Von TV-Pokershows und „Show“-Poker

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Am letzten Sonntag ging es nach England. Gleich 2 Fernsehshows standen in meinem Kalender. Zuerst ging es nach Maidstone für die 888 UK Open, bei denen ich den Nachmittagsheat am Montag spielen sollte und tags darauf stand für mich die Teilnahme am Revival von Late Night Poker in Cardiff/Wales auf dem Programm.

TV- Fernsehshows haben den Vorteil, dass sich die Veranstalter und Sponsoren meist sehr um das Wohl ihrer Gäste bemühen. Die Unterbringung der Spieler erfolgt in echten Luxusherbergen mit eigenem Spa (Marriott in Maidstone/Hilton in Cardiff), die Verpflegung ist für britische Verhältnisse ausgezeichnet (was meinem derzeitigen strengen Diätplan überhaupt nicht zuträglich ist) und abends ist fast immer ein großes „come together“ (für mich allerdings nur mit Wasser und höchstens mal ne Diet-Coke) angesagt.

Extrem motiviert bin ich bei den UK Open an den Start gegangen. Schließlich ist es der Hauptevent meines Sponsors und ich wollte mich mit einer akzeptablen Leistung präsentieren. Es ist das übliche TV-Format: Ein Heat hat 6 Spieler und wird als Shootout gespielt. Der Gewinner zieht ins Halbfinale ein und der Runner-Up bekommt noch mal eine Chance in einem Hoffnungslauf, sich ebenfalls für das Halbfinale zu qualifizieren. Dabei geht es neben dem Prestige auch um jede Menge Geld; immerhin darf der Sieger der UK Open stolze 250.000 USD mit nach Hause nehmen. Entsprechend lockt der Event auch etliche Topprofis an.

So sah dann auch mein Match aus: John Tabatabai, Iraner mit britischem Pass, Zweitplatzierter des Main Events der WSOP Europe in London, ist einer der aggressivsten Spieler, die ich je kennen gelernt habe. Er reraist preflop eine Range von Händen, mit denen die meisten Leute nicht mal einzulimpen wagen. Außerdem an meinem Tisch Roland de Wolfe, Gewinner des letztjährigen EPT-Turniers von Dublin, den ich selbst vor ein paar Monaten in einem Interview als einen der drei besten europäischen Nolimit Hold’em Turnierspieler bezeichnet habe. Noch dabei Robin Keston, ein Profi der alten Schule, der aber ganz gut berechenbar ist. Abgerundet wurde unser Tisch von einem Spanier, den ich aber aus Barcelona gut kannte und eher als „weak spot“ bezeichnen würde und einem kanadischen Onlinequalifikanten, über den ich zunächst einmal ein Spielerprofil zu erstellen hatte.

Gleich in der ersten Hand kann ich einen schönen Pot einsammeln. Tabatabai openraist am Button den dreifachen BigBlind auf 6.000 und ich calle mit :Ad :Jc. Der Flop bringt :Ax :Jx :7x. Ich checke und er macht wie erwartet seine continuation Bet mit 6.000. Ich raise ihn auf 18.000 und er bezahlt relativ schnell nach. Am Turn kommt eine :6x. Da ich ihm nach seinem schnellen Call ein As gebe, versuche ich jetzt, mein Checkraise wie ein Bluff aussehen zu lassen: Mit 58.000 (im Pot sind 49.000) setze ich mein Bet am Turn etwas zu hoch an und versuche dabei, möglichst nervös und unsicher zu wirken. Aber Tabatabai riecht Lunte und foldet nach etwa 3 Minuten Überlegen seine Hand. Wie ich später erfahre, hatte er nicht das As, sondern den Jack getroffen.

