssten. Bereits die bisherigen Studien – insbesondere zum britischen Glücksspielmarkt – deuteten darauf hin, dass eine mit der Liberalisierung eines Glücksspielmarktes einhergehende Vergrößerung des Glücksspielangebotes nicht automatisch zu einer Erhöhung der Anzahl von Problemspielern führen würde.

Kurz nach der ERA-Tagung veröffentlichte die Deutsche Fußball-Liga GmbH (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein Gutachten von Prof. Dr. Rupert Scholz und Prof. Dr. Clemens Weidemann, das sich mit der Rechtmäßigkeit des Entwurfes des Glücksspielstaatsvertrages vom 14. Dezember 2006 befasste. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der oben genannten Kritiker des Monopols, stellen Prof. Scholz und Prof. Weidemann zum Leidwesen der Befürworter des Monopols die Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des sich zur Zeit im Ratifizierungsverfahren befindenden Gesetzesentwurfs fest. Zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des neuen Entwurfes führen die Gutachter aus:

Die Beweislast für Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Freiheitsbeschränkungen liegt beim Mitgliedstaat[

Diese EuGH-Anforderungen erfüllt der Vertragsentwurf nicht. In Deutschland kann von einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung von Glücksspielen keine Rede sein. Die Differenzierungen bei der Zulassung privater Anbieter inden wichtigen Bereichen der Pferderennwetten, Spielbanken und Glücksspielautomaten einerseits, sonstiger Sportwetten und Lotterien andererseits stehen im klaren Widerspruch zu dem Suchtgefährdungspotential dieser Glücksspiele, von dem auch die Glücksspielverwaltungen der Bundesländer ausgehen. Eine echte Kohärenz des Glücksspielrechts kann es schon deshalb nicht geben, weil der Bund bei den Glücksspielen, die bundesgesetzlich geregelt sind (Pferdewetten, Glücksspielautomaten), kein Verwaltungsmonopol erwägt, wie es mit dem Vertragsentwurf in allen anderen Glücksspielbereichen etabliert werden soll.

Weiter heißt es in dem Gutachten zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des neuen Entwurfes:

Ein Verwaltungsmonopol in ausgewählten Bereichen des Glücksspielmarktes ist nach den Maßstäben des Gemeinschaftsrechts (in der Auslegung durch den EuGH) auch nicht erforderlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, ist von den Bundesländern bisher auch nicht geltend gemacht worden, dass die vom Vertragsentwurf erfassten Glücksspielbereiche höhere Suchtpotentiale aufweisen als andere Glücksspiel- bereiche, in denen Privatanbieter weiterhin auf bundesgesetzlicher Grundlage zulässigerweise tätig sein dürfen.

Darüber hinaus wird eine ungerechtfertigte Verletzung der Zahlungsverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 2 EG (siehe dazu S. ff.) und eine Verletzung der EU-Wettbewerbsfreiheit festgestellt.

Welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten hat, führt der Heidelberger Professor Müller-Graff von vom Institut für Deutsches und Europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht im Rechtskommentar „EGV-Kommentar Streinz“ aus:

Liegt eine (…) unvereinbare Beschränkung durch eine mitgliedstaatliche Maßnahme vor, ist sie nach dem Normtext verboten. Das Verbot ist unmittelbar anwendbar, also von allen mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten zu beachten. Entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht jedweder Art hat wegen des Anwendungsvorrangs des Art. 49 unangewendet zu bleiben. Einzelne und Gesellschaften im Sinne des Art. 48 EG haben dementsprechend ein subjektives Recht auf grenzüberschreitende Dienstleistungsfreiheit
Müller-Graff in: Streinz, EGV, Art. 49 EG, Rn. 128.

Damit sind Regelungen wie im Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrages, die u.a. das Angebot von Sportwetten allein durch staatliche Anbieter zulassen, im Wege des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts außer Acht zu lassen und konsequenterweise EU-Glücksspielgenehmigungen auch im Falle des Inkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrages am 1.1.2008 – wie von zahlreichen EU-Rechtsexperten gefordert – anzuerkennen.

Dies wurde auch durch das OLG München mit inzwischen rechtskräftigem Urteil bestätigt:

„[N]ach der derzeit im Freistaat Bayern herrschenden Rechtslage [ist] davon auszugehen, dass die Auffassung des Amtsgerichts, wonach als behördliche Erlaubnis im Sinne des § 284 auch eine Lizenz […] anzusehen sei, die einem Zentralveranstalter (Buchmacher) mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Gemeinschaft nach dem Recht seines Mitgliedsstaats erteilt wurde, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.“
OLG München, Urteil vom 26.09.2006, 5 St RR 115/05, S. 5

Das LG Regensburg schloss sich ebenfalls dieser Meinung an und stellte darüber hinaus klar,

dass hiervon ausgehend auch für die Übergangszeit … eine Anwendung des Straftatbestandes des § 284 StGB aus vorgenannten Gründen nicht in Betracht kommt (sog. „Neufälle“).
LG Regensburg, Beschluss vom 22.12.2006, 1 Os 106/2006

Fazit

Falls es die Monopolisten schaffen, die Bundesverfassungsrichter von ihren ordnungspolitischen und nicht von der Finanzpolitik getriebenen gesetzgeberischen Motiven zu überzeugen, wird „die Mauer“ um das Glücksspielmonopol – egal wie brüchig – wohl noch weiter bestehen bleiben. Das angeblich nicht vorhandene fiskalische Interesse wird hier also zum Zünglein an der Waage. Eines scheint allerdings jetzt schon sicher: Der Druck, den die EU-Kommission schon jetzt auf die deutsche Monopol-Mauer ausübt, ist immens. Ähnlich wie einst Ronald Reagan im Juni 1987 vor der Berliner Mauer stehend nach Moskau ausrief: „Tear down this Wall“, ist es nun Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy, der die Mauern der staatlichen Glücksspielmonopole einreißen will: So antwortete er kürzlich auf die Frage, ob er daran glaube, dass die staatseigenen Anbieter wirklich weniger als Private am Profit und stattdessen mehr am Gemeinwohl orientiert seien:

Ich glaube kein Wort davon. Natürlich geht es den Staatslotterien genauso um Profit. Viele von ihnen stecken Millionen in die Werbung. Warum wohl, wegen des Gemeinwohls – oder um die Umsätze zu heben?
Der Spiegel, Ausgabe 43/2006 vom 23.10.2006