Anfang November fand im Juridicum der Universität Wien auf Initiative von Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer und Lektor Dr. Walter Schwartz, Rechtsanwalt in Wien, ein hochkarätiges und in den Medien vielbeachtetes Symposion statt, bei dem ausgewiesene internationale Fachexperten zum Thema „Glücksspiel ohne Grenzen“ Fragen des Glücksspielrechts in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie europarechtliche Implikationen erörterten. Übereinstimmend kamen dabei die Referenten zur Schlussfolgerung, dass auf Grundlage der im Europäischen Wirtschaftsraum geltenden Grundfreiheiten, des Europäischen Kartellrechts, der jüngsten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes sowie der Initiative der Europäischen Kommission, eine Dienstleistungsrichtlinie zu erlassen, bestehende nationale Abschottungen der Glücksspielmärkte mittelfristig nicht mehr aufrecht erhalten, sondern gemeinschaftskonform auszugestalten sein werden.
Der Rechtsanwalt und Experte für internationales Glücksspielrecht sowie Vorstandsvorsitzende der Novomatic AG, Dr. Franz Wohlfahrt, plädierte in seinem Schlussvortrag für eine Harmonisierung der nationalen Glücksspielordnungen auf europäischer Ebene in Form einer eigenen Glücksspielrichtlinie. ISA-CASINOS führte aus Anlass dieser international beachteten Veranstaltung mit Dr. Wohlfahrt das nachfolgende Gespräch über die Frage – „Europäisches Glücksspiel auf dem Weg zur Harmonisierung?“.
ISA-CASINOS, Chefredakteur, Reinhold Schmitt: Worauf führen sie jüngsten Diskussionen auf europäischer Ebene zurück?
Dr. Franz Wohlfahrt: Die Glücksspielmärkte in Europa fristeten über Jahrzehnte ein auf den jeweiligen Mitgliedsstaat beschränktes Eigenleben und fungierten – vielfach als Monopole ausgestaltet – primär als Mittel zur Generierung von Einnahmen für die öffentlichen Haushalte. Die technischen Errungenschaften der letzten Jahre, vor allem das Internet, haben diese Situation jedoch dramatisch geändert, da erstmals Glücksspiele in großem Stil rasch und unkompliziert grenzüberschreitend abgewickelt werden können. Die national abgeschotteten Marktteilnehmer sind erstmals in ihrer Geschichte dabei dem Wettbewerb sowohl durch Glücksspielanbieter innerhalb als auch außerhalb der EU ausgesetzt und versuchen mit allen Mitteln, die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten.
ISA-CASINOS: Können ausländische Anbieter nicht vom Markzutritt in Europa ausgeschlossen werden?
Wohlfahrt: Die Funktionen des Internets, insbesondere des World Wide Web, sind ihrem Wesen nach auf eine weltweite Distribution angelegt. Es gibt keine effiziente technische Möglichkeit, ausländische Internetanbieter am Markteintritt zu hindern. Zudem gibt es auch keine wirksamen Kontrollmaßnahmen, inländische User von der Teilnahme an ausländischen Internetglücksspielen auszuschließen.
ISA-CASINOS: Wie ist die geltende Rechtslage innerhalb der EU?
Wohlfahrt: Glücksspielaktivitäten, wie etwa die Durchführung von Lotterien, Casino- oder Automatenspiele stellen Dienstleistungen im Sinn des Gemeinschaftsrechts dar. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem richtungsweisenden Urteil „Gambelli“ klargestellt, dass die grenzüberschreitende Durchführung solcher Dienstleistungen nur aus zwingenden, im Allgemeininteresse liegenden, Gründen behindert werden darf. Dienen etwa ein Monopol oder ein kartellrechtlich bedenkliches Oligopol nicht wirklich ordnungspolitischen Zielsetzungen, wie etwa dem Schutz vor Kriminalität oder dem Verbraucherschutz, sondern primär fiskalischen Interessen und wird zudem das nationale Glücksspielangebot stetig durch weitere Spiele ausgeweitet und der Spieltrieb der Bevölkerung mit massiver Bewerbung angeheizt, dann sind solche Beschränkungen nach Ansicht des Gerichtshofes nicht gerechtfertigt und müssen aufgehoben werden.
ISA-CASINOS: Wer hat für die Einhaltung dieser Kriterien zu sorgen?
Wohlfahrt: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass ihre nationalen Glücksspielordnungen gemeinschaftskonform ausgestaltet werden. Sollte dies nicht der Fall sein, hat die Kommission den betreffenden Staat unter Androhung einer Vertragsverletzungsklage aufzufordern, seine Rechtslage zu ändern. Die Kommission prüft bereits solche Verfahren gegen mehrere Mitgliedsstaaten. Letztlich entscheidet aber der Europäische Gerichtshof darüber, wie das Gemeinschaftsrecht auf nationale Sachverhalte auszulegen ist.
ISA-CASINOS: Gibt es bereits gerichtliche Auseinandersetzungen?
Wohlfahrt: Der juristische Kampf um die Marktanteile in Europa ist bereits voll ausgebrochen. In Deutschland oder der Niederlanden etwa sind bereits zahlreiche Prozesse zwischen den bisherigen Monopolbetreibern und privaten Anbietern im Gange. Dabei herrscht große Rechtsunsicherheit, da die Gerichte völlig unterschiedlich (einmal für die Aufrechterhaltung des Status quo, einmal für die freie Dienstleistungsfreiheit) entscheiden. Da es um Marktanteile und somit um viel Geld geht, ist ein Ende dieser Auseinandersetzungen nicht in Sicht.
ISA-CASINOS: Sehen Sie einen Ausweg aus dieser Situation?
Wohlfahrt: Die vernünftigste Lösung besteht darin, das Glücksspielrecht – wie dies bereits für andere monopolisierte Bereiche in der EU längst geschehen ist – gemeinschaftsweit mittels einer eigenen Glücksspielrichtlinie zu harmonisieren. Dabei wären die höchsten ordnungspolitischen Standards, wie insbesondere eine strenge Lizenzierung der Anbieter, die Einrichtung eigener Aufsichtsbehörden („Gaming Boards“), die Einhaltung transparenter Vergaberichtlinien für Konzessionen sowie eine einheitliche Besteuerung, sicherzustellen.
ISA-CASINOS: Wann könnte eine solche Lösung umgesetzt werden?
Wohlfahrt: Die Mitgliedsstaaten müssen erst mit der Tatsache umgehen lernen, dass die Aufrechterhaltung national abgeschotteter Glücksspielmärkte aus rechtlichen und faktischen Gründen keinesfalls mehr möglich ist und jedes Beharren auf dem status quo in Wahrheit die bestehenden Marktanteile zu Gunsten ausländischer Internetanbieter weiter verschieben wird. Ich erwarte, dass die Europäische Kommission die Initiative für eine Harmonisierung relativ bald verstärken wird.
ISA-CASINOS: Wie geht Novomatic mit der gegenwärtigen Situation um?
Wohlfahrt: Da wir ein international lizenziertes Unternehmen sind, beobachten wir die künftige Entwicklung in Europa mit Interesse. Wir wollen uns jedoch nicht in juristische Grabenkämpfe verstricken, sondern unser Augenmerk auf die Verstärkung unserer Präsenz in den Märkten Europas lenken, in denen wir bereits bisher erfolgreich tätig sind.
ISA-CASINOS: Vielen Dank für das Gespräch.