Monopol oder Konzessionssystem bei Sportwetten: Was ist besser für die Gesellschaft?

Ein Artikel von Prof. Dr. Tilman Becker

Bevor diese Frage beantwortet werden kann, müssen Informationen über das Verhalten der Marktteilnehmer und insbesondere über den zu erwartenden Umsatz auf dem Markt für Sportwetten vorliegen.

Wie hoch sind die Umsätze auf dem Markt für Sportwetten?

Es gibt keine Statistiken über den Umsatz auf dem Markt für Sportwetten. Nur die Umsatzzahlen des staatlichen Anbieters Oddset sind bekannt, nicht jedoch die Umsatzzahlen der ausländischen Anbieter.

Auf der Anhörung der CDU– und FDP-Fraktion zum Entwurf eines neuen Glücksspielstaatsvertrages in Schleswig-Holstein und in der Presse wird Bezug auf Zahlen genommen, die sich auf Angaben der Anbieter selber gründen. Diese Zahlen stammen aus einer Veröffentlichung des Marktforschungsinstituts Goldmedia.

Im Oktober 2010 veröffentlichte Goldmedia die Studie: „Update: Glücksspielmarkt Deutschland 2015“. In dieser Studie (S. 14) schätzt Goldmedia auf Grund der Befragung von Sportwettenanbietern den Umsatz bei Sportwetten auf dem deutschen Markt auf insgesamt 7,8 Mrd. Euro (Online 3,9 Mrd. Euro, Wettbüros 2,4 Mrd. Euro, Schwarzmarkt in Hinterzimmern 1,0 Mrd. Euro, Oddset 0,24 Mrd. Euro, Pferdewetten 0,25 Mrd. Euro). Diese Schätzungen gründen sich auf die Angaben der Anbieter.

Eine alternative Vorgehensweise, um zu Angaben über den Umsatz bei Sportwetten zu gelangen, stellt eine Befragung der Nachfrager, d. h. der Sportwetter selber, dar.

Umsatz bei Sportwetten basierend auf einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung

Nach einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage haben in Deutschland 3,8% der Bevölkerung (zwischen 16 und 65 Jahren) in den letzten zwölf Monaten an einer Sportwette (einschließlich Pferdewetten) teilgenommen (Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009. Ergebnisse aus zwei repräsentativen Bevölkerungsbefragungen, S. 29). Bei einer Bevölkerung (zwischen 16 und 65 Jahren) von 51,6 Millionen Bundesbürgern (Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2010, S. 42) sind dies 1,96 Millionen Bundesbürger.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat auch Angaben zu den jeweils getätigten Ausgaben der Befragten für Sportwetten. Leider ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf Anfrage jedoch nicht bereit gewesen, diese Angaben zur Verfügung zu stellen oder zu veröffentlichen. Von daher bleibt nur die Möglichkeit, diese Angaben auf anderem Weg zu errechnen.

Dem Geschäftsbericht von bwin ist zu entnehmen, dass bwin 1,754 Millionen aktive Sportwettenkunden hat (Geschäftsbericht 2009, S. 29). Der Bruttospielertrag von bwin bei Sportwetten beträgt 226,307 Millionen Euro (Geschäftsbericht 2009, S. 3). Hieraus ergibt sich ein Bruttospielertrag (BSE) pro „aktivem Sportwetter“ von 129,02 Euro pro Jahr. Bei einer Sportwetten-Marge von 7,4% (Geschäftsbericht 2009, S. 3) ergibt sich ein durchschnittlicher Einsatz eines „aktiven Sportwetters“ pro Jahr von 1743,51 Euro.

Wenn jeder der 1,96 Millionen Bundesbürger ein „aktiver Sportwetter“ wäre und 1743,51 Euro pro Jahr für Sportwetten ausgeben würde, wären dies 3,417 Milliarden Euro.

Diese Zahl über den Umsatz auf dem Markt für Sportwetten dürfte immer noch über dem tatsächlichen Umsatz liegen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die deutschen Bundesbürger, die in den letzten zwölf Monaten an einer Sportwette teilgenommen haben, pro Kopf im Durchschnitt deutlich weniger ausgeben, als die „aktiven Sportwetter“ (aktive Kunden von bwin). Andererseits ist davon auszugehen, dass ein Sportwetter eventuell nicht nur bei einem Anbieter wettet. Doch dieser Effekt dürfte relativ gering im Vergleich zu dem ersten Effekt ausfallen. Die Schätzung von 3,4 Mrd. Euro ist daher als eine Obergrenze für den tatsächlichen Umsatz anzusehen.

