Go North: Faber-Lotto erwägt Umzug nach Schleswig-Holstein – Rechtssicherheit in Sachen Glücksspiel spricht für den Norden

Bochum/Kiel. Auch auf der Konferenz der Ministerpräsidenten Ende Oktober in Lübeck ist nicht der große Durchbruch in Sachen Glücksspielstaatsvertrag gelungen. Im Vergleich zum Entwurf aus dem April dieses Jahres, der zunächst bei Wettanbietern für Unmut gesorgt hatte und später von der EU-Kommission kassiert wurde, wollen die Bundesländer nun 20 statt sieben Lizenzen vergeben. Auch die vorgesehene Konzessionsabgabe von fünf Prozent ist niedriger als im Frühjahrsentwurf.

Einige Verbände und Wettanbieter hatten die Lübecker Ergebnisse zwar als „Schritt in die richtige Richtung“ gelobt, doch es gibt auch zahlreiche Stimmen, die auf massive Nachbesserungen dringen. Namhafte Experten bemängeln insbesondere, dass die Lizenzen noch immer auf Sportwettenanbieter beschränkt sein sollen. Zudem dürfte eine Steuer auf Spieleinsätze ein wirtschaftlich tragfähiges und attraktives Angebot erschweren. Die Kritiker sind sich einig: Auch der neue Entwurf trägt den Kernkritikpunkten der EU-Kommission nicht Rechnung. Daher dürfte auch der neue Vertrag, dem alle Bundesländer außer Schleswig-Holstein zugestimmt haben, zum Scheitern verurteilt sein.

Mit dem schleswig-holsteinischen Modell steht bereits eine Alternative im Raum, die den „Segen“ der EU-Kommission schon erhalten hat. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hatte im September nämlich Fakten geschaffen und ein Gesetz verabschiedet, das eine liberale Öffnung des Glücksspielmarktes anstrebt und eine vergleichsweise geringe Steuer von 20 Prozent auf den Rohertrag des Lizenznehmers vorsieht. Außerdem hat Kiel in seinem Gesetz dem tatsächlichen Spielverhalten der Nutzer Rechnung getragen und erlaubt Online-Poker und Online-Live-Wetten, da diese von der Community stark nachgefragt werden. So wird die EU Kommission beim so genannten E-15 Modell nachfragen, warum man nicht – wie in Dänemark, Italien, Frankreich und nun Schleswig-Holstein geschehen – auch den „Graumarkt“ Online-Poker durch eine positive Regulierung beseitigen möchte.

Auch wenn die übrigen Landespolitiker dem Modell aus Schleswig-Holstein (noch) ablehnend gegenüber stehen, stößt es in der Branche auf breite Akzeptanz. Für einen medialen Paukenschlag sorgte beispielsweise Norman Faber von Faber-Lotto (http://www.faber.de, der in der WDR-Sendung „Lokalzeit Ruhr“ am 31. Oktober öffentlich ankündigte, ein eigenständiges Unternehmen in Schleswig-Holstein gründen zu wollen. Er prüfe sogar eine Verlagerung des Unternehmenssitzes von Bochum nach Schleswig-Holstein.

„Damit geht es für Schleswig-Holstein um bis zu 370 Arbeitsplätze“, begrüßte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der schleswig-holsteinischen CDU, Hans-Jörn Arp, die öffentlichen Äußerungen Fabers. Während Faber, der sein Lebenswerk aufgrund der derzeitigen restriktiven Gesetzeslage gefährdet sieht, gegenüber dem Onlineportal „Der Westen“ (http://www.derwesten.de die langsamen Entscheidungsprozesse und bürokratischen Hemmnisse in Nordrhein-Westfalen kritisierte, will man in Kiel schnell Nägel mit Köpfen machen. So kündigten Arp und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki an, sie würden sich noch am Freitag (04.11.2011) mit Vertretern des Deutschen Lottoverbandes (http://www.deutscherlottoverband.de und Norman Faber selbst treffen wollen, um Einzelheiten der möglichen Ansiedlungen zu besprechen. An Rhein und Ruhr sieht es derweil etwas anders aus. „Um in allen Bundesländern tätig zu werden, benötige ich in Nordrhein-Westfalen 34 Genehmigungen“, beklagte Faber, dessen Unternehmenszentrale (noch) in Bochum ihren Sitz hat. Seiner Ansicht nach ist das „Lübecker“ Modell – also die Einigung der 15 Ministerpräsidenten von Ende Oktober – „extrem rechtswidrig“. Es bedeutet aus seiner Sicht das Aus für die Lottovermittlung. Großes Interesse scheint die NRW-Staatskanzlei jedenfalls nicht daran zu haben, das Unternehmen im größten Bundesland zu halten. „Wir haben unsere guten Argumente dargelegt, aber es ist nichts passiert“, so Faber über seine Erfahrungen mit der Düsseldorfer Landesregierung.

FDP-Mann Kubicki freut sich hingegen, dass „unsere klare Orientierung am europarechtlichen Rahmen“ sich zunehmend auszahle. Schleswig-Holstein sei das einzige Bundesland, in dem 2012 Rechtssicherheit in Sachen Glücksspiel herrschen werde. Und Rechtssicherheit, so Brancheninsider, ist ein entscheidendes Argument für unternehmerische Entscheidungen. Daher seien die „Abwanderungspläne“ von Bochum in den hohen Norden nicht abwegig. Nach Kenntnis von CDU und FDP in Schleswig-Holstein ist Faber der bisher größte Arbeitgeber, der aufgrund der Rechtssicherheit in puncto Glücksspiel eine Ansiedlung im eigenen Bundesland in Erwägung zieht.

„Gleichzeitig zeigt das auch, dass es um seriöse Firmen geht, die seit Jahrzehnten in Deutschland Arbeitgeber, Steuerzahler und Sponsoren im Kulturbereich sind und denen durch den geltenden Glücksspielstaatsvertrag die Geschäftsgrundlage zerstört wurde“, betonten Arp und Kubicki. Ob Faber hingegen sein bürgerschaftliches Engagement in Bochum aufgrund der unbeweglichen Haltung der NRW-Landesregierung aufrechterhalten könne, wollte er gegenüber „Der Westen“ noch nicht beantworten. Schließlich hatte er ursprünglich eine Millionen schwere Unterstützung des geplanten Konzerthauses in der westfälischen Großstadt erwogen. Und so könnte die unsichere Gesetzeslage in den übrigen 15 Bundesländern in Zukunft vielleicht nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen haben, weil Unternehmen die Rechts- und Planungssicherheit in Schleswig-Holstein vorziehen könnten. Auch das bürgerschaftliche Engagement könnte sich in Richtung Norden verlagern. Ob die 15 Ministerpräsidenten es sich leisten werden, in Sachen Glücksspielrecht weiterhin auf eine restriktive Gesetzgebung und das Eindämmen unternehmerischer und bürgerschaftlicher Aktivitäten setzen zu können, wird die Zukunft zeigen. Schleswig-Holstein hat aufgrund seines Gesetzes im Standortwettbewerb mit den übrigen Ländern jedenfalls gute Karten.