Wetten per Telefon – Eine Branche wartet auf Deregulierung in einem boomenden Markt

Telefonwetten per WAP-/Java-Anwendung

von Jens Leinert

Das Wetten auf Sportergebnisse erfreut sich in Deutschland einer immer größeren Beliebtheit: Nach einer Studie des Kölner Instituts Sport + Markt sollen rund 7 Millionen Bundesbürger bereits aktive Wetter sein, gar 10,4 Millionen interessieren sich für Wettangebote. Besonderes Potenzial bieten in diesem Markt mobil zu nutzende Wetten.

Anbieter von mobilen Wetten und Glücksspielen setzen darauf, dass Wettfreunde auch von unterwegs oder vor Ort bei entsprechenden Events auf ihre Favoriten setzen wollen.

Doch wie soll das funktionieren, wenn man gerade unterwegs zum Stadion ist und schnell noch auf seinen Verein tippen will?

Derzeit müssen mobile Wettfreunde ihr Handy dazu auf eine WAP-Anwendung einstellen oder die entsprechende Java-Anwendung runterladen und installieren. Einer der Vorreiter für das mobile WAP-Portal ist dabei der Anbieter Betandwin, der unter wap.betandwin.com sein Wettangebot anbietet. Für registrierte Nutzer aus Österreich, Italien und Spanien bietet Betandwin auch eine Wettabgabe per SMS. Per SMSAnforderung „navigiert“ der Spieler durch das Angebot und wählt seine gewünschte Spielpaarung aus und versendet seinen Einsatz. Das Versenden von Gewinnmitteilungen
per SMS ist mittlerweile eine Grundfunktion der meisten Sportwetten-Anbieter im Internet.

Von der Zielgruppe verlangt dies fortgeschrittene Kenntnisse in der Bedienung internetfähiger Handys – wer schon mal versucht hat, seine eMails per Handy einzusehen, weiß, dass dies nicht trivial ist – und auch viele Wettinteressenten, die nicht so technikaffin sind , werden sich damit nicht auseinander setzen wollen.

Aktuelle SMS-Angebote findet man bisher lediglich in Form einer Gewinnspielteilnahme bei Quizsendungen. Per Premium-SMS kann aus verschiedenen Antwortmöglichkeiten gewählt werden und aus allen eingegangenen richtigen Antworten, wird dann der Gewinner ermittelt. Eine Vorab-Registrierung ist für eine Teilnahme nicht erforderlich und eine Bezahlung für die Teilnahme erfolgt als Premium-SMS über die Telefonrechnung.

Neben den Gewinnspielen sucht man interessante Wettangebote per Premium-SMS oder Premium-Call bisher vergeblich. Der ausgeschüttete Anteil an den Anbieter ist bisher zu gering, um Wettangebote mit attraktiven Gewinnquoten anbieten zu können.

Telefonwetten im Call Center

Viel einfacher ist es, einfach bei einem Wettanbieter anzurufen und zu sagen: „Ich wette 50,- € auf den Sieg von Bayern München“. Doch das erfordert auf Seiten des Wettanbieters den Betrieb eines Call Centers möglichst rund um die Uhr – das treibt die Kosten und senkt die Quoten. Ein solches Angebot bietet Anfang Februar der Anbieter Sportwetten.de AG für den Bereich der Pferdewetten an. Die Ausweitung dieses Angebots auf den gesamten
Sportwettenbereich erfolgt im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Telefonwetten per Sprachcomputer

Mittlerweile ist es jedoch möglich, Call Center für die Annahme von Wetten vollständig zu automatisieren und durch einen Sprachcomputer abwickeln zu lassen. Dies wurde eindrucksvoll demonstriert beim VOICE Contest auf dem VOICE Day (http://www.voiceday.de) in Bonn.
Beim VOICE Contest hatten die Teilnehmer fünf Tage Zeit, um eine Wettapplikation als sprachgesteuertes Info- und Wett-Portal zur Fußball-WM 2006 zu entwickeln. Im Rahmen der Aufgabenstellung wurde die Zusammensetzung von zwei Spielgruppen à vier Mannschaften getroffen, in denen bereits Zweidrittel der Spiele abgeschlossen sind. Zusätzlich wurden für die ausstehenden vier Begegnungen Quoten für eine Tendenzwette (1-0-2) bzw. für die Voraussage des exakten Ergebnisses gestellt. Optional konnte auch eine Langzeitwette auf den Weltmeistertitel mit angeboten werden. Die Spieler können sich zur Teilnahme mit der individuellen Handynummer autorisieren und sich mit der PINEingabe 4711 legitimieren. Das Aufladen des Spielkontos konnte über eine selbst ausgedachte sechzehnstellige Kreditkartennummer erfolgen, deren Legitimität über den CVC-Code 452 geprüft autorisiert werden sollte.

