Interview mit Gerhard Schmulder – Stellvertretender Leiter der Spielbank Wiesbaden

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
E-Mail: info@isa-guide.de


Wiesbaden, die Landeshauptstadt von Hessen, ist vielen auch als Geburtsstätte des ZDF bekannt. Der heute in Mainz ansässige Sender betrieb in seinen Anfängen auch in Wiesbaden einen Löwenteil seines Sendebetriebes.

Aber nicht nur der Medienriese machte Wiesbaden weit über ihre Grenzen hinaus bekannt, denn die freundliche Stadt, auch liebevoll „Nizza des Nordens“ genannt, beherbergt eine der ältesten deutschen Spielbanken. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts fanden sich gekrönte Häupter, Musiker und auch Literaten im Spielkasino Wiesbaden ein, um ihr Glück auf die Probe zu stellen. Aber auch die jüngere Vergangenheit stellt Highlight aus. In der jüngeren Vergangenheit gab sich die Prominenz die Klinke in die Hand: So durfte das Haus Richard Wagner, Elvis Presley, Mario Adorf und viele andere mehr begrüßen.

Heute entspricht das Haus modernsten Anforderungen und zeichnet sich insbesondere durch eine ungewöhnliche Harmonie zwischen historischer Architektur und neuester Technik aus.

Im Interview spricht ISA-CASINOS mit dem stellvertretenden Leiter der Spielbank, Gerhard Schmulder (53).

ISA-CASINOS. Chefredakteur, Reinhold Schmitt: Seit wann sind Sie in der Spielbranche?

Gerhard Schmulder: Schon als Student der Betriebswirtschaftslehre an der Uni Mannheim zog es mich vor 33 Jahren in die Spielbank: Trotz eindringlicher Warnungen meiner Großmutter („Spielbanken sind vom Teufel“) verdiente ich von 1970 bis 1976 meinen studentischen Lebensunterhalt als Aushilfscroupier in der Spielbank Bad Dürkheim, wo ich auch nach Beendigung des Studiums als festangestellter Croupier arbeitete. Als im Januar 1978 die Spielbank Hamburg eröffnete, war ich als Jungcroupier dabei. Als 13 Jahre später im Jahre 1991 die Konzession für die Spielbank Wiesbaden an die Konzessionäre der Spielbank Hamburg ging, wurde ich „nur für ein Jahr“ als Technischer Leiter nach Wiesbaden entsandt. Nach mittlerweile 12 Jahren in Wiesbaden habe ich diesen Schritt bis heute nie bereut, auch wenn es nicht immer ein Zuckerlecken war.

ISA-CASINOS: Welche Funktion üben Sie heute aus?

Schmulder: Meine offizielle Position ist stellvertretender Leiter der Spielbank.

ISA-CASINOS: Welche Spiele werden in ihren Häusern angeboten?

Schmulder: Im klassischen Spielbereich liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf dem Französischen Roulette, aber auch American Roulette und vor allem Roulite sind erstaunlich beliebt. Daneben „boomt“ zur Zeit Black-Jack und im Pokerbereich erleben wir gerade eine erfreuliche Renaissance. Ab April werden wir im Großen Spiel zusätzlich eine Novomatic Roulette-Insel mit „handgedrehtem“ Kessel anbieten.
In unserem erneuerten und erweiterten Automatenspiel bieten wir mit ca. 180 Automaten das komplette Sortiment incl. 18 Jackpots und einer Touch-Bet-Rouletteanlage mit 20 Stationen.

ISA-CASINOS: Ist Ihrer Ansicht nach eine Marktsättigung bei Casinos in Deutschland erreicht?

Schmulder: Wenn ein Markt als „gesättigt“ betrachtet werden kann, sobald die Angebotsmenge bei nicht mehr weiter senkbaren Preisen genau der Nachfrage entspricht, dann scheint der Spielbankmarkt in den meisten Regionen bereits vor der heute immer stärker spürbaren Rezession schon gesättigt gewesen zu sein, zumindest was den klassischen Spielbereich angeht. Bricht dann aber die Nachfrage bei unveränderter Angebotsmenge weg, was die Branche zur Zeit schmerzlich erleben muß, wird der Markt deutlich „übersättigt“, wenn ich das mal so unscharf formulieren darf. Gerade im sog. „Großen Spiel“ ist aber der notwendige Anpassungsprozess nicht beliebig nach unten fortsetzbar, weil ab einer bestimmten Größenordnung eine kritische Betriebsgröße erreicht ist, unterhalb derer sich die negativen Prozesse eher noch beschleunigen.
Im Automatenbereich dagegen sehe ich – bei allen Unwägbarkeiten hinsichtlich des Online-Gambling – immer noch leichtes Wachstumspotential, obwohl sich auch dort das Wachstumstempo spürbar verlangsamt hat.

