Interview mit Dr. Martin Bahr – Rechtsanwalt und Dozent

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
E-Mail: info@isa-guide.de


Wir sprechen mit Managern, Direktoren, Aktionären und Persönlichkeiten aus der Spielbank- und Casinobranche. ISA-CASINOS hinterfragt Aktuelles und Interessantes für Sie.
Heute sprechen wir mit Dr. Martin Bahr, Rechtsanwalt (Gewerblicher Rechtsschutz und Gewinnspiel-Recht / Glücksspiel-Recht) und Dozent.

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr, ledig, 32 Jahre alt.
Geburtsort: Stade. Nach der dreijährigen praktischen Diplom-Ausbildung bei der Deutschen Telekom AG in den Jahren 1991 bis 1994 in Hamburg folgte der Zivildienst im umweltpädagogischen Bereich beim Bund für Umwelt und Naturschutz (Hamburg).
In den Jahren 1996 bis 1999 studierte der Anwalt an der Universität Göttingen und schloss dort mit dem 1. Staatsexamen ab. Er absolvierte zusätzlich den Rechtsstudiengang „Einführung in das japanische Zivilrecht“ an der FernUniversität Hagen. Von Anfang 2000 bis zum Sommer 2002 promovierte er am Lehrstuhl von Prof. Dr. Abbo Junker mit dem Titel „Missbrauch der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung im Bereich des Internet“. Seine Referendarausbildung erhielt er am LG Paderborn von 2000 bis Ende Oktober 2002.
Seit Anfang 2003 ist er zugelassener Rechtsanwalt in Hamburg mit den Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz und Gewinnspiel-Recht / Glücksspiel-Recht. Daneben ist er für mehrere Hamburger Bildungsträger als Dozent tätig. Herr Dr. Bahr spricht Englisch, Spanisch und Japanisch.

ISA-CASINOS, Chefredakteur, Reinhold Schmitt: Welche Funktion üben Sie aus?

Dr. Martin Bahr: Ich bin Gründungsmitglied der Kanzlei Heyms & Dr. Bahr und Rechtsanwalt in Hamburg.

ISA-CASINOS: Sind Sie noch in anderen Bereichen außer dem Online Casino Recht tätig?

Bahr: Ja. Die Rechtsgebiete, in denen ich tätig bin, sind das Recht der Neuen Medien, der Gewerbliche Rechtsschutz und das Gewinnspiel- und Glücksspiel-Recht. Häufig überschneiden sich diese Bereiche in der alltäglichen Praxis.

ISA-CASINOS: Wie kamen Sie zu der Sparte Online Casino Recht?

Bahr: Ich habe mich eigentlich schon immer privat von kleinauf an für den Bereich der Glücksspiele interessiert. Als kleiner Junge war ich fasziniert von dieser bunten Glitzerwelt. Es schien und scheint heute für mich immer noch eine eigene, kleine Welt zu sein.
Beruflich habe ich mich dem Glücksspielrecht, also auch dem Online Casino-Recht, von den Mehrwertdiensten (0190, 0137 usw.) her genähert. Damals ging es um telefonische Gewinnspiele mit Mehrwertdiensten und schnell kam die Frage auf, ob es sich um strafbares Glücksspiel handelt. Keiner der damaligen Juristen konnte oder wollte diese Frage beantworten. Das hat mich natürlich interessiert und gereizt. So bin ich immer tiefer in den Bereich des Glücksspielrechts eingestiegen.
Aufgrund meiner sowohl privaten als auch beruflich bezogenen Internet-Affinität ist es natürlich klar, dass Online Casino und die damit verbundenen rechtlichen Probleme einen nicht unerheblichen Teil meiner Tätigkeit ausmachen.

ISA-CASINOS: Gibt es für die Branche Online Casinos in naher/ferner Zukunft Aussichten, dass sie legalisiert werden?