Mit Zahlen macht man Politik

Die Zahlen von Goldmedia bilden mittlerweile sogar die Grundlage für darauf aufbauende Untersuchungen. So geht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und Touche (Studie zum deutschen Sportwettenmarkt vom 8. September 2010) in ihrer Berechnung der Staatseinnahmen bei verschiedenen Szenarien von den Zahlen von Goldmedia aus. Es werden die Staatseinnahmen bei Fortführung des Sportwettenmonopols in der jetzigen Form und bei Konzessionssystemen (Steuerbemessungsgrundlage Umsatz oder Rohertrag) miteinander verglichen. Nicht betrachtet wird das Szenario eines staatlichen Sportwettenmonopols mit einem Angebot im Internet.

Es ist eine politische Entscheidung, ob ein Konzessionssystem bei Sportwetten eingeführt wird. Die Höhe der staatlichen Einnahmen aus einem solchen System hängt jedoch maßgeblich von dem Umsatz auf diesem Markt ab. Wenn der Umsatz zu hoch eingeschätzt wird, so fallen auch die tatsächlichen Einnahmen geringer als erwartet aus.

Die Einnahmen des Staates bei Beibehaltung eines staatlichen Sportwettenmonopols hängen maßgeblich davon ab, ob ein staatliches Angebot im Internet erlaubt wird. Bei einem attraktiven staatlichen Sportwettenangebot im Internet ist mit wesentlich höheren Staatseinnahmen im Monopolfall zu rechnen, als bei einem Konzessionssystem.

Die Politik sollte sich nicht auf Grund einseitiger Zahlen bzw. einseitiger Szenarien entscheiden. Der Markt für Sportwetten dürfte einen Umsatz von höchstens 3,4 Mrd. Euro und nicht von 7,8 Mrd. Euro haben. Dies ist bei der Berechnung der zu erwartenden Einnahmen aus einem Konzessionssystem zu berücksichtigen, die damit auf weniger als die Hälfte fallen.

Monopol oder Konzessionssystem?

Die Einnahmen des staatlichen Anbieters bei einem Monopol und mit einer Erlaubnis, im Internet anzubieten, fallen wesentlich höher aus, als mit den vorliegenden Szenarien abgebildet. Je attraktiver das staatliche Angebot, umso höher fallen auch die staatlichen Einnahmen aus. Umso stärker gegen ausländische Anbieter vorgegangen wird, umso höher wird der Marktanteil des staatlichen Anbieters und werden damit auch die Einnahmen ausfallen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass bei einem Konzessionssystem, wenn es dem Spielerschutz gerecht werden soll und der steuerrechtlichen Kontrolle des Staates unterliegen soll, wie in Italien oder Frankreich, neue Institutionen geschaffen werden müssen. In Italien und Frankreich kann jede Einzahlung eines Spielers von den Aufsichtbehörden kontrolliert werden. Die Spielerkonten unterliegen einer Kontrolle. Erhebliche Kosten entstehen durch den Aufbau der dafür notwendigen IT-Infrastruktur. Die Kosten für die Kontrolle und Überwachung sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Letztendlich sollten aber nicht die Staatseinnahmen für das staatliche Handeln maßgeblich sein, sondern die gesellschaftliche Wohlfahrt. Die Kosten, mit denen durch die Zunahme pathologischer Spieler bei einem Konzessionssystem zu rechnen ist, wären daher ebenfalls zu berücksichtigen.

Andererseits ist die gegenwärtige Situation eines unregulierten Marktes für Sportwetten sicherlich nicht auf Dauer tragbar. Rechtliche Gebote bzw. Verbote, an die sich die meisten Bürger nicht halten, sollten überdacht werden.

Es gibt also keine generelle Antwort auf die Frage, was aus wohlfahrtstheoretischer Sicht vorzuziehen ist, ein Monopol- oder eine Konzessionssystem. Es hängt ganz entscheidend von der jeweiligen Ausgestaltung ab, ob ein Monopol- oder ein Konzessionssystem vorzuziehen ist.