WestLotto bringt wissenschaftliche Aspekte in die Debatte zur Alterseinstufung des Spiels FIFA 23 ein
Lootboxen können nach einhelliger Expertenmeinung vor allem für Kinder und Jugendliche eine gefährliche Einstiegsluke in das Glücksspiel sein. Intensive Aufklärung über die Problematik ist deshalb ebenso wichtig wie eine klare Regulierung. Dafür setzt sich auch WestLotto stark ein. Für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Glücksspiel stehen die lizenzierten und legalen Glücksspielanbieter in Deutschland. Ein unreguliertes Angebot von Lootboxen läuft dem Jugend- und Verbraucherschutz allerdings klar entgegen. So werden bei Lootboxen Kaufanreize über Mechanismen hergestellt, die im Glücksspiel verboten sind. Entsprechende regulative Eingriffsmöglichkeiten werden international diskutiert und teilweise bereits umgesetzt. In Deutschland fehlen Regularien für Lootboxen bislang aber völlig.
„Nach üblicher Definition handelt es sich bei den in FIFA 23 angebotenen Lootboxen eindeutig um ein Glücksspiel.“ - Prof. Dr. Gerhard Bühringer
In die gesellschaftliche und politische Debatte in Deutschland bringt WestLotto nun die Sichtweise des international renommierten Suchtforschers Prof. Gerhard Bühringer ein, den das Unternehmen gebeten hat, eine anbieterunabhängige Erstbewertung zu der USK-Alterseinstufung für das Spiel FIFA 23 zu geben. „Zum Schutz vor den Gefahren problematischen Glücksspiels bei Kindern und Jugendlichen, sollten die Entscheider diese wissenschaftlichen Ausführungen kennen,“ fordert WestLotto-Unternehmenssprecher Axel Weber.
Wie komplex das Problem und wie groß zugleich der Handlungsbedarf ist, zeigt sich eindrucksvoll: Die USK hat das Spiel ohne Altersbeschränkung freigegeben und mit USK 0 gekennzeichnet. Dabei gehören Lootboxen ganz selbstverständlich zum Spiel dazu. Suchtforscher Prof. Dr. Gerhard Bühringer von der TU Dresden im WestLotto-Interview:
Herr Bühringer, die USK hat FIFA 23 ohne Altersbeschränkung freigegeben. Dabei werden dort Lootboxen verwendet, deren Gefährdungspotenzial vor allem für Kinder und Jugendliche unter Expertinnen und Experten unbestritten ist. Wie kann das sein?
Das liegt zunächst einmal in der Prüfung an sich begründet. Die USK hat nach eigenen Angaben die zufallsbasierten Spielerpakete, also die Lootboxen, unter dem Aspekt „Glückspielthematik“ anhand der aktuell gültigen USK-Leitkriterien bewertet. Eine mögliche Gewöhnung an Glücksspiel verneint die USK dabei, da diese Lootboxen optisch und technisch deutlich erkennbar von realem Glücksspiel distanziert seien. Allerdings: Die USK weist selbst darauf hin, dass Interaktions- und Nutzungsrisiken, wie sie etwa durch nicht spielimmanente Komponenten wie unter anderem auch Kauffunktionen entstehen können, in der Bewertung nicht berücksichtig worden seien.
Warum greift dieses Vorgehen aus Ihrer Sicht bei FIFA 23 viel zu kurz?
Nach üblicher Definition handelt es sich bei den in FIFA 23 angebotenen Lootboxen eindeutig um ein Glücksspiel. Die Kriterien sind, in aller Kürze gesagt, voll erfüllt: für den Erwerb einer Gewinnchance wird ein Entgelt verlangt und die Entscheidung über den Gewinn hängt ganz oder überwiegend vom Zufall ab. Der Gewinn muss laut Definition und Praxis nicht unbedingt ein Geldbetrag sein. Deshalb sollte dieses Spiel auch vor diesem Hintergrund geprüft werden.
Legt man also die Maßstäbe für eine Prüfung eines Glücksspiels an: Zu welchem Schluss würden Sie bei FIFA 23 kommen?
Nach den bisher bekannten Kriterien für riskante Glücksspiele erscheint FIFA 23 mit den Spielerkarten-Packs, die sich an den Lootboxen-Mechanismen orientieren und gegen Geldeinsatz zu erwerben sind, als riskant für Kinder und Jugendliche.
Woraus leiten Sie diese Einschätzung ab?
Für die Frage, ob es sich um ein riskantes Glücksspiel handelt, sind folgende Punkte relevant: Gibt es einen Kontrollverlust oder eine problematische Kontrolleinschränkung für den Bereich der persönlichen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen? Gibt es einen Kontrollverlust oder eine problematische Kontrolleinschränkung im Bereich der Finanzen, der Lebensgestaltung und/oder der sozialen Kontakte und Verpflichtungen? Wird all dies bejaht, wären zum Schutz der minderjährigen Spielenden geeignete Kontrollen der Nutzung notwendig.
Und für FIFA 23 lassen sich diese Fragen mit „Ja“ beantworten?
Man muss sich klar machen, dass für Jugendliche unter 18 Jahren besondere Schutzpflichten gelten. Diese beruhen auf der wissenschaftlich anerkannten Einschätzung, dass bei Jugendlichen die neurobiologische und psychosoziale Reifung noch nicht abgeschlossen ist. Damit einher gehen im Durchschnitt eine erhöhten Risikoneigung und verminderte Risikoeinschätzung. Über die rechtliche Ebene hinaus besteht eine erzieherische Schutzaufgabe für Eltern und beteiligte Erziehungsorgane für die Entwicklung einer risikoarmen und risikobewussten Nutzung von Glücksspielen. Und nach unseren gesellschaftlichen Wertvorstellungen trägt eben auch der Anbieter solcher Spiele mit Lootboxen und möglichen Risiken für eine Verhaltensabhängigkeit eine eindeutige unternehmerische Verantwortung, die entsprechend auch im GlüStV 2021 und in der SpielV festgehalten ist.
