Einer wie „Keiner“ in Vegas

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Impressionen von der World Series of Poker 2006 Teil 2

Die WSOP Turniere

Bis einschließlich 27.Juli fanden über 40 WSOP Turniere in den verschiedensten Pokerdisziplinen statt, bei denen es jeweils das heiß begehrte Bracelet zu gewinnen gab, verbunden mit dem Recht, sich Pokerweltmeister nennen zu dürfen. Dass es ganz nebenbei noch Preisgelder für den Sieger bis in die Millionenbeträge zu gewinnen gab, ist wohl nur nebenbei erwähnenswert.

Erwartungsgemäß und dem allgemeinen Trend folgend, waren alle No Limit Holdem Turnier sehr stark frequentiert. Die mehr als 2.700 Spieler des Eröffnungsevents sollten mehr als einmal in den Folgeveranstaltungen bestätigt werden. Etwas weniger Teilnehmer verbuchten die Pot Limit Turniere. Da es sich bei den Besuchern immer noch zum größten Teil um amerikanische Onlinespieler handelte, ist dieser Trend völlig verständlich. Viele der Internetkids wollen sich absolut keine Gedanken darüber machen, wie sie ein Board möglichst geschickt spielen, sondern lieber am Besten schon vor dem Flop das Tablestake „all-in“ stellen und weitere Überlegungen dem Mitspieler überlassen. Diese Taktik klappt natürlich ganz phantastisch bei allen No Limit Varianten, während beim Pot Limit durch die Begrenzung der Einsatzhöhe die Unterbringung aller Chips preflop schon rein technisch auf Schwierigkeiten stößt.

Deutlich weniger Teilnehmer, aber immer noch mehrere hundert Spieler pro Turnier, verzeichneten die weiteren Pokervarianten wie Omaha, 7 card stud, sowie deren Hi/Lo 8 or better Varianten, Razz, Deuce to Seven u.s.w.. Diese Pokervarianten beanspruchen wesentlich ausgefeiltere technische Strategien und setzen grundsätzlich eine langjährige Praxis voraus. Aber selbst diese Hypothese wurde bei der diesjährigen WSOP auf den Kopf gestellt. Bestes Beispiel ist ein 21jährger Amerikaner, Jeff Madson aus Los Angeles. Er hatte gerade einen Monat vor Beginn der WSOP die Altersgrenze von 21 Jahren erreicht und lieh sich von seinen Eltern und ein paar Freunden ein paar tausend Dollar. Derart ausgestattet, begab er sich schnurstracks ins RIO, um sich in den erstbesten Event, nämlich Omaha Hi/Lo am 5. Juli einzukaufen und wurde, ohne jede Erfahrung auf Anhieb Dritter. Freudig nahm er sein Preisgeld in Höhe von über 97.000 US$ entgegen und spielte ein WSOP Turnier nach dem anderen. Am 16. Juli gewann er schließlich das No Limit Holdem Turnier als jüngster Sieger in der Geschichte der World Series. Aber es kommt noch besser: Am 22. Juli wiederholte er das Kunststück und gewann das short handed NLH Turnier. Er setzte noch eins drauf und wurde im 7 card stud Hi/Lo Turnier am 26. Juli Dritter von 788 Teilnehmern, obwohl er diese Pokervariante noch nie vorher gespielt hatte. Er konnte sich insgesamt über Preisgelder in Höhe von 1,467 Millionen US$ ein und gleichzeitig den Sieg in der Over all Wertung. Ob Jeff Madson wirklich das größte Pokergenie dieses Universums ist oder ob der junge Mann auf dem Lauf seines Lebens war, wird nur die Zukunft zeigen können.