ISA-CASINOS: Automatenspiele erlangen allein durch ihre technische Innovation immer größere Beliebtheit. Ist das klassische Spiel nicht mehr attraktiv?

Schmulder: Attraktivität bemißt sich immer an den Alternativen. Tatsächlich wird die Meßlatte durch das Automatenspiel immer höher gelegt, aber auch das Online-Spiel darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden. Wenn man jedoch das klassische Spiel nicht von vornherein als innovationsresistent betrachtet, eröffnen sich noch manche technische Potentiale. Wenn es darüber hinaus gelingt, den dann noch verbleibenden Vorsprung der Automatenspiele durch eine Steigerung der Dienstleistungs- und Wohlfühlqualität im klassischen Spiel zu kompensieren, braucht uns m.E. vor der Zukunft nicht bange zu sein. Die Vielzahl jüngerer Gäste in der Spielbank Wiesbaden vor allem am Wochenende scheint dies zu bestätigen.

ISA-CASINOS: Was halten sie vom Pokerspiel in den Spielbanken und welche Chancen räumen sie diesem Spiel weiter ein?

Schmulder: Das Pokerspiel innerhalb deutscher Casinos scheint sich ähnlich dem Baccara-Spiel auf einige wenige „Inseln“ zurückzuziehen. Die wirtschaftliche Bedeutung des Pokerangebotes hat sich für uns von Anfang an auf den Aspekt der Angebotsvielfalt beschränkt, deren positive Auswirkungen auf die anderen Spiele wir nur vermuten können. Solange Poker seine Dealer ernährt, werden wir es weiter anbieten.

ISA-CASINOS: Turniere sind ein attraktives Special. Sehen Sie weiteren Bedarf gerade beim Black-Jack?

Schmulder: Das Black-Jack-Spiel scheint bei uns zumindest zur Zeit keiner weiteren Promotion zu bedürfen, wir spielen täglich an bis zu 4 Tischen zum Teil bis nachts um 4.00 Uhr.

ISA-CASINOS: Die wirtschaftliche Lage in Deutschland erfährt derzeit einen Abwärtstrend. Inwieweit sind auch die Spielbanken betroffen?

Schmulder: Der alte Spruch, daß in schlechten Zeiten besonders viel gespielt wird, hat entweder noch nie gestimmt oder er stimmt zumindest heute nicht mehr.

ISA-CASINOS: Die Spielautomaten folgen Trends. Ist für Sie das stetige Anpassen an neuesten Generationen sinnvoll oder steht mehr die Spielgewohnheit im Vordergrund?

Schmulder: Wir müssen uns um beide Aspekte bemühen. Die Automatenhersteller versuchen, ähnlich wie Modehäuser, zukünftige Trends zu antizipieren. Dabei dürfte die Trefferquote in beiden Bereichen ähnlich sein. Unsere vorrangige Aufgabe ist es, den regionalen oder sogar den lokalen Trend zu erfassen, in der Regel gelingt uns das am besten mit Probestellungen von neuen Geräten.

ISA-CASINOS: Welche Konkurrenz empfinden Sie bei den Online-Spielbanken und welche Gefahr sehen Sie bei dieser Form des Glücksspiels?

Schmulder: „Empfinden“ ist zur Zeit der richtige Terminus, da wir nicht wissen, welche Marktanteile sich vom „Offline-Spiel“ zum Online-Spiel verschoben haben bzw. sich zukünftig noch verschieben werden. Wenn es jedoch stimmt, daß weltweit bereits 1.800 Online-Casinos um die Gunst der Spieler buhlen, ist es schon fast wieder beruhigend, daß es uns noch gibt. So vehement, wie befürchtet, scheint uns dieser modernste Marktteilnehmer doch nicht aus dem Markt zu drängen. Auf der anderen Seite sollten und wollen wir aber auch die Chance ergreifen, diesen neuen Markt unter „deutschen Verhältnissen“ mitzubedienen. Die Spielbank Wiesbaden steht diesbezüglich in den Startlöchern.

ISA-CASINOS: Gut geschultes Personal ist das Nonplusultra im Spielbank-Sektor. Wie sieht bei Ihnen die Aus- und Fortbildung der Beschäftigten aus?

Schmulder: Wir bilden unsere Croupiers seit vielen Jahren in allen Spielen selbst aus, stellen aber zusätzlich immer wieder auch Croupieranfänger aus anderen Banken ein. In beiden Fällen unterliegt die Aus- und Weiterbildung den Kriterien, wie sie in unserem Qualitätsmanagement-Handbuch niedergelegt sind.

