In der 243-«Euro Millions»-Hysterie

Franken: 243000000.– Man lasse sich diese Zahl ganz langsam auf der Zunge zergehen: Zweihundertdreiundvierzig Millionen! Fühlt sich gut an, nicht? Diese intergalaktische (oder je nach Sichtweise perverse) Summe wartet am Freitagabend auf einen Gewinner. Im Jackpot von «Euro Millions», dem in zehn Ländern gespielten Zahlenlotto. Zehn Ziehungen lang wurde der Pot nun nicht mehr geleert. Der tupfgenau richtige Tipp – das sind fünf aus fünfzig Zahlen und zwei aus neun Sternen – schenkt derart üppig ein, dass zumindest materielle Träume künftig kaum mehr Schäume sind.

Der allerste Lotto-Millionär der Schweiz war Spiezer. Was spricht dagegen, dass nicht auch der Nächste ein Spiezer ist? Nichts – und ich bin Spiezer. Doch getreu dem Motto «es gewinnen ja eh immer nur die anderen», kritzelte ich bis heut so gut wie nie die Geburtstagsdaten meiner Liebsten oder meine favorisierte Zahl (5) auf einen Lottoschein. Darum vorneweg ein ernstgemeintes «Sorry» an alle Stammspieler – den Anfängern soll das Glück ja sehr, sehr hold sein…

Am Bahnhof Thun, Kiosk Perron 1. «Alle wollen Millionär werden», lacht Geschäftsführerin Annette Grau im weissen Pulli herzhaft. Speziell in den letzten Tagen, seit der Jackpot mit 243 Millionen fett gefüttert ist. «Eine wahre Hysterie bricht aus, ja, das kann man so sagen», sagt sie. «Da spielen auch viele, die es sonst fast nie tun.» Was es über «Euro Millions» zu wissen gilt, lässt mich die Kioskfrau in kompetenter Manier wissen: ein Tipp kostet 3.20 Franken, Annahmeschluss ist freitags um 18.30 Uhr, Gewinne bis 1000 Franken (abzüglich den 35 Prozent Verrechnungssteuer ab 50 Franken) werden an jeder Lottostelle ausbezahlt (falls man eine «Winner-Card» für die Schnellauszahlung hat). Sonst ist bei 50 Stutz Bares Schluss. Alles klar? Alles klar!

Los gehts: Ich bin an diesem Vormittag bereits der Siebzehnte, der sein Zahlenglück bei Frau Grau versucht. «Der grosse Ansturm folgt aber noch», ist sie sicher. Willkürlich, bedacht, keine speziellen Zahlen zu wählen, kritzle ich gleich alle fünf Tipps auf meinem Schein an. «Macht 16 Franken», tönts hinterm Tresen hervor. «Ein Grossteil der Lotto-Kunden füllt alle fünf Tipps aus», ermutigt mich Annette Grau. Demonstrativ bläht sie ihre Backen auf, als ich sie frage, was sie mit den Jackpot-Millionen tun würde. «Pha…gute Frage. Sicher was spenden – für die armen Schweizer, solche gibt es leider viele.» Wir phantasieren über mögliche und unmögliche Verwendungsarten von 243 Millionen Fränkli-Batzen. Träumen ist erlaubt. Grau weiss aber, dass Geld allein nicht glücklich macht: «Der Portugiese, der als erster in der Schweiz bei Euro Millions gross abgeräumt hat, ist mit seinem Ferrari in eine Mauer gedonnert und hat sein Leben gelassen.»

Trotzdem: Die Millionen locken. So auch einen jüngeren Mann, der auf seinem Schein die letzte Ziehung checken lässt. Er habe sicher nichts gewonnen, meint er. «Doch! 14 Franken und 25 Rappen – zwei richtige Zahlen und ein richtiger Stern», entgegnet die Kioskfrau mit ehrlicher Freude in der Stimme. Wieso sollten also immer nur die anderen gewinnen…