2016 – das Jahr der Entscheidung für den Glücksspielstaatsvertrag

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Ein Artikel aus der TIME Law News vom 2. Februar 2016

Mitte Januar 2016 lässt eine neue glücksspielpolitische Initiative der grünen Regierungspartei in Schleswig-Holstein aufhorchen. In einer durch die Fraktion der Grünen im Landtag von SH herausgegeben Pressemitteilung setzt sich die Grünenfraktion für die Abschaffung des wirkungslosen Online-Glücksspielverbots ein und fordert alle Bundesländer auf mit dem Hessischen Modell eine realitätsnähe Glücksspielregulierung aufzugreifen. Derartige Versuche, das Online Glücksspiel in Deutschland neu zu regeln, sind nicht neu. Der Gegenwind, dem solche rechtspolitischen Vorstöße in Deutschland in der Regel drohen, ist gewaltig und kann selbst Gesetze und sogar ganze Glücksspielaufsichtsbehörden zerreißen – wie das Bespiel Schleswig-Holstein zeigt. Der Grund: Das Kraftzentrum zum Erhalt des Glücksspielmonopols – nämlich der Deutsche Lotto- und Totoblock und seine ständigen Berater und Gutachter organisiert sich schlagkräftig, Widersacher in den eigenen Reihen werden wie im Fall Hessen mit viel Geduld wieder eingefangen. Mitte Januar 2016 war mal wieder der Zeitpunkt gekommen, um Rufen nach einer Anpassung der deutschen Glückspielregeln eine Absage zu erteilen.

Jedoch: Wie argumentiert man für die Beibehaltung des Status quo, also des Glücksspielstaatsvertrages, wenn die Probleme in der Wurzel liegen und die Zahnwurzeln mangels nachlässiger Behandlung so sehr geschädigt sind, dass der Zahn wohlmöglich gezogen werden muss?

Das tief verwurzelte Problem, das seitens der Verfechter des Glücksspielstaatsvertrages bestritten wurde, liegt im Europarecht vergraben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Zahn nun endgültig gezogen und der Glücksspielstaatsvertrag nun in einer Not-OP komplettsaniert werden muss, ist groß: Die EU Kommission steht offensichtlich mit einem Vertragsverletzungsverfahren vor der Tür, der Europäische Gerichtshof wird wohl auf Basis des Schlußantrags des Generalanwalt eine EU-Rechtswidrigkeit des GlüStV annehmen, die für das Sportwettenkonzessionsverfahren zuständige Verwaltungsgericht Wiesbaden wird auch in der Hauptsache so entscheiden wie im Eilverfahren, nämlich dem GlüStV eine Unionsrechtlichkeit attestieren. Hessen wird mit seiner schwarz-grünen Regierung im Jahr 2016 seinem Regierungsauftrag folgen und seinen Koalitionsvertrag umsetzen, nämlich den GlüStV im Lichte des Europarechts zu „sanieren“. Eine so große parteiübergreifende politische Einigkeit kannte man bisher nur aus der CDU und FDP in SH. Weitere Länder, in denen die CDU, die Grünen oder die FDP im Jahr 2016 an die Regierung kommen, könnten die Hessische Reformklausel aufnehmen. Also zurück zur Frage: Wie sortiert sich der Deutsche Lottoblock, um all diese Reformbestrebungen wieder mit einem kräftigen Gegenwind zunichte zu machen?

Mitte Januar kamen die ständigen Gutachter und Vertreter des staatlichen Lottos wieder zusammen – mit gleich drei Gutachten und dem ehemaligen Regierungschef des Stadtstaates Hamburg, Ole von Beust, ausgerüstet.

