Kundenidentifizierung für Online-Glücksspiele jenseits des risikobasierten Ansatzes
Von Maximilian Riege, Hambach & Hambach Rechtsanwälte
Am 11. März 2014 verabschiedete das Europäische Parlament die 4. Geldwäsche-Richtlinie (GW-RL).1 Aus glücksspielrechtlicher Perspektive ist insbesondere die umfassende Einbeziehung von Glücksspielanbietern als Adressaten der RL von Bedeutung. Für Kritik sorgten Änderungen zu den Identifizierungspflichten bei Online-Glücksspielen.
Der Entwurf der Europäischen Kommission zur 4. Geldwäsche-RL2 hatte anbieterübergreifend eine einheitliche Schwelle von EUR 2000 für Identifizierungspflichten vorgesehen. Unabhängig davon, ob es sich um terrestrische oder um Online-Glücksspielanbieter handelt.
Die nun vom EP angenommene Fassung des Art. 10 Abs. 1 lit. d) der GW-RL führt – je nach Art des Glücksspiels – zu unterschiedlichen Anforderungen an die Kundenidentifizierung. Während terrestrische Casinos grundsätzlich erst ab einer Transaktionsschwelle von EUR 2000 und andere Glücksspieldienste gar erst bei Gewinnauszahlungen von EUR 2000 oder mehr ihre Kunden identifizieren müssen, sind Online Glücksspielanbieter dazu bereits „bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung“ verpflichtet.
Ebenso wie bei der Novelle des deutschen Geldwäschegesetzes (GWG) wird die unterschiedliche Behandlung von Online-Glücksspielen mit dem vermeintlich hohen Geldwäscherisiko bei Online-Glücksspiel begründet.3 Mit anderen Worten, Online-Glücksspiele seien besonders anfällig für Geldwäscheaktivitäten, während terrestrische Casinos und andere Glücksspielarten weniger dazu geeignet seien.
Diese Annahme steht jedoch im Widerspruch zu wissenschaftlichen Studien und wählt einen falschen Ansatzpunkt bei der Geldwäschebekämpfung im Glücksspielbereich. Die Art des Glücksspiels, ob Lotterie, Sportwetten, Casinospiele oder Poker, online oder offline, ist nur von nachrangiger Bedeutung für das Geldwäscherisiko. Ausschlaggebend ist vielmehr die Frage, ob es sich um regulierte oder unregulierte Glücksspielangebote handelt.4
Geringes Geldwäscherisiko bei reguliertem Glücksspiel
Bereits 2009 hatte Levi in seiner Studie zu „Money Laundering Risks and E-Gaming: A European Overview and Assessment“ festgestellt, dass regulierte Online-Glücksspiele kaum relevant sind für Geldwäscheaktivitäten. Die Unterstellung, dass Online-Glücksspiel besonders anfällig für Geldwäsche sei, bezeichnete Levi gar als Mythos.5 Bestätigt wurde Levi kürzlich durch eine im Auftrag der TüV Austria Trust IT GmbH erstellte Studie. Die anerkannten Experten im Bereich der Geldwäschebekämpfung und Glücksspielregulierung Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Schneider sowie Prof. Dr. Dr. Peren und Prof. Dr. Clement untersuchten das Thema „Online Poker: Mögliche Geldwäsche und deren Prävention“.
Die Ergebnisse beider Studien sind eindeutig. Zum einen ist Geldwäsche im regulierten Online Glücksspielbereich überaus aufwendig und daher unter ökonomischen Gesichtspunkten unattraktiv.6 Zum anderen lassen sich verbleibende (Rest-)Risiken durch ein „abgestimmtes Maßnahmenpaket“, Peren/Clement schlagen hier einen 10 Punkte-Plan vor, beherrschen.7
Geldwäsche muss sich aus krimineller Perspektive lohnen, das heißt wirtschaftlich attraktiv sein. Inkriminierte Gelder, also Gelder aus kriminellen Aktivitäten sollen gewaschen werden, um wieder in den regulären Wirtschaftskreislauf eingebracht werden zu können. Ansonsten sind sie Erlöse aus kriminellen Geschäften auch für Kriminelle weitestgehend nutzlos. Zudem ist der Geldwäscheprozess erst dann erfolgreich, wenn die zu waschenden Gelder nach der Platzierung (sog. Placement) und ohne allzu große Abschreibungsverluste im Rahmen der Prozesse zur Verschleierung von deren Herkunft (sog. Layering) wieder in den regulären Wirtschaftskreislauf eingebracht werden können (sog. Integration).8 Beträge von unter EUR 2000 haben sich in Anbetracht des mit den Geldwäscheaktivitäten verbundenen Aufwands als nicht relevant erwiesen.
