Las Vegas – Eine Krake die den „Wal“ verschlingt: Kapitel 5 – Einige Beispiele für geschicktes Marketing

Reinhold Schmitt
ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
E-Mail: info@isa-guide.de


Heute möchten wir Ihnen anhand von ein paar Beispielen aufzeigen, wie man vorging, um die Wale ins Vegas Hilton zu locken. Quasi die Walfang Methoden unter die Lupe genommen.

1984 kam Steve Cyr nach Las Vegas, noch grün hinter den Ohren, aber lernwillig und sein Ziel kennend. 1997, also nur 13 Jahre später, war er auf der Spitze seiner Karriere. Er hatte nun die Macht und die Kompetenz, wichtige Entscheidungen zu treffen. Um die Zocker ins Casino zu locken, genügten häufig kurze Telefongespräche. Alles weitere lief dann wie von selbst.

“Hallo? Hier spricht Steve Cyr vom Las Vegas Hilton. Eine kurze Frage: Wann gedenken Sie, Ihren Allerwertesten zurück nach Las Vegas zu schaffen und mich vor meinen Chefs gut aussehen zu lassen?”

oder

“Hallo, hör mal, mein Freund. Ich bin’s, Steve Cyr vom Vegas Hilton. Nächsten Freitag schicken wir unseren Casino-Jet nach Texas, um einen anderen Spieler abzuholen. Na, wie wär’s, willst Du mitkommen ?”

oder

“Hey Barneybaby. Ich bin’s, Steve Cyr vom Vegas Hilton. Ich rufe an, um Dir mitzuteilen, dass bereits alles für den kommenden Freitag arrangiert ist. Du bekommst eine Classic Suite für beide Nächte, acht Tickets für die David Copperfield Show im Caesars Palace und ich bin höchstpersönlich am Flughafen, um Dich abzuholen. Na, was sagst Du?”

oder

“Mahmoud, mein Freund! Hier ist Steve Cyr vom Vegas Hilton. Hör mal zu, Dein Kumpel Tony kommt am nächsten Wochenende nach Las Vegas. Er bringt einen Koffer mit Bargeld und zwei Frauen mit. Ich habe ihm eine Doppelsuite mit zwei Schlafzimmern gebucht und Ihr bekommt vier Tickets für den Boxkampf am Freitag. Er will, dass Du auch kommst. Na, was sagst Du dazu?”

oder

“Hallo Mr. I. Hier spricht Steve Cyr vom Vegas Hilton. Wir haben die Del Coronado Suite für Sie gebucht und würden uns sehr freuen, wenn Sie ein paar Tage bei uns verbringen würden. Wir bringen Sie mit dem Hubschrauber aus LAX zum VIP Flughafen. Ich habe eine Kiste Ihrer Lieblingszigarren aufgetrieben und eine Riesenpackung M&Ms, und zwar nur die grünen, die Sie so sehr mögen. Sie müssen unbedingt kommen. Ist also alles okay für Freitag?”

oder

“Hallo Mr. H. Ich bin’s, Steve Cyr vom Vegas Hilton. Sie wollten es doch schon immer und Sie sollen es bekommen. Es ist alles für Sie arrangiert. Kommen Sie einfach rüber nach Vegas, und Sie bekommen Ihren Spaß.”

oder

“Hallo Ihr beiden? Larry und Liz? Hier spricht Steve Cyr vom Las Vegas Hilton. Nächste Woche ist Super Bowl Party. Ihr müsst unbedingt herkommen. Ich habe für Euch fünf hunderttausend (vom Management bestätigte Kreditlinie für 500.000 Dollar) klar gemacht. Eure Suite im Westflügel steht bereit und wird von mir persönlich inspiziert, damit alles so ist, wie Ihr es wünscht. Darüber hinaus gebe ich Euch vier Chips zu 5.000 Dollar, um Euer Glück etwas anzuwärmen, alles auf Kosten des Hauses. Na, was sagt Ihr? Und sollte es nicht gut laufen, dann erstatten wir Euch 15 % des möglichen Verlustes zurück. Aber, das ist ja eh nicht möglich, weil Ihr ja nie verliert! Also, wie sieht es aus, kann ich auf Euch zählen?”