Vorwiegend aus taktischen Überlegungen heraus entschloss ich mich dieses Jahr auf Einsätze bei No Limit Holdem Turnieren gänzlich zu verzichten und mich verstärkt auf die Pot Limit Turniere und Hi/Lo Spiele zu konzentrieren. Ohne Sponsorvertrag und mit nur bescheidenem Budget unterwegs, suchte ich mir insgesamt 6 Turniere, aus, bei denen ich einen Schuss wagen wollte. Aber bei der diesjährigen WSOP war einfach kein Platz in den Geschichtsbüchern für mich vorgesehen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren konnte ich mich kein einziges Mal unter den Top 20 platzieren, zweimal, beim Razz und beim 7 card Stud Hi/Lo scheiterte ich knapp am Einzug in die Geldränge.

Die Ergebnisse der deutschsprachigen Teilnehmer fielen insgesamt eher bescheiden aus. George Danzer aus München, Dritter bei der Heads up Weltmeisterschaft im Mai in Barcelona, erreichte bei einem Pot Limit Holdem Turnier eine Platzierung im Geld. Einziger Lichtblick aus deutscher Sicht war Katja Thater aus Hamburg. Sie reiste bereits als „sponsored“ Player nach Las Vegas und schaffte es bei 2 Turnieren „in the money“. Ihr Sponsor war insgesamt von ihrer Leistung und ihrem Auftreten völlig hingerissen und noch während der WSOP wurde sie als offizielles Mitglied in das Team Pokerstars aufgenommen.

Das H.O.R.S.E. Turnier

Über die Vielzahl der veranstalteten Einzelbewerbe hier ausführlich zu berichten, würde völlig den Rahmen sprengen. Ein Turnier verdient allerdings eine besondere Erwähnung: Es handelt sich um H.O.R.S.E. Auch wenn der Name dies suggeriert, hat es absolut nichts mit Pferden zu tun. H.O.R.S.E. steht für eine mixed game Variante, bei der in enger zeitlicher Reihenfolge wechselnd Limit Holdem, Omaha Hi/Lo, Razz, 7 card Stud High und 7 card Stud Hi/Lo ausgetragen werden. Der Finaltisch wurde dann gänzlich in No Limit Holdem gespielt.

Das Buy-in für die Teilnahme betrug sagenhafte 50,000 US$ und so fanden sich auch nur 143 Spieler bereit, diese Summe auf den Tisch zu legen. Die Namensliste der 143 liest sich allerdings wie das „Who is who“ der Pokerwelt. Unter den Teilnehmern war kein einziger deutschsprachiger, insgesamt fanden überhaupt nur wenige Europäer ihren Weg in das Turnier, unter Ihnen aber so klangvolle Namen wie Ram Vaswani, Rob Hollink und Patrik Antonius. Die Spieler starteten dem Buy-in entsprechend mit 50,000 Chips und die Struktur war so gemächlich gestaltet, dass an Tag 1 nur 16 Teilnehmer das Feld räumen mussten. Die verbliebenen 127 trafen sich am nächsten Tag um 14 Uhr wieder und kämpften bis 10 Uhr morgens des Folgetages, bis schließlich die 9 Finalisten feststanden. Als einziger Europäer überlebte der Schwede Patrick Antonius, Topstar der European Poker Tour in der vergangenen Saison. Unter den letzten 9 ebenfalls Doyle Brunson, Phil Ivey, T.J. Clouthier und Andy Bloch. Letzterer verlor dann den Kampf ums Bracelet und dem ersten Preis von knapp 1,5 Millionen US$ gegen Chip Reeze. Reeze ist ein langjähriger Weggefährte und enger Freund von Doyle Brunsen und mit ihm gemeinsam in den höchsten Partien der Stadt zu finden, dafür aber sonst kaum in der Teilnehmerliste irgendwelcher Turniere. Offensichtlich hat ihn die spezielle Struktur dieses Events derart gereizt, dass er seinen eigenen Prinzipien untreu wurde. Wie man sieht, mit Erfolg!

(Teil 3 dieser Miniserie ist dann dem Main Event gewidmet. Der vorliegende Artikel ist in Printform auch im deutschen Pokermagazin nachzulesen.)

Euer Michael