Überdies kann gerade im Online-Bereich, aufgrund der notwendigen Verwendung von Banküberweisungen oder elektronischen Zahlungsmitteln sowie unter Ausschluss von Bargeld, die Einhaltung des Schwellenwertes bei Ein- und Auszahlungen besonders gut überwacht werden. Eine Zerstückelung, das sog. Smurfing,9 von Geldbeträgen zur Umgehung des Schwellenwertes ist daher viel komplizierter, als im terrestrischen Bereich.10
Anbieterinterne Sicherungsmaßnahmen
Zusätzlich können im Rahmen anbieterinterner Sicherungsmaßnahmen neben der Registrierung der Transaktionssummen und der vom Spieler verwendeten Zahlungsmittel sämtliche Spielvorgänge gespeichert und (nahezu) in Echtzeit auf Auffälligkeiten untersucht werden.11
Insofern kann das (anonyme) Einbringen gewaschener Gelder in den regulären Wirtschaftskreislauf gerade beim regulierten Online-Glücksspiel durch eine Kombination anbieterinterner Sicherungsmaßnahmen, die Beschränkung der zulässigen Ein- und Auszahlungsmittel und -summen sowie eine volle Identifizierung des Kunden im Moment des Auszahlungsverlangens faktisch verhindert werden.12
§ 9a des deutschen Geldwäschegesetzes (GWG)13 sowie die §§ 5 ff. der schleswig-holsteinischen Glücksspielgenehmigungsverordnung (GGVO) verlangen bereits entsprechende Maßnahmen. Schleswig-Holstein verpflichtet zudem jeden regulierten Anbieter zur Installation eines sog. SAFE-Servers, ein Spiegelserver, der alle spielrelevanten Daten (inkl. Transaktionsdaten) speichert und für die zuständigen Aufsichtsbehörden zugänglich macht.14
Dies ist in mehrfacher Hinsicht sinnvoll. Zum einen entfaltet die Datenspeicherung eine zusätzliche abschreckende Wirkung gegen Geldwäsche- und Betrugsaktivitäten im Rahmen des regulierten Online-Glücksspiels. Zum anderen werden entsprechende kriminelle Aktivitäten unattraktiv, weil das Aufdeckungsrisiko für Kriminelle ebenso wie der Aufwand für Geldwäscheaktivitäten signifikant erhöht wird. Darüber hinaus können die Aufsichtsbehörden die Einhaltung regulatorischer Anforderungen durch die regulierten Glücksspielanbieter besser überprüfen. Schließlich erhält die Finanzaufsicht auch noch eine belastbare Berechnungsgrundlage für die Steuererhebung gegenüber den regulierten Anbietern.
Kundenidentifizierung vs. Kanalisierung
Angemessene Identifizierungsmaßnahmen sind wichtig für eine funktionierende Glücksspielregulierung. Daher ist ein abgestufter, also tatsächlich „risikobasierter“ Identifizierungsprozess zu fordern. Zu hohe Identifizierungsstandards zu Beginn der Kundenregistrierung können die mühsamen Regulierungsbestrebungen zur Überführung der Spieler in den regulierten Markt (die sog. Kanalisierung der Kundenachfrage) konterkarieren. Unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten dürfte eine hohe Identifizierungshürde für Kunden zu Beginn des Registrierungsprozesses daher sogar kontraproduktiv sein.15
Mit Glücksspiel assoziierte Risiken lassen sich nur im regulierten Markt beherrschen. Die Kanalisierung der Kundenachfrage Grundvoraussetzung für den Spieler- und Minderjährigenschutz, die Suchtprävention, die Geldwäsche- und Kriminalitätsbekämpfung sowie nicht zuletzt die Generierung von Steuereinnahmen. Verliert man grundsätzlich registrierungswillige Kunden an den unregulierten Markt, weil hier eine sofortige und unkomplizierte Spielteilnahme möglich ist, können die anderen Regulierungsziele nicht mehr erreicht werden.16
In seltener Einigkeit heben daher sowohl die Verfasser des Glücksspielstaatsvertrags als auch des Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein die besondere Bedeutung der Kanalisierung der Kundennachfrage für die weiteren Ziele der Glücksspielregulierung hervor. Auch wenn sie daraus unterschiedliche Schlüsse ziehen.
