Der Glückspielstaatsvertrag: rechtlich und wirtschaftlich eine Sackgasse

Nach der Sportwetten-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 hatte der Gesetzgeber die Wahl. Entweder wird der Vertrieb und die Bewerbung des staatliche Glückspielangebots konsequent der Spielsuchtprävention unterstellt oder private Sportwettanbieter müssen – wie z. B. beim Automatenglückspiel oder der Pferdewette – einen Zugang zum Markt erhalten. Anstatt sich aber an den volkswirtschaftlichen und rechtlichen Argumenten zu orientieren, die für eine kontrollierte Zulassung privater Sportwettunternehmen neben dem Erhalt des klassischen Lottomonopols sprachen, haben sich die Ministerpräsidenten für einen Glückspielstaatsvertrag entschieden, der am 01. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Dabei ging der Gesetzgeber noch über die Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgericht hinaus und hat umfangreiche Werbeverbote und ein Verbot von Internetangeboten auch für das Lottospiel und die Klassenlotterien verhängt.

Sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich gesehen, bestätigt sich nun, dass diese Entscheidung in eine Sackgasse führt.

In rechtlicher Hinsicht lässt die unlängst veröffentlichte Stellungnahme des juristischen Dienstes der EU-Kommission aus dem Mai dieses Jahres keinen Zweifel mehr daran, dass die derzeitige Rechtslage in Deutschland gemeinschaftsrechtsrechtswidrig ist. Entscheidend für die Beurteilung der deutschen Rechtslage ist für die Kommission die von den staatlichen Glückspielvertretern bislang immer wieder in Abrede gestellte Erforderlichkeit der sog. Gesamtkohärenz, also die Notwendigkeit, neben der Betrachtung des einzelnen Glückspielprodukts auch die Kohärenz sämtlicher Glückspielsektoren untereinander zu prüfen. Da in Deutschland neben dem staatlichen Lottomonopol gleichzeitig andere Glücksspiele mit einem nachgewiesenen höheren Suchtgefährdungspotential, wie z. B. Geldspielautomaten, von privaten Unternehmern erbracht werden dürfen, erfüllt das deutsche Monopolmodell nicht die durch die EuGH-Rechtsprechung festgelegten Kriterien und ist nicht systematisch. Ebenso deutlich vertritt die EU-Kommission in der Frage nach der Anerkennung EU-ausländischer Erlaubnisse den Rechtsstandpunkt, dass das im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Entscheidungsermessen und die sonstigen Erlaubniserteilungsvoraussetzungen nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. (siehe die Stellungnahme der EU-Kommission vom 19.05.2008 in dem Vorlageverfahren C-46/08 unter www.vewu.com).

„Man hat leider sämtliche Rechtsgutachten, die sich kritisch mit dem Sportwettmonopol und dem Glückspielstaatsvertrag auseinandergesetzt haben, ignoriert. Wenn nun der juristische Dienst der EU-Kommission unsere Rechtsaufassung bestätigt, freut mich das zwar einerseits. Anderseits bedaure ich, dass erst die höchste Instanz in Europa angerufen werden muss, um ein anachronistisches Monopol zu entthronen. Die Feudalherren des Lottoblocks hatten Angst, den heiligen Gral des Zahlenlotto zu gefährden ohne zu erkennen, dass gerade die Abkopplung der Sportwette von ihren klassischen Glückspielprodukten ihre Vorherrschaft gesichert hätte. Andere europäische Länder haben längst erkannt, dass Sportwetten eine gesellschaftliche Unterhaltungsform sind, die sich vom staatlichen Glückspiel abgrenzen lässt und die – auch juristisch begründbar – von privaten Unternehmern genauso kontrolliert angeboten werden kann, wie z. B. seit über 80 Jahren die Pferdewette. In England und in Österreich funktioniert dieses duale System bestens und auch in Italien und in Spanien wurden die Zeichen der Zeit zwischenzeitlich erkannt. Warum Deutschland, abgesehen von der Tatsache, dass der EuGH seinem Modell eine juristische Absage erteilen wird, nicht auch aus finanziellen Gründen einlenkt, ist mir angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage nicht nur ein Rätsel, – ich halte das für einen Skandal.“ so Markus Maul, Präsident des Verbandes Europäischer Wettunternehmer (VEWU).

