Kleine Anfrage an die Niedersächsische Landesregierung: Financial Blocking trotz baldiger Liberalisierung des Onlineglücksspiels

Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT

Anfrage der Abgeordneten Christian Grascha und Dr. Marco Genthe (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 09.06.2020

Am 27.04.2020 teilte das Innenministerium in einer Pressemitteilung mit, dass es als zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde einem weiteren international tätigen Zahlungsdienstleister die Mitwirkung am Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit illegalen Glücksspiel untersagt habe (Financial Blocking) und dass weitere Untersagungsverfügungen in Vorbereitung seien (Illegales Glücksspiel: Niedersachsen verbietet weiterem internationalen Zahlungsdienstleister die Mitwirkung am Zahlungsverkehr). Das Financial Blocking bezeichnet die Unterbrechung von Zahlungsströmungen. Damit geht das niedersächsische Innenministerium gegen illegales Onlineglücksspiel vor. 2021 soll der neue Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag – GlüNeuRStV – in Kraft treten und Lizenzen für Onlinecasinos in ganz Deutschland ermöglichen. Am 30. Mai berichtete die F.A.Z in einem Artikel (Niedersachsen zwingt Bezahldienste Glücksspieleinsätze zu blocken) über das niedersächsische Financial Blocking und zitiert u. a. das am 25.05.2020 veröffentlichte Gutachten von Prof. Dr. Christian Koenig (Universität Bonn) „zur Bewertung der Verpflichtung der Zahlungsanbieter zum Financial Blocking nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV trotz anstehender Marktöffnung“. Laut diesem Gutachten verstößt Niedersachsen gegen geltendes Recht, da insbesondere die vollzugsrechtlichen Anforderungen des Glücksspielstaatsvertrags an das Financial Blocking, die EU-Datenschutz-Grundverordnung sowie sowohl die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 56 AEUV) der vom Financial Blocking betroffenen Glücksspielanbieter als auch die Zahlungsverkehrsfreiheit (Artikel 63 AEUV) der Zahlungsdienstanbieter verkannt werden. (Vgl. Rechtsgutachten von Prof. Dr. Christian Koenig).

  1. Wie begründet die Landesregierung die Umsetzung des Verbots der Mitwirkung (Financial Blocking) von internationalen Zahlungsdienstleistern vor dem Hintergrund des neuen Glücksspielstaatsvertrags 2021 und der damit verbundenen Liberalisierung des Onlineglücksspiels?
  2. Wie begründet das Ministerium die Abkehr von der noch 2018 im Landtag zugesicherten Einhaltung vollzugsrechtlicher Anforderungen, nämlich dass die Glücksspielanbieter zunächst erfolglos zur Einstellung bestimmter Spielarten aufgefordert werden müssten, bevor gegen Zahlungsdienstleister vorgegangen wird (Drucksache 18/1356)?
  3. Wie verhindert die Landesregierung, dass sie mit der Untersagung auch legale Transaktionen bzw. legales Glücksspiel unterbindet?
  4. Wie viele Untersagungsverfügungen hat das niedersächsische Innenministerium bereits gegen Zahlungsdienstleister erlassen?
  5. Wie viele sonstige Maßnahmen (beispielsweise Anhörungsschreiben, Hinweisschreiben o. Ä.) wurden bereits gegen Zahlungsdienstleister ergriffen (bitte einzeln aufschlüsseln)?
  6. Wie löst die Landesregierung das Problem, dass für den Zahlungsdienstleister nicht ersichtlich ist, welche Transaktionen gegebenenfalls (auch) legales Glücksspiel betreffen?
  7. Hält die Landesregierung es für verhältnismäßig, es den Zahlungsdienstleister zu überlassen, wie sie dem Mitwirkungsverbot gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GlüStV nachkommen, wenn die Erfüllung die Unterbindung von Transaktionen auch von legalem Glücksspiel voraussetzt, weil der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag keine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage enthält, die es den Zahlungsdienstleistern ermöglichen würde, ausreichend sicher den Aufenthaltsort des jeweiligen Nutzers (Spielers) zu identifizieren?
  8. Begründet das Ministerium die Rechtmäßigkeit von Financial Blocking Maßnahmen trotz geänderter Tatsachenlage weiterhin mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.10.2017? Wenn ja, wie räumt es die im Gutachten von Prof. Koenig erläuterte Unanwendbarkeit aus?
  9. Wie räumt das Ministerium die im Gutachten von Prof. Koenig festgestellten Verstöße gegen vollzugsrechtliche Anforderungen des Glücksspielstaatsvertrags, die EU-Datenschutz-Grundverordnung sowie sowohl gegen die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 56 AEUV) der vom Financial Blocking betroffenen Glücksspielanbieter als auch gegen die Zahlungsverkehrsfreiheit (Artikel 63 AEUV) der Zahlungsdienstanbieter aus?
  10. Welche Möglichkeiten zur Umsetzung von Untersagungen des Zahlungsverkehrs zu unerlaubtem Glücksspiel bieten sich dem Zahlungsdienstleister, ohne bei der vorzunehmenden Abgrenzung von legalem und illegalem Glücksspiel das Datenschutzrecht zu verletzen?
  11. Hat das Innenministerium Kenntnisse darüber, in welcher Größenordnung Schadensersatzforderungen im Falle eines rechtswidrig geforderten Blockings auf Niedersachsen und die anderen Länder zukommen könnten?
  12. Wurden die anderen Länder in Kenntnis gesetzt, dass ein rechtswidriges Financial Blocking zu Schadensersatzansprüchen in Millionenhöhe führen könnte und dass diese für das Verhalten ebenfalls haften müssten, da das Land Niedersachsen nach dem Glücksspielstaatsvertrag gesamthänderisch für alle Länder handelt?
  13. Plant die Landesregierung, die Anwendung des Mitwirkungsverbots bis zum Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags 2021 fortzusetzen?
  14. Wie rechtfertigt die Landesregierung den fehlenden Spielerschutz, falls die Landesregierung trotz der aufgezeigten Bedenken den Vollzug fortführen sollte, obwohl dadurch Spieler von im Hinblick auf den GlüNeuRStV regulierungswilligen zu nicht regulierungswilligen Anbietern abzuwandern drohen?
  15. Gibt es in diesem Zusammenhang seitens der Landesregierung Gestaltungspläne für eine Übergangszeit bis zur Marktöffnung des legalen Onlineglücksspiels? Wenn ja, wie sehen diese Pläne aus, und wann soll diese Übergangszeit beginnen?