Im Hinblick auf die 4. Geldwäsche-Richtlinie verbleiben insofern zunächst zwei denkbare Lösungswege:
Auf EU-Ebene könnten im anstehenden Trilog von Europäischem Parlament, Europäischer Kommission und Europäischem Rat noch entsprechende Änderungen an der Geldwäsche-Richtlinie vereinbart werden, die eine unnötige und höchstwahrscheinlich kontraproduktive Identifizierungslast für die regulierten Online-Glücksspielanbieter zu Beginn der Kundenregistrierung verhindern.
Auf nationaler Ebene, könnten die zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten die Regulierungslage dadurch entschärfen, dass sie von der in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 lit f) des Richtlinienentwurf vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, in Abstimmung mit der EU-Kommission nationale Ausnahmen für die Identifizierungspflicht bei Online-Glücksspielen zuzulassen. Denkbar sind hier z.B. abgestufte Identifizierungsanforderungen je nach Einzahlungssumme, eine Limitierung der zulässigen Zahlungsmittel und Auszahlungsbeschränkungen.
Gerade im Online-Glücksspielbereich dürfte bei Einzahlungen bis zu bestimmten Betragsgrenzen, ob nun einheitlich EUR 2000 oder geringere Bagatellbeträge, eine (Basis-)Identifizierung des Kunden anhand seiner Kontoverbindung bzw. der verwendeten EC- oder Kreditkarte ausreichen. Zusätzlich könnte die (Mobil-)Telefonnummer des Kunden abgefragt und verifiziert werden. Die Auszahlung von Geldbeträgen von einem Spielkonto sollte hingegen immer erst nach einer vollen Identifizierung des Kunden und auf ein auf den Kunden registriertes Bankkonto oder seine Kreditkarte erfolgen.17
Der Identifizierungsprozess zu Beginn der Kundenregistrierung bei regulierten Online-Glücksspielanbietern darf nicht zu Lasten der Kanalisierung der Kundennachfrage in den regulierten und damit staatlich kontrollierten Markt gehen. Es wird daher entscheidend für den Erfolg der Geldwäschebekämpfung im Rahmen der 4. Geldwäsche-RL aber auch der (Online-) Glücksspielregulierung insgesamt sein, ob praxistaugliche Lösungen für die Kundenidentifizierung gefunden werden, die im Einklang mit den sonstigen Zielen der Glücksspielregulierung stehen.
1) http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fTEXT%2bTA%2bP7-TA-2014-0191%2b0%2bDOC%2bXML%2bV0%2f%2fDE&language=DE.
2) http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-87_de.htm.
3) Vgl. BT-Drs. 17/10745, 2f.
4) Riege/C. Hambach, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien 2014, Vorb GWG, Rn. 8 ff.
5) Levi, Money Laundering Risks and E-Gaming (2009), 26.
6) Schneider, Online Poker: Mögliche Geldwäsche und deren Prävention (2013), 8.
7) Peren/Clement, Online Poker: Mögliche Geldwäsche und deren Prävention (2013), 125.
8) Vgl. zum 3-Phasen-Modell, Herzog, in: Herzog: Geldwäschegesetz (2010), Einleitung Rn. 7 ff.
9) Herzog, in: Herzog: Geldwäschegesetz (2010), Einleitung Rn. 8.
10) Riege/C. Hambach, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien (2014), Vorb GWG, Rn. 9.
11) Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien (2014), §9a GWG, Rn. 4 ff.
12) Riege/C. Hambach, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien (2014), Vorb GWG, Rn. 13.
13) Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien (2014), §9a GWG, Rn. 5 ff.
14) Hambach/Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien (2014), §§ 4, 5 GlüG SchlH, Rn. 53 f.
15) Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien (2014), §9b GWG, Rn. 16.
16) Hambach/Riege, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien (2014), §§ 1-3 GlüG SchlH, Rn. 11 und 25 ff.
Quelle: TIME Law News 01/2014 (Hambach & Hambach Rechtsanwälte)