Ein Fehler!

Ein Artikel von Alex Lauzon

So sehr sich auch jeder Pokerspieler darüber bewusst ist, dass der Ausgang vorangegangener Partien auf das jeweilige Spiel absolut keinen Einfluss ausüben darf, so passieren – und ich möchte sagen: jedem von uns – doch immer wieder kleine, und leider oft kostspielige, Fehler. Während der eine darüber hinweg sieht, sein Verhalten gar zu oft durch den Fall der Karten entschuldigt, so denkt der andere darüber nach, analysiert die Gründe für seine fehlerhafte Entscheidung, um eine Wiederholung für die Zukunft weitgehendst zu vermeiden.

Nachdem wir aus Fehlern jedoch am besten lernen, und ich mir selbst nicht zu scheu bin, solche auch einzugestehen, so möchte ich Ihnen von einem erzählen, der mir kürzlich untergekommen ist.

Es war ein voll besetzter Hold’em Tisch, ohne Limit. Rechts von mir saß ein sehr junger Mann, Anfang zwanzig, dessen Spiel über einen wirklich langen Zeitraum hinweg enorm aggressiv wirkte, in den meisten Fällen jedoch durch wirklich passende Karten rechtfertigbar war.

UTG brachte er eine Erhöhung um das Fünffache des Big Blind. Ich hatte K – K vor mir liegen und wollte ihn, mit einem kräftigen Reraise, als einzigen Gegner isolieren. Das gelang mir auch. Doch als das Wort wieder bei ihm war, kam seine Antwort: „All-in!“ Damit hatte ich nicht gerechnet!

Sollte ich meinen geleisteten Einsatz abschreiben, auf die 220-zu-1-Gefahr hin, dass er wirklich A – A im Bunker halten sollte? Diese junge Kerl war zu diesem aggressiven Schritt durchaus auch mit Q – Q, J – J, A – K oder ähnlichem imstande. Und ich hatte recht. Nach meinem Mitgehen zeigte er A – Q!

Als 71%-Favorit fühlte ich mich trotzdem nicht unbedingt wohl. Die Gefahr eines Asses hing wie das Schwert des Damokles über dem Tisch. Schon wesentlich besser fühlte ich mich nach dem Flop, der aus drei niedrigen Werten bestand. Keine Chance, dass ihm die Dame zur Straße helfen könnte, keine Flushgefahr; das einzige, was ich noch zu fürchten hatte, war ein Ass am Turn oder River. Meine Chancen stiegen auf 87%!

Und was brachte der Turn? Es fiel ein Ass! Und was fiel am River? Noch ein Ass! Und ich war kaputt und durfte in die Tasche greifen, um Chips nachzukaufen.

Der Tisch wurde mehr als locker gespielt. Oft genug blieben vier, fünf und mehr Spieler, trotz Erhöhungen vor dem Flop, im Pot. Ich hielt Kreuz As. Herz Dame in der Hand und brachte, aus früher Position, eine Erhöhung um das Fünffache des Big Blind. Kaum jemand ließ sich davon beeindrucken. Fünf Caller!

Glücklich schätze ich mich darüber, als ich folgenden Flop sah:

Kreuz 8, Herz 2, KaroDame

Bis zu mir wurde gecheckt. Nun musste ich agieren. Aller Wahrscheinlichkeit nach, verfügte ich über das beste Blatt. Doch sicher gab es auch jemanden, der über eine 8, über eine 2 verfügte. Vielleicht sogar jemand mit Q und niedrigem Kicker! Jetzt war es wichtig, das Feld unbedingt zu verkleinern. Mein Stack entsprach dem Dreifachen des Pots. Nachdem die meisten Spieler, wie erwähnt, sehr locker und leichtsinnig waren, musste meine Erhöhung eine wirklich kräftige sein, um die, vermutlich vorhandenen, kleinen Paare zu vertreiben – oder zumindest, Ihnen den Kauf so teuer wie nur möglich zu machen. Also, ich ging All-in!

Es fand sich ein Caller. Was zeigte er?

Karo 2, Kreuz 2

Meine dritte Dame am River schaute zwar recht beeindruckend aus, doch bescherte sie ihm ein Boot (Full House)! Und wieder durfte ich in die Tasche greifen!