Die Spieler konnte nach der Einwahl in das Sprachportal folgende Transaktionen per Sprachbefehl steuern:

– Platzierung einer Fußball-Wette auf ein bestimmtes Spiel unter Angabe des Wett-Types und des Einsatzes
– Abfrage von Spielplänen
– Abfrage von Gruppen und deren Teilnehmern
– Abfrage von Spielergebnissen aus vergangenen Spielen
– Abfrage & Aufladen des eigenen Kontostandes
– Bestätigung der Wette (inklusive Einsatz und Quote) via SMS
– Aufladen des Kontostandes per Kreditkarte – allerdings ohne „echte“ Kreditkartenvalidierung

An diesem Wettstreit haben neben internationalen Branchengrößen wie Nortel auch etablierte Spezialisten wie Sikom, Sympalog und voice robots sowie der innovative Newcomer auratech teilgenommen. Auch wenn innerhalb der kurzen Zeit nur Demoanwendungen realisiert werden konnten, so beeindruckt doch die hohe Funktionalität der einzelnen Anwendungen.

Die Möglichkeit, Wettangebote durch Sprachtechnologie zu automatisieren, bietet Wettanbietern ganz neue Möglichkeiten – hinsichtlich der Größe der erreichbaren Zielgruppen ebenso wie hinsichtlich der Quoten, die durch die niedrigeren Kosten einer automatisierten Lösung natürlich höher ausfallen als beim Anruf im Call Center des Wettanbieters. Denn die Demoanwendungen zeigen, dass das Erkennen, Verstehen und Verarbeiten menschlicher Äußerungen, also die Spracherkennung und das synthetische Erzeugen von Antworten in überzeugender, natürlicher Qualität, technisch ausgereift ist.
Die Zeiten langweiliger Tastatur- und Sprachbefehle sind vorbei. Während man aus anderen sprachgesteuerten Informationsportalen noch die Eingabe von Zahlen per Telefontastatur gewohnt ist, konnten die hier vorgeführten Anwendungen selbst Genuschel und Dialekte einwandfrei erkennen. Der frei gesprochene Satz: „Ich möchte zwanzig Euro auf Argentinien setzen“ wurde von der Spracherkennung ohne Probleme als eine Siegwette im nächsten Spiel, mit einem Einsatz von 20,- € auf Argentinien interpretiert. Und so konnten auch Informationen nach dem gegebenen Spielplan abgerufen oder die Quotenabfrage oder das Aufladen des Spielkontos per Kreditkarte einwandfrei per Sprachsteuerung durchgeführt werden.

Die vorgeführten Anwendungen bildeten die Anforderungen von Wettanbietern an automatisierte Wettannahmestellen eins zu eins ab. Für Wettanbieter ergeben sich daraus neue Geschäftsmöglichkeiten: Die Entwicklung eines marktfähigen Systems ist bereits für unter 200.000,- € zu realisieren. Von da an liegen die Transaktionskosten nach aktuellen Studien bei durchschnittlich 50 ct. Gute Sprachcomputer haben Fallbschlussraten von über 90 Prozent; die Kundenakzeptanz liegt laut aktuellen Studien bei über 70 Prozent.

Insbesondere ältere Menschen tun sich nachweislich leichter mit der Bedienung von Sprachanwendungen als beispielsweise mit Internet-Anwendungen. Bei der Realisierung guter Sprachanwendungen werden auf Basis eines Storyboards durch einen professionellen Sprecher die wichtigen statischen Ansagen (Willkommen, Systeminfo, Angebotsbeschreibung etc.) gesprochen. Dynamische Inhalte wie Quoten oder Ergebnisse werden per Sprachsynthese umgesetzt.

Die Anwendung greift auf die gleichen Technologien und Backends zurück, mit denen die Quoten, Zahlen und Statistiken für die Webseiten aktualisiert werden. So ermöglichen Sprachdialogsysteme innerhalb kurzer Zeit, viele – wenn auch vorbereitete – Dialoge zu führen und Spitzenlasten effizient zu
verarbeiten. Sie können wenige Minuten vor dem Anpfiff eines Fußballspiels sogar noch eine Erinnerungs-SMS mit eingebauter Rückrufnummer verschicken und somit auch Spontanwetten initiieren.