Bahr: Es wird ja schon seit längerem gemunkelt, dass es von staatlicher Seite her demnächst bestimmte Online Casinos geben wird.
Für den privaten Bereich dagegen sehe ich – so wünschenswert dies auch wäre – rabenschwarz. Gerade der Sportwetten-Bereich und die aktuellen Ereignisse um die Gambelli-Entscheidung haben gezeigt, dass der Staat mit allen Mitteln sein Monopol verteidigt. Selbst wenn das Gambelli-Urteil auf längere Sicht etwas bewirken sollte, so gilt dies zunächst nur für die Sportwetten. Der Staat wird mit Löwenkrallen versuchen, seine anderweitigen Glücksspiel-Monopole zu behalten.

ISA-CASINOS: Wie sieht die Zukunft in Online Wetten aus?

Bahr: Die Globalisierung wird noch zunehmen. Der Riss in der Monopol-Mauer, den Gambelli hervorgerufen hat, wird sich ausweiten und letzten Endes dazu führen, dass das ganze deutsche Abschotten gegen ausländische Anbieter ad absurdum geführt wird.
Schon heute gibt es derartig zahlreiche Angebote im Netz, dass die deutschen Bemühungen Ordnung in die Sache zu bekommen, eher dem Mythos von Sysiphus ähneln denn irgendwelche sinnvollen Nutzen haben.
Das gleiche sehen wir auch in den USA: Gerade hat die WTO die USA verurteilt, dass diese auch ausländische Online Casinos zulassen. Auch hier versucht die USA sich abzuschotten, wird aber – wie Deutschland – auf lange Sicht Schiffbruch erleiden.
Das Internet – und damit auch die Online Wetten – sind halt ein internationales Medium.

ISA-CASINOS: Ist das Gambelli Urteil eine richtungsweisende Zukunft für Wettanbieter in Europa?

Bahr: Für mich ein klares Ja. Die deutsche Rechtsprechung dagegen ist sich noch relativ uneinig. So gibt es seit Gambelli zahlreiche Entscheidungen zugunsten privater Wettanbieter, aber genauso viele Entscheidungen dagegen.
Es werden wohl noch Jahre vergehen, bis man hier ein höchstrichterliches Urteil erwarten kann. Zwar hat sich der BGH (Urt. v. 1. April 2004 – Az.: I ZR 317/01) erst kürzlich knapp damit beschäftigt, aber dies war lediglich eine Randbemerkung. Und die hat das meiste offengelassen.
In jedem Fall hat Gambelli dazu geführt, dass in einem schon totgeglaubten Bereich die Karten neu gemischt werden.

ISA-CASINOS: Könnte die Rechtssprechung der Online Wettanbieter geändert werden und wenn ja wie?

Bahr: Auch private Anbieter mit einer ausländischen, europäischen Glücksspiel-Genehmigung müssen zum deutschen Markt zugelassen werden. Es ist insgesamt wenig glaubwürdig, wenn einerseits behauptet wird, der Staat wolle die Allgemeinheit vor der Spielsucht bewahren, andererseits aber Millionenbeträge für die Werbung der Oddset-Wetten ausgibt und entsprechende Gewinne einstreicht. Ich sehe daher keinerlei sachlichen Grund, dass nicht auch private Anbieter zugelassen werden, wenn sie bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen.

ISA-CASINOS: Sind Verlinkungen zu Online Casinos statthaft?

Bahr: Hier muss man zwischen zwei Konstellationen unterscheiden.
Einmal Online Casinos, die keine Lizenz eines europäisches Staats haben. Verlinke ich auf diese, mache ich mich strafbar und begehe zudem, wenn ich mich im geschäftlichen Verkehr bewege, eine wettbewerbswidrige Handlung, die kostenpflichtig abgemahnt werden kann.
Dann wären da noch die Online Casinos, die über eine ausländische Lizenz eines europäischen Staates verfügen. Hier ist – wie ich schon meinte – gerade ein Streit um diese Frage entbrannt.

ISA-CASINOS: Darf man Verlinkungen innerhalb Artikel oder Reportagen zu Online Casinos machen?