ISA-CASINOS: Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an amüsanten Begebenheiten während Ihrer Tätigkeit denken?

Schmulder: Am schönsten fand ich die Geschichte von der jungen Frau, die im Automatenspiel mit sechs Euro Spielgeld gleich beim zweiten Spiel die Automatenaufsicht kommen ließ, weil ihr Automat blockierte und sie befürchtete, sie habe ihn kaputt gemacht. Auf die Erklärung des Mitarbeiters hin: „Gute Frau, sehen sie da oben diese sechsstellige Zahl? Das gehört alles ihnen,“ wäre sie fast in Ohnmacht gefallen vor Glück.

ISA-CASINOS: Immer mehr Spielbanken stellen sich auch dem Problem der Spielsucht und werden damit ihrem gesellschaftlichen Auftrag gerecht. Welche Aktivitäten unterstützen Sie diesbezüglich in Ihrem Unternehmen?

Schmulder: Wir fahren diesbezüglich seit langem dreigleisig: Zum einen bieten wir unseren Gästen an der Rezeption einen Flyer an, der dem Gast Hinweise zu einer möglicherweise bestehenden oder beginnenden Spielsucht durch die Beantwortung einer Reihe von Fragen gibt und der die Telefonnummer des Service-Telefons der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung enthält. Zum anderen nehmen wir jeden Hinweis auf mangelnde wirtschaftliche Verhältnisse von Betroffenen selbst oder aus deren sozialem Umfeld sehr ernst, indem wir in solchen Fällen unverzüglich eine Sperre aussprechen und diese solange aufrecht erhalten, bis uns anwaltliche oder notarielle Unbedenklichkeit bestätigt wurde. Darüber hinaus prüfen wir einmal im Jahr anhand einer Liste der überdurchschnittlich häufigen Besucher, ob sonstige Auffälligkeiten uns zu weiterführenden Maßnahmen zwingen.

ISA-CASINOS: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was fällt Ihnen mal abgesehen von Reichtum spontan ein?

Schmulder: Gesund bleiben, noch lange Spaß am Beruf haben und daß mir meine Frau und mein soziales Umfeld trotz meiner Arbeitszeiten weiterhin gewogen bleiben.

ISA-CASINOS: Sofern Sie schon länger im Spielbankbereich tätig sind: Wo liegen die markantesten Veränderungen?

Schmulder: Natürlich im Automatenbereich. Angesichts der Spielergebnisse erscheinen die Bezeichnungen „Großes Spiel“ und „Kleines Spiel“ geradezu paradox, zumindest aber obsolet.
Aber auch in der Art der Dienstleistung hat sich ein deutlicher Wandel vollzogen. Waren die Spielbanken früher quasi Monopolisten mit entsprechendem Verhalten des Personals, ist der Ton heute deutlich gästefreundlicher geworden.
Und geradezu als Quantensprung muß die Einführung der Videoüberwachung im Klassischen Spiel bezeichnet werden: Aus dem ehemals „doppelten Glücksspiel“, welches durch die beiden Fragen unserer Gäste „Habe ich gewonnen?“ und „Bekomme ich auch meinen Gewinn ausbezahlt?“ gekennzeichnet war, ist jetzt eine sichere Partie geworden.

ISA-CASINOS: Mit dem Begriff „Spielbanken“ und „Casinos“ verbinden die Konsumenten nicht nur das Ambiente, sondern auch das Glück des großen Gewinns. An welche großen Ausschüttungen, die Ihre Gäste erfahren haben, erinnern Sie sich?

Schmulder: Da sind natürlich die großen Jackpots im Automatenbereich, einer der letzten war mit 676.690,- EUR der zu diesem Zeitpunkt höchste Deutschlands.
Im klassischen Spiel, wo die Spielbank Wiesbaden seit Jahren die höchsten Maxima Deutschlands bietet, hat ein Gast im Dezember innerhalb einer Minute an zwei Tischen 339.000,- EUR gewonnen, ein anschließend viel diskutierter „Stundenlohn“.

ISA-CASINOS: Was zeichnet die Spielbank, für die Sie arbeiten, besonders aus?

