Zur Entscheidung des Bezirksgerichts Breda vom 2.12.2005

Die Auseinandersetzung um die rechtliche Zulässigkeit von in privater Trägerschaft veranstalteten Sportwetten in der Bundesrepublik Deutschland wird weiter kontrovers geführt, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Während die Strafgerichte mittlerweile in der deutlich überwiegenden Anzahl davon ausgehen, dass im grenzüberschreitenden Verkehr aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen eine Anwendung der §§ 284 ff. StGB nicht in Betracht käme, nimmt die herrschende wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung einen konträren Standpunkt ein und erklärt außerhalb des staatlichen Monopols veranstaltete Sportwetten für wettbewerbswidrig, weil diese gegen §§ 284 ff. StGB verstießen. Im Bereich des öffentlichen Sicherheitsrechts ist ein gewisser Stillstand zu erkennen, seitdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. April dieses Jahres (Az.: 1 BvR 223/05) hohe Hürden für die sofortige Vollziehbarkeit einer entsprechenden Untersagungsverfügung aufgestellt hatte. Ob die angekündigte Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch Klarheit hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Streitpunkte schaffen wird, erscheint fraglich, zumal das Bundesverfassungsgericht sich mit unmittelbar gemeinschaftsrechtlichen Fragestellungen nicht befasst. Ankündigungen der Europäischen Kommission, gegen die Glücksspielmonopole verschiedener Mitgliedstaaten, unter ihnen auch die Bundesrepublik Deutschland, vorzugehen, wurden bislang nicht umgesetzt.

In anderen Mitgliedstaaten, in denen die Veranstaltung von Oddset-Sportwetten ebenfalls kraft Gesetzes in staatlicher Hand liegt, existieren ähnliche Debatten. Dabei weisen die Befürworter zugunsten des jeweiligen Bundeslandes in dessen Staatsgebiet bestehenden Monopols oftmals darauf hin, dass ähnlich ausgestaltete ausländische Staatsmonopole von den dort zuständigen Gerichten regelmäßig bestätigt würden. Hierbei berufen sich sowohl die Sicherheitsbehörden als auch Prozessvertreter der Lotteriegesellschaften häufig auf niederländische Rechtsprechung, insbesondere das Urteil des Obersten Gerichtshofs der Niederlande vom 18. Februar 2005 (Az.: C03/306HR), in dem einem britischen Buchmacherunternehmen der Marktauftritt in den Niederlanden untersagt wurde.

Eine aktuelle Entscheidung des Bezirksgerichts Breda vom 02. Dezember 2005, die das niederländische Glücksspielmonopol für mit primärem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erachtet, sorgt allerdings für erhebliches Aufsehen und könnte für die Niederlande womöglich eine ähnliche Bedeutung erlangen wie seinerzeit der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 09. Februar 2004 (Az.: 2 G 2399/03) für die Bundesrepublik Deutschland.

Diese Aufsehen erregende Entscheidung des Bezirksgerichts Breda kommentiert der Amsterdamer Rechtsanwalt Polo van der Putt (Lovells):

1. Am 02. Dezember 2005 entschied das Bezirksgericht Breda über den Rechtsstreit zwischen der „Compagnie Financière Régionale B.V.„(„CFR“) (diese wurde von dem französischen Kasinoriesen „Tranchant“ unterstützt) einer- sowie den Ministerien für Justiz und Wirtschaft andererseits.

2. CFR hatte eine Lizenz zur Eröffnung eines Kasinos in Bergen op Zoom beantragt. Unter Verweis auf das zugunsten von „Holland Kasino“ bestehende Monopol wurde dieser Antrag abgelehnt. Das Gericht hob die Entscheidung, die beantragte Genehmigung nicht zu erteilen auf, weil es die Entscheidung für nicht genügend begründet erachtete. Das Gericht zog vielmehr in Erwägung, dass die Ministerien nicht dargetan hätten, dass ihre Casinopolitik systematisch und kohärent wäre.

3. Das Gericht in Breda verfolgt im Verhältnis zu anderen niederländischen Gerichten einen vollkommen unterschiedlichen Ansatz. Bislang hatten niederländische Alleinlizenzinhaber (vor allem „de Lotto“) gegen ausländische Veranstalter in verschiedenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes obsiegt. Außerdem erstritt „de Lotto“ die erste einschlägige Hauptsacheentscheidung, namentlich das Urteil des Gerichtshofs in Arnheim vom 31. August 2005, in der „Ladbrokes“ aufgegeben wurde, seine Internetpräsenz für Personen, die sich im Staatsgebiet der Niederlande aufhalten, zu sperren. Hierbei sollte man sich in Erinnerung rufen, dass der Arnheimer Gerichtshof in seiner Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 02. Juni 2004 in gleicher Angelegenheit bestimmt hatte, dass die Marktpräsenz der niederländischen Alleinlizenzinhaber ein derartiges Ausmaß erreiche, dass er, der Gerichtshof, an keine kohärente und systematische Politik zur Eindämmung des Glücksspiels glaubte. Der Gerichtshof entschied dann im vorläufigen Verfahren, dass der Ausschluss von Sportwettdienstleistern aus anderen EU-Mitgliedstaaten den EG-Vertrag verletze. Diese Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zog einige politische Aufruhr nach sich und veranlasste den Minister dazu zu behaupten, er verfolge eine Politik der Eindämmung des Glücksspiels. Ungeachtet der politischen Debatte entschied der Gerichtshof in Arnheim in seiner Hauptsacheentscheidung überraschenderweise völlig anders als er es noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes getan hatte. Die Arnheimer Richter gingen mit einem Mal davon aus, dass ihnen nur ein sehr eingeschränkter Prüfungsspielraum zur Verfügung stehe und dass sie aus diesen Gründen die Ausführungen des Ministers als zutreffend erachten müssten. Deshalb urteilte der Gerichtshof, dass die niederländische Glücksspielpolitik auf eine Einschränkung des Glücksspiels ausgerichtet sei.