Das Las Vegas Hilton.
Das Las Vegas Hilton.
So etwa spielten sich die Walfänger Telefongespräche ab, die Steve Cyr mit seinen Topspielern führte. Eigentlich eine sehr einfache Methode. Jemandem etwas zu verkaufen, das er ja eh haben möchte, läuft im Grunde fast von alleine. Aber das beste daran, es geschieht via Telefon. Es ist es nicht einmal nötig, dass man besondere Körpersprache oder Mimik aufsetzen muss um die Wale schnell an Land zu ziehen. Das Produkt welches hier verkauft wird, ist die Illusion vom schnellen Geld und Vergnügen auf höchstem Level. Als zusätzlichen Bonus gibt es die Gratis-Suiten, die Restaurant-Einladungen und sonstige Köder. All die Dinge, die ein Zocker zu schätzen gelernt hat und nicht mehr missen mag, nachdem er einmal in Las Vegas gespielt hat.

Viel schwieriger als die bekannten Wale ins Casino zu bringen, war es an die richtigen Informationen über neue Wale heranzukommen. Wale wollen gerne – soweit es eben geht – anonym bleiben. Daher werden sie im Casino auch sehr selten mit dem vollen Namen angesprochen. Üblicherweise verwendet man nur den ersten Buchstaben des Namens, also zum Beispiel Mr. G. Alternativ nimmt man den Vornamen oder einen, vom Wal, gewählten Namen.

Wie gelang es Steve Cyr also, ein solches großes Netzwerk an Informanten aufzubauen, um an die entsprechenden Kontakte zu kommen? Eine heikle Frage, zu der es keine offizielle Antwort gibt. Denn offiziell ist es hier ähnlich wie beim Bankgeheimnis, es dürfen keine Daten von Kunden preisgegeben oder weiterverwendet werden.

Aber Las Vegas ist die Stadt in der man nur groß wird, wenn man die richtigen Leute kennt und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Als Casino Host fürs Vegas Hilton zu arbeiten, heißt eigentlich nichts anderes, als genau das zu nutzen. Informationen sind für einen guten Host einfach alles. Und Steve Cyr wußte wie er an Informationen kommt. Aber wer sind die Leute, die genau wissen, was gerade in der Stadt passiert?
 Nun, die Frage liegt auf der Hand. Es sind genau die Personen, die an der vordersten Front arbeiten – also die Croupiers, der Bellman, der Taxifahrer, der Limousinen-Chauffeur, die VIP Hostess bei der Konkurrenz, der Angestellte im Kassenbereich der sieht wie hoch die neue Kreditlinie für Mr. G ist usw.

Jeder redet, sei es bewusst oder unbewusst. So etwas wie Verschwiegenheitsklauseln existieren in der Realität nur auf dem Papier, das wissen wir alle. Und Steve Cyr war einer derjenigen, der die höchsten Prämien für gute Information bezahlte. Sei es in Form von Restaurantbesuchen oder gar Tickets zu den Shows – und für richtig gute Information gab es manchmal sogar ein oder zwei Nächte in einer Mini-Suite, wenn diese sowieso gerade leer stand. Nach dem Motto “hilfst Du mir, so helfe ich Dir” .

Wenn Steve Cyr erst einmal herausgefunden hat, wo dieser High Limit Spieler zu Hause ist oder wo er sein Büro hat, war häufig nur noch ein wenig Recherche nötig um die richtigen Telefonnummern herauszufinden. Hat man die Telefonnummer, benötigt es noch einer guten Strategie um den Wal einzufangen. Aber in diesem Bereich ist Steve Cyr ein Meister. Seine Jahre als Verkäufer von Vitaminpillen, in einem jener berüchtigten Las Vegas Boiler Rooms, haben ihm schließlich zum nötigen Handwerkszeug verholfen.

Beispiel:

St. C: “Hallo? Kann ich bitte mit Mr. F sprechen?”

Antwort: “Darf ich fragen, wer hier spricht?”

St. C: “Steve Cyr vom Las Vegas Hilton.”

Antwort: “Es tut mir leid, aber er ist in einer geschlossenen Konferenz.”

St. C: “Ich weiß, das hat er mir ja gesagt, ich sollte ihn extra während dieser Konferenz anrufen, also würden Sie mich bitte verbinden?”

Wie wir ja alle wissen, gibt es diese geschlossenen Konferenzen eigentlich höchst selten. In der Regel sieht eine solche “geschlossene Konferenz” so aus, dass dieser Mr. F alleine in seinem Büro vor einem Berg Problemen und Rechnungen in der Schublade sitzt. Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass so eine Konferenz tatsächlich stattfindet, dann muss Steve Cyr schnell umdenken und ebenso gut argumentieren, denn dann hat er wenig Zeit, um seinen Abschluss zu tätigen. Durch einen Informanten, einen Angestellten vom Caesars Palace, weiß Cyr, dass dieser Mr. F am kommenden Wochenende in Vegas ist.