Die aktuellen Umsatzzahlen des Lottoblocks bestätigen dies. Der aktuelle Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr beläuft sich auf 12, 3%. Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, im Jahre 2005, erzielte der Deutschen Lottoblock noch einen Umsatz von 8,06 Milliarden, heute sind es nur noch 6,89 Milliarden Euro. Aber das ist erst der Anfang der finanziellen Talfahrt, die entsprechende Defizite für die Landeshaushalte und die Nutznießer der Lottokonzessionsabgaben mit sich bringt. Die Negativ-Prognose, die das IfO-Institut bereits 2006 gestellt hatte, wird für durch die aktuellen Ergebnisse in einer IfO-Folge-Studie, die der Lottoverband letzte Woche veröffentlicht hat, bestätigt. Die Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass sich die staatlichen Mindereinnahmen (Lotteriesteuer, Konzessionsabgaben und Gewinnabführung) bis 2011 auf 5,5 Milliarden Euro, im Vergleich eines regulierten Marktes zu einem Monopol, belaufen werden. Allein bei der Lotterie „6 aus 49“ ist ein Rückgang der Spieleinsätze um eine Milliarde Euro bereits im Jahr 2009 realistisch, so MKW-Studienleiter Lars Hornuf. Das bedeutet in der Folge mehr als 500 Millionen Euro weniger Fördergelder für Wohlfahrtseinrichtungen und den Breitensport. Zum Vergleich: In Großbritannien profitieren Verbände im Schnitt mit Zuwendungen in Höhe von 6,4 Millionen Euro, wovon der Breitensport 56,3% erhält.

Die Negativ-Bilanz der aktuellen Ifo-Anschluss-Studie geht jedoch noch weiter. Das Gutachten prognostiziert zudem im Vergleich des Monopols zu einem regulierten deutschen Lotto- und Wettmarkt für den Arbeitsmarkt eine Zahl von 51.570 weniger direkt und indirekt Beschäftigten. (Die IfO-Folge-Studie des MKW steht unter www.vewu.com bereit).

„Wenn ein Geschäftsführer von Lotto angesichts des aktuellen Umsatzschwunds von Panikmache spricht und den Rückgang mit ausbleibenden Mega-Jackpots und der allgemeinen Konjunkturlage rechtfertigt, betrachte ich das als ein Pfeifen im Walde. Der Umsatzrückgang wird sich fortsetzen und bestätigt die These: Wer nicht wirbt, der stirbt. Alles andere sind Ausreden und Schönfärberei. Schlechte Wirtschaftlagen hat der deutsche Lottoblock auch in den zurückliegenden 50 Jahren schon erlebt, ohne dass die Umsätze zurückgegangen wären, und zwar auch zu Zeiten, als Mega-Jackpots noch gar nicht existierten. Und im Übrigen vereinbart es sich nicht mit den Zielen des Glückspielstaatsvertrages, sich auf der einen Seite zum Hüter einer vermeintlichen Suchtgefahr aufzuschwingen und anderseits auf bessere Umsätze durch zweistellige Millionenjackpots zu hoffen. Wie man an solchen Aussagen bzw. Ausreden sieht, wird Lotto die Geister, die es mit dem Staatsvertrag rief, nicht mehr los. Von daher sollte man auch dort die Notbremse ziehen und umdenken, bevor die Mindereinnahmen auf die Basis, wie z. B. den Breitensport, durchschlagen. In einigen Ländern wird zwar die Lottomittelförderung noch garantiert, das heißt dort trifft es momentan „nur“ den Steuerzahler. Bis 2011 wird aber der Markt völlig ruiniert sein und dann werden auch die staatlichen Garantieversprechen nicht mehr zu halten sein. Das alles ist ein Irrsinn. Die Sportwette von Lotto hatte bereits 2006 mit rund 330 Millionen Euro nur einen Anteil von 5% vom Gesamtumsatz, aber selbst diese Umsätze kommen nicht zurück, sondern sinken weiter, obwohl der Staatsvertrag geschaffen wurde. Die Sportwette war und wird niemals die Basis für das bewehrte System sein, mit staatlichem Lotto gemeinnützigen Zwecken zu dienen. Wenn man private Sportwetten zuließe und die Veranstalter besteuern würde, müsste man Lotto nicht dem Glückspielstaatsvertragskorsett unterwerfen und könnte die Staatseinnahmen um gut eine Milliarde Euro steigern. Das einzige, was mir dazu entgegengehalten wird, ist immer wieder der Vorwurf, dass unsere Unternehmer in England, Österreich, Malta oder Gibraltar sitzen und keine Steuern zahlen. Wir haben aber als private Unternehmer nicht nur Gesetzesentwürfe dafür vorgelegt, wie man uns in einem vernünftigen ordnungsrechtlichen Rahmen kontrollieren könnte, sondern wir haben auch Rechtsgutachten überreicht, die konkrete Vorschläge dafür enthielten, wie sichergestellt werden kann, dass wir dann auch in Deutschland besteuert werden können. Die Argumentation ist von daher absurd. Den Unternehmer, der in Deutschland Steuern zahlen will drängt man ins Ausland, indem man ihm in Deutschland keine Konzession erteilt, und dann wirft man ihm vor, in Deutschland keine Steuern zu zahlen. Aber die Argumente der Protektionisten unterliegen leider nicht nur in diesem Punkt nicht immer den Gesetzen der Logik und der Vernunft. Ich würde mir wünschen, dass die aktuellen Umsatzzahlen von Lotto, das Wirtschaftsgutachten und die Stellungnahme der EU-Kommission der Politik nun endlich einen Anstoß geben, kurzfristig nach einem Ausweg aus der Sackgasse Ausschau zu halten, bevor man weiter Geld verbrennt und sich vor dem vor dem EuGH blamiert.“ so Markus Maul abschließend.