Bahr: Dazu gibt es eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urt. v. 1. April 2004 – Az.: I ZR 317/01). Die Zeitung „Die Welt“ berichtete über eine ausländische Glücksspiel-Anbieterin, deren Firma usw. Im Rahmen dieses Berichtes wurde auch die Homepage zweimal verlinkt. Der BGH hat hier unter ausdrücklicher Betonung der Pressefreiheit eine Haftung der Zeitschrift abgelehnt. Gleiches wird auch für sonstige Artikel und Reportagen gelten.
Erfreulich ist hierbei insbesondere, dass die Richter ausdrücklich betonen, dass eine sinnvolle Nutzung des Internets ohne den Einsatz von Links praktisch ausgeschlossen ist. Daher seien bei der rechtlichen Beurteilung die Besonderheiten dieses Mediums zu berücksichtigen.

ISA-CASINOS: Gibt es zur Zeit ihres Wissens nach Online Casinos in Deutschland oder in Europa?

Bahr: In Deutschland gibt es mW. z.Zt. keine legalen Angebote von Online Casinos. Auf europäischer Ebene ist der Markt nahezu unüberschaubar, zumal er sich ständig in Bewegung befindet und verändert.

ISA-CASINOS: Welche Wettanbieter sind legal in Europa zugelassen und dürfen auch dafür auf Webseiten oder in den Medien werben?

Bahr: Grob formuliert: Alle, die über eine entsprechende staatliche Genehmigung verfügen. Wobei hier strittig ist, ob es sich um eine nationale Lizenz handeln muss oder auch die eines anderen europäischen Staates ausreicht.

ISA-CASINOS: Sie schreiben mit großem Erfolg Publikationen für die ISA-CASINOS. Für welche Institutionen machen Sie das auch noch?

Bahr: Ich publiziere sowohl offline als auch online. Offline handelt es sich zumeist um fachbezogene Zeitschrift wie „Multimedia und Recht“, „Wettbewerb in Recht und Praxis“ oder „Computer und Recht“. Online dagegen ist der Kreis breiter gestreut, hier spreche ich bewusst auch eine Vielzahl von juristischen Laien an. Die Portale, auf denen ich veröffentliche, sind z.B. „Affiliate-und-Recht.de„, „DrWeb.de„, „Jurawelt.com“ oder „PC-Special.net„.

ISA-CASINOS: Könnten Sie sich vorstellen, dass die deutschen Casinos zusammen auf dem Online Markt ein gemeinsames Online Casino erstellen sollten, wenn es die Rechtslage zulässt?

Bahr: Angesichts der derzeitigen Rechtslage und aufgrund des Umstandes, dass mir z.Zt. kein legales deutsches Online Casino bekannt ist, kann ich mir das nur sehr schwer vorstellen.

ISA-CASINOS: Würden Sie eine Prognose wagen wie das Urteil beim BVerfG ausgehen wird?

Bahr: Das ist eine schwierige Frage.
Inhaltlich geht es ja insbesondere um die Frage der Vereinbarung der Berufsbeschränkungen mit Art. 12 GG. Insofern eine andere, wenn auch artverwandte Konstellation als Gambelli.
Ich persönlich halte die Verfassungsbeschwerde für durchaus nachvollziehbar, befürchte aber, dass das BVerfG sie ablehnen wird.

ISA-CASINOS: Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an amüsanten Begebenheiten während Ihrer Tätigkeit denken?

Bahr: Och, da fällt mir schon eine Menge ein, das fällt aber leider alles unter das anwaltliche Berufsgeheimnis.

ISA-CASINOS: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was fällt Ihnen mal abgesehen von Reichtum spontan ein?

Bahr: Gesundheit und persönliche Zufriedenheit für alle. Und dass jeder sich privat und beruflich so verwirklichen kann wie er möchte.

ISA-CASINOS: Wie sieht Ihr freizeitlicher Ausgleich aus?

Bahr: Ich lese sehr viel, sowohl Fachbücher als auch aus dem belletristischen Bereich. Und ich bin ein sehr, sehr neugieriger Mensch. Bei mir vereinen sich Privat- und Berufsleben sehr stark. Nicht nur die gesamte technische und gesellschaftliche Entwicklung in puncto Internet interessiert mich, sondern ich suche grundsätzlich einen interdisziplinären Ansatz. Neue Menschen und Dinge off- und online kennenzulernen, das macht für mich den besonderen Reiz aus.

ISA-CASINOS: Vielen Dank für das Gespräch.