Tenor: Der Glücksspielstaatsvertrag ist nun doch EU-rechtmäßig konstatiert Prof. Dr. Ulrich Haltern, Universität Freiburg bzw. seien „die Zweifel an der Unionsrechtskonformität des deutschen Lotteriemonopols unbegründet.“ Haltern schlägt eine Argumentation vor, die über die bisherige Beschränkung auf Gesichtspunkte des Marktes hinausgeht – Glücksspielsucht, Schwarzmärkte und Begleitkriminalität sind Marktunvollkommenheiten. Mindestens ebenso entscheidend sei die tiefe Einbettung der deutschen Lotterieregulierung in historisch gewachsene, religiös grundierte und sittlich-kulturell begründete Einstellungen und Entscheidungen der Gesellschaft. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sei hierfür ganz offen und spricht eine Einladung zu einer solchen Argumentation aus; man müsse diese nur noch annehmen. „Wenn man endlich über diese gesellschaftlichen Aspekte der Regulierung sprechen würde, würde viel deutlicher, wieviel soziale Legitimation und juristische Berechtigung das deutsche Monopol besitzt.“ Im Übrigen seien Spiele wie Online Poker, Live-Wetten aber auch Social Games mit Glücksspielcharakter zu gefährlich und müssten verboten bleiben.

Ergo: Anders als in Frankreich, Spanien oder Dänemark sollten Deutschlands Online Spieler ihre Laptops zuklappen und ihre Smartphones gegen Online Spiele sperren und vor der unbeherrschbaren Spielsucht flüchten und zwar am Besten in die guten alte Lottoannahmestelle. „Ein Los bitte und eine Tafel Schokolade bitte“. Das wäre eine gemeinwohlorientierte Kanalisierung des Spieltriebes in Reinform! Der Rechtsweg sollte zudem für europäische Anbieter ausgeschlossen werden: Kein Hessischer VGH, kein EuGH, keine Beschwerden vor der EU Kommission, Rechtsfriede in Reinform!

Zurück zur Forderung der Grünen zur Abschaffung nicht wirkungsvoller Online- Spielverbote und dem Hessischen Modell, das keine numerische Beschränkung von Online Spiellizenzen oder –produkten, sondern vielmehr eine qualitative Auslese von Online-Spielveranstalter über strenge, aber zeitgemäße Kriterien vorsieht. Dieser Qualitätsansatz hat im Jahr 2016 eine echte Chance. Denn schon längst ist eine digitale Generation (Digital Nature) herangewachsen ist, die digitale soziale Netzwerke nutzt und auch gegeneinander spielt – sei es in Form von eSport- Turnieren, ePoker-Turnieren oder von virtuellen Fußballmanagerspielen (Daily Fantasy Sports). EU Mitgliedsstaaten mit einer zukunftsorientierten Online Spielregulierung kümmern sich bereits um neue hybride Spiel- und Finanzplattformen (z.B. Binary Slots) oder 3D-Casino Spiele. Das ist die Realität! Nur die richtigen Spielregeln müssen noch definiert werden – die GRÜNEN, die CDU aber selbstverständlich auch die FDP werden hierfür wohl bald Sorge tragen. Der größte Internetwirtschaftsverband Europas, eco, wird am 25. Februar parteiübergreifend mit Landes- und Bundespolitikern sowie in- und ausländischen Experten neue Optionen der Online Spielregulierung erörtern.

Ausblick:
Der Glücksspielstaatsvertrag wird nach der anstehenden Behandlung sicherlich nicht mehr wiederzuerkennen sein. Verbraucherschutzorientierte Spielregeln können sogar dem 2015 verabschiedeten Verbraucherschutzkodex des Medienverbandes DVTM entnommen werden, dessen Kodex von namenhaften Verbraucherschützern unterstützt wird.

Und: Die Beseitigung von wirkungslosen Verboten bei gleichzeitiger Einführung sachlich angemessener Spielregeln sollte das staatliche Lotto nicht fürchten. Ein friedliches Nebeneinander von staatlichen und privaten Anbieter wäre nicht neu – insbesondere nicht in Europa. Also: Nur Mut!