4. Das Bezirksgericht Breda hält das Monopol zur Veranstaltung von Kasinospielen, welches sich aus dem niederländischen Glücksspielgesetz ergibt, für eine Beschränkung der durch Art. 49 EG garantierten Dienstleistungsfreiheit. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Gambelli führt das Gericht aus, dass es zu ermitteln habe, ob der Ausschluss von CFR verhältnismäßig sei, das heißt es gelte zu prüfen, ob die niederländische Politik systematisch und kohärent das Ziel der Beschränkung von Kasinos verfolge.

5. Das Gericht stellt zunächst fest, dass Holland Casino seine Kasinos während der vergangenen Jahre in aggressiver Art und Weise beworben habe. Kürzlich hat der Justizminister Holland Casino zwar dazu veranlasst, das Sponsoring der niederländischen Ehrendivision (Anm.: Höchste Spielklasse im niederländischen Fußball, deren offizielle Bezeichnung „Holland Casino Eredivisie“ lautet) einzustellen, was nach Auffassung des Ministers verdeutliche, dass die niederländische Glücksspielpolitik auf Eindämmung des Spielwesen bedacht sei. Im Hinblick auf diese „kosmetische“ Maßnahme ist das Gericht jedoch der Ansicht, dass, selbst wenn von der Beendigung dieses Vertrages eine verminderte Präsenz von Holland Casino in Gesellschaft und Medien zu erwarten sei, sich die weitere Frage stelle, in welchem Umfang und in welcher Zeitspanne die Auswirkungen – insbesondere die Ankurbelung der Nachfrage – nachlassen werden, die während des Zeitraums starker Wahrnehmbarkeit von Holland Casino in Gesellschaft und Medien angepeilt und umgesetzt wurden.

6. Obwohl das Gericht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Lindman nicht ausdrücklich erwähnt, stellt er ausdrücklich fest, dass die Minister ihre Argumente näher darlegen und entsprechende Nachweise beibringen müssen. In Absatz 2.11 führt das Gericht aus:

„Wenn die Beklagten glaubwürdige Stellungnahmen hinsichtlich der positiven Auswirkungen ihrer Politik auf besagte Haupt- und Nebenzwecke (Kanalisierung des Spieltriebs, Verbraucherschutz und Schutz vor kriminellen Machenschaften) abgeben wollen um dadurch auf die Frage zu antworten, ob ein kohärentes und systematisches Gefüge im Sinne des Absatzes 67 des Urteils in der Rechtssache Gambelli gegeben ist, so ist es nach Auffassung des Gerichts von großer Wichtigkeit, die Auswirkungen der politischen Entscheidungen der Beklagten – und zwar sowohl aktives Handeln als auch passives Nichteinschreiten – über (beispielsweise) Bewerbung oder die Ausweitung der Anzahl staatlich konzessionierter Kasinos auf Haupt- und Nebenzwecke regelmäßig zu überwachen.“

Das Gericht stellt sodann fest, dass es die Minister verabsäumt haben, jeglichen überzeugenden tatsächlichen Nachweis beizubringen, der ihren Standpunkt hätte belegen können.

7. In Absatz 2.12 stellt das Gericht mit klaren Worten fest, dass die Minister bei einer erneuten Überprüfung des Genehmigungsantrags nicht darauf werden verweisen können, ihre Politik sei systematisch und kohärent (i) und dass die Anwendung des niederländischen Glücksspielgesetzes zu Lasten von CFR eine Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften darstellte (ii), weshalb dieses Gesetz nicht zu Lasten von CFR angewandt werden darf.

8. Das Urteil aus Breda greift eindeutig die ursprüngliche Linie wieder auf. In Übereinstimmung mit der vorläufigen Entscheidung des Gerichts in Arnheim vom 02. Juni 2004, liefert das Gericht in Breda bei derzeitigem Sachstand Buchmachern aus anderen EU-Mitgliedstaaten starke Argumente dafür, dass sie ihre Dienstleistungen legal an in Holland ansässige Personen anbieten können. Solange es der niederländische Staat seinen Monopolunternehmen gestattet, in solch großem Ausmaß als Wirtschaftsunternehmen aufzutreten und darüber hinaus kein Nachweis für die Effizienz der niederländischen Politik im Sinne einer Beschränkung des Glücksspielwesens existiert, können Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen werden.

9. Niederländische Gerichte haben mit dem Recht der Sportwetten sicherlich zu kämpfen. In naher Zukunft wird eine Hauptsacheentscheidung des Gerichtshofs in Den Haag in einem von de Lotto gegen ausländische Wettunternehmen angestrengten Verfahren erwartet. Auch Ladbrokes hat gegen die Entscheidung vom 31. August diese Jahres zwischenzeitlich Rechtsmittel eingelegt. Es wird sich also in nächster Zeit zeigen, ob niederländische Gerichte dem jüngsten Ansatz des Gerichts in Breda folgen oder ob sie sich dem Arnheimer Gericht anschließen. Womöglich ist auch eine abermalige Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erforderlich, um endgültige Klarheit darüber zu erlangen, wie das Gemeinschaftsrecht anzuwenden ist.“

Advocaat Polo van der Putt
Lovells
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