OK, die Verbindung steht, die Empfangs-Sekretärin leitet den Anruf aus Las Vegas zu ihrem Direktor weiter. Dieser befindet sich gerade in einer Konferenz mit wichtigen Geschäftsleuten. Image ist alles!

Mr. F nimmt den Anruf entgegen, über die Freisprech-Funktion. “Ja? Hallo?”

“Mr. F? Hier ist Steve Cyr vom Vegas Hilton…”

Das Werbeschild des Las Vegas Hilton. Mit 85 Metern Höhe seinerzeit Weltrekordhalter. (Foto: Mrs. Gemstone / CC BY-SA 2.0)
Das Werbeschild des Las Vegas Hilton. Mit 85 Metern Höhe seinerzeit Weltrekordhalter. (Foto: Mrs. Gemstone / CC BY-SA 2.0)
Doch viel weiter kommt Steve in diesem Augenblick gar nicht. Mr. F stürzt förmlich über den Konferenztisch und greift zum Hörer. Sein Image droht zu wackeln. Seine Geschäftspartner können merken, was hier los ist, und wohin die Hunderttausende von Dollars verschwunden sind, die Mr. F so krampfhaft versucht hat, irgendwo in der Bilanz zu verstecken…

Keiner darf wissen, dass Mr. F seine Wochenenden beim High Limit Black Jack in Las Vegas verbringt. Verdammt noch mal, wie kommt dieser Typ an meinen Namen?

Mr. F: “Was soll das? Wie sind Sie durchgekommen?”, flüstert er nun in den Hörer.

Steve Cyr ist natürlich bewusst, dass die Situation sehr heikel ist. Jetzt darf er keinen Fehler machen!

Steve C: “Ich habe 10.000 Gründe für Sie, mich am kommenden Wochenende in Las Vegas zu treffen, wenn Sie im Caesars Palace eingecheckt haben.”

Mr. F gehen in diesem Augenblick 100 Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Was ist hier los? Bin ich in einem falschen Film? Ich kenne keinen Steve Cyr. Aber ich kenne das Vegas Hilton. Und 10.000 klingt immer gut, was auch immer damit gemeint ist. So antwortet er: „Mann, Sie haben Nerven mich hier anzurufen. Sie sind ein harter Mann. Aber im Augenblick habe ich keine Zeit. Geben Sie mir Ihre Nummer, ich rufe Sie zurück.“

Steve Cyr weiß, dass er den Wal noch nicht ganz an der Leine hat, doch angeködert ist er nun. Ist nur noch eine Frage der Zeit, ehe er am Haken ist.

Oder hier folgender Trick, der häufig zieht:

Steve C: “Guten Tag, hier spricht Steve Cyr. Bitte verbinden Sie mich mit Dr. Greenwoods Büro.”

Antwort: “Hallo? Wer spricht bitte, mein Name ist Claire, wie kann ich Ihnen helfen?”

Steve C: “Hi, Claire, ich bin’s. Steve Cyr vom Hilton (nicht Vegas Hilton). Ist Frank zu sprechen?”

Jetzt ist Claire am Nachdenken. Dieser Steve Cyr oder wie er heißt, scheint meinen Boss zu kennen, und zwar persönlich. Vielleicht sollte ich mir diesen Namen merken. Sollte ich Steve Cyr kennen? Haben wir Hotelreservierungen im Hilton oder wie? Wie auch immer, er scheint Frank zu kennen.

Also antwortet sie: “Ja, Frank ist da, aber im Augenblick nicht zu sprechen.”

Steve Cyr zieht Trick 17 aus der Trickkiste.

Steve C: “OK, ich werde am Apparat bleiben und auf ihn warten, bis er Zeit hat.”

Claire: “Ich denke, das Meeting wird eine Weile dauern. Wollen Sie wirklich am Apparat warten, oder soll er Sie zurückrufen?”

Steve Cyr schaut auf seine Uhr, es ist 9.45 Uhr in Los Angeles.

Steve C: “Nun, Frank wollte, dass ich Ihn um 9.30 Uhr anrufe, aber ich habe mich etwas verspätet, das tut mir leid. Ich möchte nicht, dass er verärgert ist auf mich.”

Das Meeting scheint effektiv stattzufinden, denn der Trick ist eingefahren, doch Claire kann Steves Telefonanruf trotzdem nicht durchstellen.

Sie antwortet: “Ich verstehe, aber das Meeting hat bereits angefangen, es ist unmöglich dass ich Frank jetzt störe. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?”

