EPT Budapest 2008 – Von Set Ups und Nachreibereien

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Es ist schon über 16 Jahre her, seit ich der ungarischen Hauptstadt einen Besuch abgestattet hatte. Allerdings war der damalige Aufenthalt nicht pokertechnischer Natur, sondern mein Ehrgeiz, mit einem Rennmotorrad möglichst schnell im Kreis zu fahren. Ein Lauf zur internationalen deutschen Meisterschaft fand auf dem nahe gelegenen Hungaroring statt und es war ganz klar, dass unser Team abends die Stadt unsicher machen musste. Die Erinnerungen sind eher bruchstückhaft aber trotzdem ziemlich gut, so dass ich auf die zum ersten Mal ausgetragene EPT hier in Budapest eine gewisse Vorfreude entwickelte.

Ich war schon einen Tag vor dem eigentlichen Start des Turniers angereist, da ich für 888 noch ein paar lokale Termine wahrnehmen sollte. Die Vorfreude erfuhr ihren ersten Dämpfer auf dem Weg mit dem Taxi vom Flughafen zum Hotel. Ein Fixpreis von 23 € war ausgemacht und im Voraus bezahlt, doch als wir am Hotel ankamen, versuchte der Fahrer nochmals neu zu verhandeln und diverse Aufschläge zu kassieren. Es blieb allerdings bei seinem Versuch und da ich Nachreibereien nicht ausstehen kann, gab es auch kein Trinkgeld. Mit frisierten Taxametern musste ich dann auf meinen Wegen durch die Stadt Bekanntschaft machen, wo die Hinfahrt zu meinem Termin ungefähr dreimal so teuer wie der Rückweg war, trotz identischem Zeit- und Streckenaufwand.

Krönung des Ganzen war allerdings die Abzocke im Sofitel Hotel, dem Austragungsort der EPT. Drei doppelte Espressi kosteten schlappe 20 € und als die Turnierleitung für eine der zweistündlich stattfindenden 15 Minuten Pausen ein spezielles Buffet für die geschätzten Pokerspieler ankündigte, hetzte ich im Eilschritt hin, um mir ein oder zwei Sandwiches zu genehmigen. Am Anfang des Buffets war eine unscheinbare Kasse aufgebaut und meine Bemühungen fanden ein abruptes Ende: Ungefähr 35 € wollte die junge Dame von mir haben und meine Lust auf ein Sandwich ließ spürbar nach.

O.K., Ungarn ist von der weltweiten Finanzkrise schon relativ früh getroffen worden und heftig am Rudern, aber die Annahme, dass rund 570 Pokerspieler das Bruttoinlandsprodukt wieder deutlich ins Plus verschieben würden, wenn man die Leute nur kräftig schröpft, halte ich auch für etwas übertrieben.

Aber wir sind ja zum Pokerspielen und nicht zum Sandwich essen hergekommen und daher werde ich den Rest meines Reiseberichts auch diesem Thema widmen. Ich startete an Tag 1B und fand mich an einem Tisch mit lauter unbekannten Gesichtern wieder, so dass erst einmal ruhiges Beobachten der Mitspieler angesagt war. Insgesamt startete die Action ziemlich loose-aggressive von der ersten Hand weg, wobei ich den Eindruck gewann, dass vier Mitspieler durchaus einen vernünftigen Plan von Nolimit Hold’em hatten, während vor allen Dingen zwei der zahlenmäßig stark vertretenen Italiener den Eindruck machten, gleichermaßen planlos wie unbekümmert durch die Hände irrten. Nach etwa 90 Minuten fing ich an, eine mehr aktive Rolle am Tisch zu übernehmen, schaute mir einige Flops an und konnte langsam, aber stetig mein Stack verdoppeln, ohne jemals mehr als 30 Prozent meiner Chips in einer einzigen Hand zu riskieren. Nach gut fünf Stunden hatte ich mit rund 30.000 Chips mein Stack verdreifacht und schielte schon mit einem Auge auf Tag 2.

Erste ungünstige Vorzeichen kündigten sich an, als ich innerhalb von 45 Minuten dreimal aufgrund des Tablebalance meinen Tisch wechseln musste. Ich fühle mich einfach nicht wohl, wenn ich keine Gelegenheit habe, meine neuen Mitspieler etwas besser kennen zu lernen. Am dritten Tisch finde ich nach fünf Minuten UTG A [key:card_hearts] K [key:card_clubs] und mache ein ganz normales Standardraise auf 1.200. MP2 und der Button callen beide. Der Flop kommt wunderschön mit A [key:card_clubs] K [key:card_hearts] 4 [key:card_clubs] daher, aber gegen 2 Mitspieler will ich mich ohne Position auf nichts einlassen, so dass ich gleich 3.500 anspiele. MP2 foldet und der Button callt. Am Turn erscheint die 3 [key:card_clubs] und nach meinem Check spielt der Button 6.000 an. Jetzt habe ich zusätzlich zu meinen zwei Paar auch noch den Nut-Flushdraw und ich überlege kurz, ob ich ein Reraise All-in veranstalten soll. Aber ich kenne den Gegner nicht und so entscheide ich mich für die vorsichtige Variante, nur zu callen. Der River bringt mit der 9 [key:card_diamonds] eine Blank und nach meinem Check spielt der Button 9.000 an. Er zeigt eine gewisse Schwäche, die auf keinen Fall geschauspielert war, ich entscheide mich zum Call trotz des möglichen Flush am Board. Der Tell von ihm war nicht verkehrt, er hat tatsächlich kein Kreuz auf der Hand. Aber die Pocket Vieren, die er umdreht, machen ihm ein Set welches meine Top 2 Paar natürlich auch schlägt.

8.500 blieben mir noch an Chips übrig, kein Grund, um die Ruhe zu verlieren. Aber wie so häufig nach solchen Set Ups, lief danach überhaupt nichts mehr und angesichts der nun doch schon beachtlichen Blinds im Verhältnis zu meinem Stack war ich wieder mal verurteilt, auf Hände zu warten. Mit Pocket 9s starte ich noch mal einen Raiseversuch preflop, bekomme einen Caller und als das Board 10 [key:card_diamonds] Q [key:card_diamonds] A [key:card_diamonds] bringt konnte ich mich auch schon geistig aus dieser Hand verabschieden. Im achten Level, mit 200/400 Blinds und 50 Ante, pushe ich schließlich meine restlichen 3.200 Chips All-in, als ich am Cut Off Pocket Deuces finde. Der Button überlegt kurz und callt mich mit A [key:card_clubs] 4 [key:card_diamonds]. Der Flop gibt mir einige Hoffnung mit Q [key:card_clubs] 3 [key:card_diamonds] Q [key:card_hearts]. Die Turnkarte 10 [key:card_hearts] vergrößert die Hoffnung noch etwas, aber der River bringt mit der 3 [key:card_clubs] das zweite Paar auf dem Board und ich kann meine Zweier sauer kochen.

Aber meine herbstliche Pokertour hat ja gerade erst angefangen, am Montag geht es dann weiter nach London, wo ich die 888 Poker Open spielen werde. Es gibt viel zu tun – warten wir es ab!

Euer Michael von free-888.com