LAPT Rio: Julien einfach „magic“

Nach zwei Mammut-Tagen mit jeweils 13 (!) Stunden Action an den Pokertischen lief der Finaltag bei der PokerStars Latin American Pokertour LAPT im Hotel Intercontinental Rio de Janeiro vergleichsweise im Rekordtempo ab. Nach exakt sechs Stunden war das bislang größte Pokerturnier auf brasilianischem Boden Geschichte. Mit dem 19-jährigen Julien Nuijten aus Amsterdam, der sich im Heads-up gegen den gebürtigen Russen Vitaly Kovyazin (lebt seit langem in New York) durchsetzen konnte, wurde ein würdiger Champion gefunden. Nuijten – ein ehemaliger Weltmeister im Kartenspiel „Magic The Gathering“ (USD 50.000 Prämie für den damals 15-Jährigen!) – der den Finaltisch als Chipleader geentert hatte, war mit einem knappen Vorsprung (1.740.000 Chips zu 1.400.000) in das Heads-up gegangen und hatte sich Stück für Stück nach vorn gearbeitet. In der finalen Hand hielt Julien , sein Kontrahent QHerz 5Pik. Der Flop war für beide Spieler hochinteressant: 7Karo 7Pik QPik. Julien spielte nur leicht an, der Russe feuerte ein Reraise ab, was der Holländer mit einem sofortigen All-in beantwortete. Vitaly callte. Turn (2Pik) und River (AKaro) waren ohne Bedeutung.

Der 19-Jährige, ein guter Freund von Pro Noah Boeken, sicherte sich damit die stattliche Siegprämie von USD 222.940, dem Unterlegenen bleiben immerhin noch USD 117.750, wobei der brasilianische Staat jeweils – wie berichtet – 15 Prozent Steueranteil einbehält.

Ausgezeichnet war das Abschneiden der deutschen Teilnehmer: Gleich vier landeten im Geld, zwei von ihnen, Nikolai Senninger aus Lindau und der in Rio lebende Hamburger Oliver Sascha Kugler, erreichten sogar den Finaltisch! Der erst 18-jährige Nikolai erreichte einen hervorragenden dritten Platz. Der junge PokerStars-Qualifikant bewies bei seinem ersten Liveturnier Nerven wie Brückenpfeiler. Zum Beispiel callte er mit J 7 ein kräftiges Raise des Holländers Nuijten, als nur Blanks auf dem Board lagen – um unglaublicherweise auf Turn und River noch J 7 zu finden. Nikolais lapidarer Kommentar: „Der hat die ganze Zeit ununterbrochen geraist, das wollte ich mir halt mal anschauen.“
USD 86.350 (minus 15 Prozent Steuern) bedeuteten einen verdienten Lohn für soviel Chuzpe. Auch Nikolais Bruder Sascha – vom Youngster einfach mal eben nach Rio eingeladen – freute sich mit dem „Kleinen“. Trotz der fetten Beute will Nikolai, der erst kürzlich die Realschule abgebrochen hatte, demnächst wieder den Pennälerstatus wiederherstellen. Die lieben Eltern, die von seinem Rio-Trip ohnehin nicht sehr begeistert waren, werden aufatmen…

Glücklich war auch Oliver Sascha Kugler. Der 36-Jährige aus Hamburg, der bereits seit vier Jahren in Rio lebt und an der Copacabana als Sprachlehrer (Deutsch, Englisch, Portugiesisch) arbeitet, hatte mit beeindruckender Ruhe seinen Stiefel heruntergespielt und dank seines hervorragenden Tableimages manchen Pot gestohlen. Der sechste Platz und USD 31.400 (minus 15 Prozent …) waren der gerechte Lohn für sein tightes und durchdachtes Spiel. „Wenn man bedenkt, dass ich mich praktisch für lau auf PokerStars für diesen Event qualifiziert hatte, dann kann sich das Ergebnis schon sehen lassen“, kommentierte der coole Norddeutsche seinen Erfolg – und ging erst mal zum Abendessen. Vorsicht, Hamburg: Im Juli will Oliver mal wieder in der Heimat aufkreuzen und dabei ausgedehnte Besuche in Schenefeld und in der Esplanade unternehmen. Die Bankroll gibt ja nun einiges her…

Das gute deutsche Abschneiden komplettierten Frank Ewald aus Freiburg als 32. (USD 5.495) und Andreas Rieger aus Stuttgart als 14. (USD 8.635). Insgesamt hatten elf Teilnehmer aus unseren Breiten an dem Turnier teilgenommen. Ziemlich gerupft wurde das Team PokerStars Pro: Von neun angetretenen Mitgliedern erreichte nur der New Yorker Victor Ramdin die Geldränge. Illustre Namen wie Chris Moneymaker, Greg Raymer, Vanessa Rousso, Isabelle Mercier, Humberto Brenes, André Akkari, Chad Brown und Gavin Griffin landeten allesamt unter „ferner liefen“.

Die Premiere der LAPT kann unter dem Strich als vollauf gelungen bezeichnet werden. Die Location im riesigen Hotel Intercontinental war schlichtweg ideal, die Organisation annähernd perfekt. Über ein paar Anfangsschwierigkeiten sollte man großzügig hinwegsehen: So passierte es durchaus schon mal, dass dem ein oder anderen Dealer die Karten aus der Hand rutschten, obwohl bereits Bets auf dem Tisch lagen. Die eifrigen Floormanager schafften solche kleinen Problemchen aber schnell und unbürokratisch aus der Welt. Die internationale Pokerpresse hatte zuweilen mit arg langsamen oder öfters mal unterbrochenen Internetanbindungen zu kämpfen, aber letztlich kann so etwas in – sagen wir – Wanne-Eickel ja auch mal passieren.

Insgesamt ein sehr schöner Event, der Appetit auf mehr gemacht hat. Lange müssen wir ja nicht warten: In ziemlich genau 16 Tagen zieht der Poker-Tross nach Costa Rica weiter, um dort das zweite Turnier der LAPT zu sehen. Und dann geht die Saison ja erst richtig los: Ende Mai startet mit der WSOP in Las Vegas der mit großer Sicherheit aufregendste Teil des Pokerjahres.