Das Unternehmen hinter FIFA 23 ist EA Sports von Electronic Arts, führend im Bereich der digitalen Sportspiele…
Ja. Und wenn Sie sich nun FIFA 23 anschauen, dann kommen Sie zu dem Schluss, dass Merkmale eines Spiels mit riskanten Merkmalen von Lootboxen vorliegen: 1. Objektiv müssen sie einen bedeutsamem Geldeinsatz für den Kauf von FIFA 23 leisten – das gilt vor allem im Verhältnis für das Taschengeld von Kindern und Jugendlichen. 2. Subjektiv liegt zwar ein geringer Kaufpreis je Spielerkarten-Pack vor – bei hoher Kauffrequenz wird aber auch dieser problematisch. 3. Die Wahrscheinlichkeit, gute Karten zu erhalten, ist sehr gering und liegt auch im teuersten Pack bei nur 1,7 Prozent. 4. Es werden Anreize zur häufigen Wiederholung und damit zunehmenden Geldausgabe gegeben und 5. ist der soziale Druck zum Mitmachen für Kinder und Jugendliche hoch.
Wie ist der aktuelle Forschungsstand zur Gefahr von Lootboxen in Videospielen?
Für Erwachsene liegen aus neuerer Zeit zwei systematische Überblicksarbeiten zum Zusammenhang von problematischem Spielverhalten und der Nutzung von Lootboxen bei Internetspielenden vor: Diese Studien finden einen positiven korrelativen Zusammenhang zwischen der hohen Nutzung von Lootboxen und exzessiver wie auch problematischer Video-Spielteilnahme. Die sehr wenigen Studien mit Jugendlichen zeigen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Lootbox-Nutzung und problematischen Videospielen, vor allem dann, wenn Lootboxen bezahlt werden müssen. Allerdings muss man beachten, dass – wie fast immer zum Thema Verhaltensabhängigkeiten – die Forschung zu diesem spezifischen Thema lückenhaft ist. Die Messinstrumente sind häufig nicht standardisiert, die Stichproben verzerrt, es fehlt an Studien, die kausale Aussagen erlauben.
Das Problem der fehlenden Regelungen für Lootboxen wird auch hier deutlich. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht im Fall von FIFA 23 und der Alterseinstufung durch die USK?
Zwischen gekauften Lootboxen und problematischen Merkmalen der Videospiel Teilnahme von Jugendlichen besteht über mehrere Studien – trotz aller methodischer Schwächen und Forschungsdefizite – ein deutlicher Zusammenhang. Zur Kausalität können keine Aussagen gemacht werden. Dennoch gibt es einen Bedarf, die genannten Risiken durch geeignete Maßnahmen zu senken und problematische Entwicklungen möglichst zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist die Alterseinstufung der USK nicht nachvollziehbar, auch nach den Leitlinien für die Prüfung von Videospielen.
Wie könnte vor diesem Hintergrund aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Jugendschutz-Regelung für dieses Spiel aussehen?
Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sollten aus meiner Sicht verschiedene Maßnahmen aus der folgenden Auswahl kombiniert werden: FIFA 23 sollte nur von Erwachsenen gekauft werden können. Es sollte eine Aufklärung für Erwachsene über die finanziellen und entwicklungspsychologischen Risiken bei Kindern und Jugendlichen erfolgen. Die Alterseinstufung sollte auf USK 16 festgelegt werden Der Kauf von Spielkarten- Packs pro Tag sollte durch geeignete technische Maßnahmen begrenzt und erst ab 18 freigegeben werden. Und wie immer: Es besteht weiterer Forschungsbedarf!
Zur Person:
Suchtforscher Prof. Dr. Gerhard Bühringer ist Seniorprofessor am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie (IKPP) der Technischen Universität Dresden. Er ist dort Leiter der Arbeitsgruppe Abhängiges Verhalten, Risikoanalyse und Risikomanagement sowie Autor zahlreichen Studien und Bücher.
Er ist zudem Adjunct Professor in Addiction Psychiatry an der Syddansk Universität in Odense, Dänemark und approbierter klinischer Psychologe.
Seine Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Forschung auf dem Gebiet der Ätiologie, Epidemiologie, Prävention und Therapie von Störungen durch Substanzkonsum sowie durch Glücksspielen; Evaluation und Optimierung von Versorgungsstrukturen für Störungen durch Substanzkonsum und Glücksspielen; Public Health Fragestellungen.
Bühringer ist Mitglied in wissenschaftlichen Ausschüssen und Koordinierungsgremien sowie von Beiräten und Redaktionen wissenschaftlicher Zeitschriften, u.a.: Mitglied der Redaktion n der Zeitschrift SUCHT, Assistant Editor der Zeitschrift ADDICTION, Mitglied und 2006-2008 Präsident der International Society of Addiction Journal Editors (ISAJE), 2011-2016 Mitglied des Europäischen Forschungsverbundes ALICE RAP, Mitglied und 2014-2017 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), 2014-2016 Präsident des Internationalen Dachverbandes der nationalen Suchtforschungsgesellschaften (ICARA); 2017 Diotima Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft.
Quelle: WestLotto