Die Situation ist nicht ideal, aber ein guter Anfang. Anstatt zu sagen: „Ja bitte, richten Sie Frank aus, Steve Cyr vom Hilton hat angerufen“, was sehr unprofessionell und schwach wäre, so antwortet er:

(Foto: Joao Carlos Medau / CC BY 2.0)
(Foto: Joao Carlos Medau / CC BY 2.0)
“Ich habe die beiden 5.000 Dollar Tickets für den Mike Tyson Kampf für ihn besorgt (oder Erste Reihe Tickets für Kool and the Gang, oder die Helikopter Reservierung für den Grand Canyon-Rundflug), genau wie er es sich von mir gewünscht hatte.”

Somit hat Steve den Wal so gut wie am Haken. Denn jetzt hat er Claires Aufmerksamkeit erweckt. Claire denkt: Wow, das scheint wirklich wichtig zu sein, und offenbar ist es etwas, was Frank gewollt hat. Und da sie nicht möchte, dass ihr Chef sauer auf sie ist, weil sie glaubt, es sei wichtig, übergibt sie die Nachricht ihrem Chef.

Aber Steve Cyr doppelt noch eins drauf, um sicherzugehen, dass alles klappt.

Steve C: “Claire, das sind 5.000 Dollar Tickets und wenn ich sie nicht heute Frank geben kann, dann gehen sie an jemand anders. Er muss mich unbedingt bis 15 Uhr anrufen, das ist sehr wichtig.”

Jetzt ist Claire unter Hochdruck! Sie zögert nicht lange und ruft ihren Chef an, der sich gerade in der Konferenz befindet.

In 8 von 10 Fällen funktioniert der Trick. Obwohl Frank sich gar nicht erinnern kann, irgendwelche Tickets zu einem Boxkampf bestellt zu haben, so ist sein Interesse natürlich groß, denn als Box-Fan kennt er natürlich Mike Tyson, und 5.000 Dollar Tickets? Nun, die lässt er sich nicht entgehen.

Steve C bringt noch zusätzliche Boni zum Vorschein:

“Hallo Frank, ich bin Steve Cyr. Vor ein paar Monaten haben wir zusammen geplaudert im Caesars Palace. Sie sagten mir damals, sie würden nie ins Vegas Hilton gehen, es sei denn, sie bekommen Tickets für den Mike Tyson Kampf, und zwar in der erste Reihe. Nun, ich halte diese Tickets hier in meiner Hand, für Sie. Es ist zwar nur Reihe 2, Sektion 17 aber diese Tickets kosten 5.000 Dollar und ich schenke sie Ihnen. Sie sitzen gleich in der Nähe von Baron Hilton. Wann darf ich Sie mit unserer Limousine am Flughafen erwarten?”

Der Trick, den Steve Cyr anwendet, ist genial. Bei seinen Nachrichten, die er via Telephon hinterlässt, offeriert er ständig etwas, was von einem vernünftig denkenden Menschen nicht abgeschlagen werden kann (denken Großzocker überhaupt noch vernünftig?). Und selbst wenn es nicht so klappt wie im letzten beschriebenen Beispiel, nämlich, dass Claire den Anruf durchstellt, so ist es doch häufig so, dass Anrufe mit Nachrichten für verlockende Angebote in der Regel einen Rückruf garantieren. Nachrichten ohne Inhalt, also eine simple Telefonnummer und ein Name – vergiss es. Das zieht nicht.

Einmal einen Rückruf, dann ist der Deal in der Regel perfekt. Ein Zocker sucht insgeheim stets nach einem Grund, wieder nach Las Vegas zurückzukommen. Eine richtige Telefonnummer ist somit Gold wert für einen Superhost wie Steve Cyr, daher sind gute Informationsquellen die Basis seines Geschäftes. Meistens ist der Abschluss eines derartigen Telefonats dann so gut wie sicher, und die letzten paar Worte sind in der Regel irgendwas in Form von:

“Ok, dann sehen wir uns am Freitag in Las Vegas, einverstanden? Ich werde am Flughafen auf Sie warten, Frank.”

Aber nicht immer ist es einfach, einen Wal zu fangen. Einer der größten Wale, die jemals ihren Weg zum Vegas Hilton geschafft haben, war Larry Flint. Über die genauen Hintergründe und den Fang dieses Super Wals, dem ein eigenes Casino in Kalifornien sowie diverse andere Konzerne gehören, lesen Sie im folgenden Teil.

Hier finden Sie eine Übersicht aller bisher erschienen Teile dieser Artikelserie.