Die Ansagen, synthetische wie aufgenommene, können dabei nach Tageszeiten, Stammkunden oder Alter variieren und zu einer individuellen, personalisierten Kundenansprache modifiziert werden. Die Systeme sind hoch interaktiv und erlauben den Wettkunden das ‚Springen’ in andere Menübereiche. Auch können Stammkunden auf Basis ihrer Wetthistorie präferierte Wetten direkt angeboten werden. In ausgeklügelten Audiowelten, die auch Stars sprechen können (wie beim sprachgesteuerten Lukas-Podolski-Gewinnspiel des 1.FC Köln) entsteht für den Anrufer eine intensive Erlebniswelt mit hohem Unterhaltungscharakter und konkurrenzlos günstigen Kosten bei breitem Angebot. Der größte Vorteil aber ist: sprachgesteuerte Wettangebote sind von vornherein barrierefrei.

An der neuentfachten Spielleidenschaft per Handy wollen – rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr – nun auch die Fernsehsender teilhaben. Bei den großen Privatsendern Pro Sieben, Sat.1 und RTL liegen bereits Konzepte für interaktive Wettangebote in den Schubladen. Dabei bildet das Handy den interaktiven Rückkanal für die angepriesenen Wetten. Auch das Münchner Unternehmen EM.TV mit dem Sparten-Sportsender DSF sowie der Bezahlkanal Premiere haben sportbegeisterte Zuschauer als Wettkandidaten im Visier. „Wir erachten den Bereich Sportwetten als attraktives Thema
mit hohem Umsatz- und Renditepotential“, sagt Werner Klatten, Vorstandschef von EM.TV.

Der Bezahlkanal Premiere Win soll nach Premiere-Chef Georg Kofler „eine Topmarke im Wettgeschäft schaffen“ – und bis 2008 jedes Jahr Wettumsätze von einer Milliarde Euro vermitteln. Fünf bis fünfzehn Prozent an Provisionen könnten dabei für seinen eigenen Sender rausspringen.

„Der Zuschauer darf keine intellektuellen Eintrittsbarrieren haben“, sagt Wolfgang Reiter, der den Wettkanal für Premiere entwickelt hat: „Solange das Programm unterhaltsam ist, ist es völlig egal, ob man Lottokugeln rollen oder Pferde im Kreis rennen lässt.“

Schnell und schlicht also muss es sein: Der Wetteinsatz wird per Telefon oder Mausklick übermittelt.

Seit Startschuss haben sich laut Senderangaben bereits 50 000 Premiere-Kunden zur Registrierung animieren lassen. Die Umsätze sind drei- bis viermal so hoch wie erwartet.
Anfang des zweiten Quartals 2006 sollen erste Gewinne abfallen. Zur Fußball-WM will der Münchner Bezahlkanal seine Kunden dann mit einer interaktiven Technologie beglücken, die das Wetten per Knopfdruck sogar auf der heimischen Fernbedienung möglich macht.

Als Vorbilder dienen den deutschen Sendern interaktive TV-Kanäle im europäischen Ausland. Der französische Wettanbieter PMU etwa machte 2004 knapp 80 Millionen Euro Umsatz mit interaktiven TV-Wetten. Skybet, die Zocker-Tochter des britischen Senders BSkyB, erwirtschaftete im vergangenen Jahr 380 Millionen Euro mit Wetten.

Mit Blick auf den zu erwartenden Fall des Staatsmonopols im April, werden etablierte Wettanbieter und Fernsehsender zur Abrundung ihres Serviceumfanges und zum Ausbau ihrer Zielgruppen das Abschließen von Wetten per Telefon anbieten.

An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass der telefonische Abschluss von Wetten – auch durch Einsatz von Sprachcomputern – den Regelungen zum E-Commerce unterworfen ist. Das heißt insbesondere, dass die umfangreichen Informationspflichten zu beachten sind, die etwa nach dem Fernabsatzrecht greifen.

Das automatisierte Vorlesen von Texten wie etwa den allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt technisch kein Problem dar und kann auch verbrauchergerecht umgesetzt werden. Für den Anbieter ist eine rechtlich einwandfreie Umsetzung unverzichtbar, denn sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam in den Wettvertrag mit einbezogen, droht nicht nur das Risiko einer Abmahnung, sondern auch die Nichtigkeit des vom Anbieter entworfenen Regelwerkes.

Das kann dann teuer werden, wenn der Anbieter beispielsweise bei Sportwetten für ungewöhnliche Spielverläufe Sonderregelungen getroffen hat. Diese Regelungen sind dann unwirksam, werden also im Falle eines Rechtsstreits nicht angewendet. Sollte durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters Klarheit geschaffen werden, herrscht stattdessen Unklarheit über den Ausgang sämtlicher telefonisch abgeschlossener Wetten. Es lässt sich leicht ausmalen, welche finanziellen Risiken damit verbunden sind.