Schmulder: Wir haben in der Spielbank Wiesbaden einen enorm kompakten Entscheidungsapparat. Wir haben Konzessionäre mit hoher Risiko- und Investitionsbereitschaft. Wir haben mittlerweile eine Belegschaft, die ein für unsere Branche überdurchschnittliches Innovationstempo bereitwillig und eigeninitiativ mitträgt. Und wir haben eine Aufsichtsbehörde, die schnell und unbürokratisch die notwendigen Veränderungen unterstützt. So konnten wir Projekte realisieren wie das patentierte und weltweit einmalige „Wiesbadener Superroulette“, bei dem ca. 12 mal am Tag nach dem Erklingen einer Fanfare alle Gewinne von Plein bis hinunter zur Transversale Simple doppelt, dreifach, vierfach oder gar fünffach bezahlt werden. Oder das in dieser Form auch einmalige und gebrauchsmustergeschützte „Roulite“, welches eine hervorragende Akzeptanz genießt. Ganz zu schweigen von dem „Großprojekt“ ISO-Zertifizierung.
Dieser Mix hat uns mittlerweile auf Platz 5 aller Deutschen Casinos geführt, einem Platz direkt hinter den „Großstadtbanken“ und auf Platz 1 im Rhein-Main-Gebiet.

ISA-CASINOS: Sehen Sie Möglichkeiten, die Attraktivität von Spielstätten zu erhöhen, auch durch Änderungen seitens des Gesetzgebers?

Schmulder: Da wir uns wegen der gestiegenen Mobilität unserer Klientel (Las Vegas läßt grüßen) und der Omnipräsenz des Internets immer mehr im internationalen Wettbewerb befinden, muß von Seiten des Gesetzgebers die weltweit einmalige „Erdrosselungssteuer“ von mittlerweile über 90 Prozent dringend angepasst werden. Als erster Schritt wäre die Absetzbarkeit der Kosten von dieser Abgabelast dringend geboten.
Des weiteren halte ich es nicht mehr für zeitgemäß und in hohem Maße dienstleistungsfeindlich, die Spielbank an bestimmten Tagen im Jahr geschlossen halten zu müssen.

ISA-CASINOS: Das Internet nimmt zwischenzeitlich einen bedeutsamen Raum im Informationsfluß für Konsumenten ein. Wie sehen hier Ihre Aktivitäten aus?

Schmulder: Anfang April werden wir unsere Homepage um die Bereitstellung der minutenaktuellen Permanenzen aller Roulettetische erweitern, so daß jeder Gast schon zu Hause sehen kann, ob heute seine Zahlen in der Spielbank Wiesbaden laufen.

ISA-CASINOS: Wie stehen Sie zum Online-Casino und würden Sie mit Ihrem Haus in diesem Bereich auch Aktivitäten anstreben?

Schmulder: Wir beabsichtigen, noch in diesem Sommer ein Online-Spielangebot ins Netz zu stellen, mit Life-Croupier nach dem Muster der Spielbank Hamburg.

ISA-CASINOS: Spielbanken und Casinos werden einerseits mit schillerndem Ambiente in Verbindung gebracht, andererseits führen Horrorgeschichten über Verluste in unvertretbarer Höhe bei den Besuchern zu negativen Eindrücken. Was müsste man Ihrer Meinung nach tun, um das Innenleben von Spielbanken und Casinos der Bevölkerung näher zu bringen?

Schmulder: Wir müssen diejenigen Erstbesucher, die an unserem Produkt interessiert sind, aktiv an die Hand nehmen und ihnen erklären, was wir „verkaufen“. In der Spielbank Wiesbaden werden Erstbesucher regelmäßig in ca. einstündigen „Kursen“ mit abschließendem kostenlosen „Mini-Turnier“ an die einzelnen Spiele heran geführt. Gleichzeitig vermitteln wir ihnen jedoch auch die Erkenntnis, daß Spielbanken nicht an Gästen interessiert sind, die sich um Kopf und Kragen spielen. Daß sich aber Erstbesucher mit den Worten verabschieden: „Sehr schönes Haus, aber was Sie verkaufen, habe ich nicht verstanden“, können wir uns heute nicht mehr erlauben.

ISA-CASINOS: Bis vor Jahren galt eine strenge Kleiderordnung beim Besuch von Spielbanken. Zwischenzeitlich gelockert legen aber trotzdem die meisten Häuser auch heute noch sehr viel Wert auf große Abendgarderobe. Wie sehen Sie dies?

Schmulder: „Große Abendgarderobe“ ist bei uns schon lange kein Thema mehr. Man ist zwar keineswegs „overdressed“, wenn man in dieser Aufmachung zu uns kommt, was ja häufig bei großen Bällen im Kurhaus der Fall ist, aber der Alltagsgast kommt eher in gepflegter Businesskleidung, im Sommer sogar erlaubterweise ohne Krawatte (!). Aber als wir bereits vor einigen Jahren gepflegte Jeans erlaubt haben, geriet das Weltbild so manches älteren Rezeptionisten doch arg ins Wanken.

ISA-CASINOS: Vielen Dank für das Gespräch.