Gedanken zum Slowplay

Michael Keiner
Poker-Experte
E-Mail: laserase@aol.com


Die Pokerolymp Open im Casino Schenefeld waren sicher eine Reise wert. Nicht ohne Grund hat Andreas Krause einmal die Turnierserie als das schönste deutsche Pokerfestival bezeichnet. Leider fand der diesjährige Event ohne ihn statt. Andi war schon auf dem Weg nach Los Angeles, wo er sein Glück bei der WPT versuchen will.

Warum ich ausgerechnet ihn an dieser Stelle erwähne, hat einen ganz besonderen Grund. Andreas hat mir vor ein paar Monaten einmal anvertraut, dass er Pocket Asse in einem Nolimit Holdem Turnier grundsätzlich „slow“ spielt. 18 Mal in Folge sei es gut gegangen und er hätte jedes Mal einen Monsterpot damit gewonnen. Danach sei es aber fünfmal in Folge schief gegangen und er fand sich als extremer Shortstack oder eben an der Rail wieder. Nun, ganz so „grundsätzlich“ sehe ich die Sache nicht. Slowplay ist sicher ein hochwirksames Tool, wenn man den richtigen Spot findet. Slowplay setzt das richtige Timing und den besonderen Gegner voraus, eignet sich nur für ganz bestimmte Turnierphasen und Stacksizes. Vor Allem aber gilt: Slowplay ist stets mit erheblichen Risiken verbunden!

Während der Turnierreihe in Schenefeld versuchte ich zweimal ein echtes Slowplay und bin beide Male damit ganz übel auf die Schnauze gefallen. Beide Situationen ähneln sich sehr, was die Turnierphase und meinen Stack betreffen und in beiden Situationen war ich bereit, ein besonderes Risiko einzugehen, um mir mein Ticket für den Finaltisch zu erspielen.

Im ersten Turnier nimmt zwei Positionen rechts von mir Alex Jalali (ehem. dt. Pokermeister und Gewinner des Main Events Amsterdam 2006) Platz. Alex ist reichlich short mit Chips und im typischen Push or Fold Modus. Etliche Male sammelt er die Blinds ein, wird einmal aufgedoppelt von einem Mutigen, der sein All in gecallt hat und innerhalb kürzester Zeit ist er plötzlich im Average. Wir sind jetzt noch 31 von ehemals 110 Spielern und Alex versucht, sein Momentum auszunutzen und das Kommando am Tisch zu übernehmen. Kaum eine Hand, in der er in später Position nicht openraist und spätestens mit seiner obligatorischen Coninuation Bet kann er den Pot einsammeln. Dann passiert es: Alex macht erneut ein Openraise am Button und ich finde im Big Blind Pocket Könige. Natürlich könnte ich hier relativ leicht den Pot mit einem Reraise einsammeln, aber stattdessen bin ich gierig auf seine Chips und calle nur. Dabei ist mir bewusst, dass ich die Hand aufgeben muss, wenn ein As im Flop kommt und Alex Stärke zeigt. Das Risiko nehme ich gerne in Kauf. Der Flop kommt mit 7 [key:card_hearts] 10 [key:card_hearts] J [key:card_spades] zwar etwas drawlastig daher, aber in Erwartung seiner Conti-Bet checke ich mit der Intention, ihn kräftig zu raisen. Entgegen seiner normalen Spielweise tut er mir jedoch nicht den Gefallen und checkt behind. Hat er etwa ein Monster getroffen und will ebenfalls ein Slowplay ansetzen? Hat er einen guten Draw und nimmt gerne die Freikarte für den Turn? Als der Turn die 3 [key:card_hearts] bringt, muss ich mir Klarheit verschaffen und spiele 4.000 in den etwa 6.000 Chips zählenden Pot an. Alex callt relativ zügig und jetzt setze ich ihn wirklich auf einen Draw. Der River bringt die 10 [key:card_clubs], an sich eine sehr gute Karte für mich. Das erscheint mir als ideale Gelegenheit, um einen Bluff zu induzieren. Ich checke und er spielt 15.000 an, was ziemlich genau meinem All in entspricht. Ich bin mir so sicher, dass er an dieser Stelle blufft und schiebe nach 2 bis 3 Sekunden meine Chips in die Mitte. Etwas fassungslos sehe ich seine Hand: Er dreht A [key:card_hearts] 10 [key:card_diamonds] um. Meine Idee mit dem Draw war schon korrekt, aber Alex hat die „Nebenlösung“ getroffen. Mit der geriverten 10 macht Alex einen Drilling. Meine Könige wandern in den Muck und ich an die Rail. Ich habe ihm niemals die 10 gegeben, da er den Flop gecheckt hat.

Eine ähnliche Situation ergibt sich beim 800.- € Event. Es sind noch etwa 35 von ehemals 104 Spielern übrig, ich bin ungefähr im Average und openraise in mittlerer Position Pocket 7 auf den dreifachen Big Blind. Der Button sowie der Big Blind callen. Der Flop kommt für mich perfekt herunter. 7 [key:card_hearts] 3 [key:card_clubs] 2 [key:card_diamonds]. Zu meiner eigenen Überraschung spielt der Big Blind ein Bet in Höhe des halben Pots. Wieder entscheide ich mich für ein Slowplay und calle nur. Der Button foldet und als der Turn die 5 [key:card_spades] bringt, spielt mein Gegner erneut an. Jetzt denke ich etwas länger nach. In vielen Stunden aufmerksamer Beobachtung hat sich mein Gegner nicht ohne Grund das Prädikat „tight“ absolut verdient. Also scheidet 6× 4x aus, was ihm die Straight geben würde. Ein Pocket Paar erscheint mir am Wahrscheinlichsten, vielleicht auch mit Nebenlösungen wie 4× 4x oder 6× 6x. Also gibt es erneut nur ein Call von mir. Der River bringt zu allem Überfluss eine 4 und als er erneut halben Pot anspielt, calle ich zugegebenermaßen ziemlich angewidert mit meinem Topset. Ich hoffe auf einen kleineren Drilling, erwarte aber eigentlich eine 6 in seiner Hand, die ihm die Straight beschert. Im Showdown zeigt er 6× 5x offsuit, eine Hand, die ich niemals bei ihm vermutet hätte, weil er preflop das Raise bezahlt hatte.

Mit „Pech“ haben beide Situationen nur wenig zu tun. Ich bin überzeugt davon, dass ich in beiden Fällen die Hand mit entsprechender Stärke und Aggressivität ohne Showdown auf dem Flop hätte gewinnen können. Der eigentliche Fehler lag darin, dass beide Spieler eine Reaktion zeigten, die nicht in das von mir angelegte Profil der Spieler passte. Die Logik eines Zuges oder der Ausschluss einer möglichen Kartenkombination beim Gegner ergibt sich immer aus der Historie einer Hand in Verbindung mit dem Profil des Gegenübers. Wenn es hier zu „Überraschungen“ kommt, liegt es meist nicht an unglücklichen Umständen, sondern an den besonders hohen Risiken des Slowplays, wenn man zugleich den Mitspieler fehlerhaft beurteilt. Ich werde auch in Zukunft weiterhin meine Spots für das Slowplay suchen, denn ohne diese „zusätzlichen“ Chips ist es richtig schwer, einen Finaltisch nicht als Shortstack zu erreichen. Und wir wollen ja um den Sieg spielen, oder? Aber dabei kommt es auf das richtige Timing in Verbindung mit einer sehr präzisen Einschätzung des gegnerischen Spielstils an.

Eine gute Menschenkenntnis wünscht Euch

Euer Michael von free-888.com