Keine 10 Minuten später habe ich die nächste größere Konfrontation: Der Spanier rechts von mir openraist am Button auf 6.000, ich finde im SmallBlind :Ax :7x und entscheide mich, mein aggressives Image etwas zu untermauern; ich reraise auf 15.000. Er bezahlt nach. Als im Flop :Ax :Qx :6x kommt, spiele ich erneut 15.000 an und der Spanier geht relativ schnell mit 85.000 all-in. Im ersten Moment will ich mich schon verabschieden, aber dann denke ich zurück an unsere verschiedenen Begegnungen in Barcelona und er sieht jetzt so aus, als wenn er sich überhaupt nicht mehr in seiner Haut wohl fühlen würde. Die überdimensionierte Höhe seines Reraises macht mich außerdem noch stutzig. Ich calle sein all-in und während er schon aufsteht, deckt er Pocket 5 um. Mein Paar Asse hält und wir sind noch zu Fünft am Tisch. Als Roland meine Hand sieht, schaut er mich ziemlich ungläubig an und fragt: „Bist Du verrückt geworden? Erst mit A 7 reraisen und dann noch sein all-in callen“.

Keine halbe Stunde später kommt dann meine unvermeidliche Konfrontation mit ihm: Am Button finde ich Pocket :8c :8s , openraise auf 12.000 den dreifachen Big Blind. Roland reraist aus dem BigBlind auf 50.000. Ich kalkuliere kurz unsere beiden Chipcounts durch; auch wenn ich die Hand verlieren würde, hätte ich noch mehr als Average an Chips. Ich sehe auf der anderen Seite eine ausgezeichnete Möglichkeit, in dieser Hand Roland empfindlich zu schwächen und pushe all-in. Er callt sofort und dreht :As :Ks um. Doch das Wunder geschieht, ich gewinne tatsächlich den Coinflip!

Wir sind jetzt nur noch zu Viert und ich besitze etwa 380.000 der insgesamt 600.000 im Spiel befindlichen Chips. Robin Keston wird kurz darauf von Tabatabai eliminiert. Der zieht jetzt preflop mächtig an und reraist mich immer öfter, während der Kanadier uns relativ passiv zusieht. Irgendwann verliere ich einen Pot mit insgesamt 280.000 an ihn, als ich eines seiner Reraises mit :Kx :Qx nachbezahle, einen open ended straight draw erwische, mich aber letztlich seiner :As :Tx geschlagen geben muss.

Zum ersten Mal unangenehm wird es, als der Kanadier mit :Ac :7c all-in geht und ich die Wette von 100.000 mit :As :Qs calle. Bei einem blanken Flop trifft er am Turn seinen Dreiouter und ich halte nur noch 143.000 an Chips. Dem Kanadier gelingt noch ein double up gegen John und plötzlich ist er Chipleader, während John und ich mit jeder etwa 150.000 beide unter Schnitt sind. Einige Zeit später bin ich dann selbst all-in gegen Tabatabai. Ich erhöhe mit Pocket :7x :7x und er geht erneut all-in. Nach meinem Call dreht er :Ax :5x um. Es ist natürlich ohne Belang, wie ich erneut die Hand als 70 % Favorit verliere, aber trotzdem fand ich die Entwicklung des Boards ziemlich widerwärtig. John trifft weder das As, noch macht er eine Straight; auf einem Flop von :Jx :Tx :3x folgt am Turn eine :Tx und am River ein weiterer :Jx . Mein Paar 7 ist plötzlich völlig wertlos, sein Kicker As gewinnt und ich bin raus.

Das Problem bei solchen Turnierformaten ist einfach, dass man es sich in den späteren Levels selbst mit einem ausgeprägten Chiplead nicht leisten kann, zweimal hintereinander eine 70 Prozent Gewinnchance zu verlieren. Auf meiner dreistündigen Fahrt nach Cardiff denke ich ziemlich intensiv darüber nach, wann und vor allem wie ich dieses Turnier mit diesem Chiplead noch vergeigen konnte. Aber außer der Entwicklung von hellseherischen Fähigkeiten fällt mir kein konstruktiver Lösungsansatz ein…

Euer Michael von free-888.com