Nun, bis zu diesem Zeitpunkt, möchte ich von keinem Fehler sprechen! In beiden Fällen waren meine Verluste durch wirklich ungünstigen Fall der Karten bedingt. Doch nun kam der Pot, in dem ich mich zugegebenermaßen zu einer Fehlentscheidung habe verleiten lassen. Die beiden beschriebenen Partien erwähne ich deswegen, weil sie den Frust in mir aufgebaut haben, der mich – Oh Du lieber Pokerus, es sollte niemals passieren! – zu diesem unsinnigen Schritt verleitet hat.

Mit Kreuz 10 und Kreuz 9, brachte ich eine Erhöhung, wieder aus früher Position. Es fanden sich zwei Caller. Eine Dame links von mir, short-stacked, und wieder der junge Mann zu meiner rechten, der mir schon zuvor einen ordentlichen Pot abgerungen hatte.

Der Flop:

Kreuz 2. Karo 7, Kreuz Bube

Der aggressive Jüngling setzte ein Drittel des Pots. Ein Drittel? Warum gerade ein Drittel? Versuchte er einen billigen Bluff oder Semi-Bluff? Dachte er nicht daran, dass ich zwei Treff halten könnte und er mir dadurch die Odds zum Mitgehen anbot? Wie auch immer, ein Mitgehen war hier durchaus gerechtfertigt. Auch die Dame schob ihre letzten Chips in Richtung Tischmitte und war somit All-in.

Der Turn war mir nicht unangenehm:

Herz 10

Wiederum setzte der Jüngling ein Drittel des Pots. Der Flushdraw alleine rechtfertigte bereits ein Mitgehen. Dazu gesellten sich zwei weitere Outs für einen Drilling. Eine Neun hätte mich nicht unbedingt glücklich gemacht, hätte sie letztendlich die Gefahr einer Straße gravierend vergrößert.

Doch, der heilige Pokerus wollte es an diesem Abend keinesfalls gut mit mir meinen. Als River schickte er mir:

Herz 3

Mein aggessiver Opponent dachte kurze Zeit nach. Sein Stack war ansehnlich. Es genügte, den Pot zu setzen, was mich, beinahe, ein All-in kostete!

Ich nahm mir Zeit zum Denken! Warum wollte er mich am Flop im Pot behalten? Sah das nicht nach einem billigen Bluff aus? Ein Jack in seiner Hand hätte nach Absicherung verlangt. Das gleiche am Turn – wieder nur ein Drittel des Pots. Und jetzt dieser kräftige Zuschlag! Vermutete er, dass ich hinter einem Treff her war, dann konnte er getrost bluffen. Meine Preflop-Erhöhung könnte letztendlich auf A – K oder A – Q verwiesen haben. Kaum konnte er davon ausgehen, dass ich über ein Paar Zehnen verfügte. Wäre ein niedriges Taschenpaar zum Drilling geworden, dann hätte er eher weniger gesetzt, um mich unter allen Umständen zum Mitgehen zu motivieren bzw. mir die Chance auf einen Bluff einzuräumen. (Was die Dame in Händen halten könnte, war, nachdem sie ohnehin bereits All-in war, ohne jegliche Bedeutung.)

Nun, wie Sie, auf Grund meiner Einleitung, bereits annehmen können, ich bin mitgegangen. Und mein lieber junger Freund mit den, durch eine Baseball-Mütze halb versteckten Pickeln im Gesicht, konnte mir sowohl einen Jack als auch eine Zehn vor die Nase halten!

Die Dame zu meiner linken hatte ihre letzten Chips auf Cold-Calls mit A – A investiert, was ihr, gegen zwei Paare, allerdings auch nicht helfen konnte.

Sicher waren meine Calls am Flop und am Turn durch gute Odds gerechtfertigt. Meine Entscheidung am River war jedoch, wie ich nach langer Analyse nun zugeben muss, keinesfalls in Ordnung. Ich wollte meine zuvor erlittenen Verluste, teilweise, abdecken. Ich ließ mich dadurch in eine – wenn auch geschickt aufgebaute – Falle locken! Die Bluffwahrscheinlichkeit hätte bei rund 30% liegen müssen, um mir genügend Anlass zum Mitgehen einzuräumen. Nachdem ich diesen Spieler, wie anfangs beschrieben, zwar sehr aggressiv erlebte, ihn jedoch bei keinem einzigen Bluff erwischen konnte, gab es nicht die geringste Berechtigung, von einer 30%igen Wahrscheinlichkeit eines Bluffs auszugehen. Meine Entscheidung war ein – teurer – Fehler!

Zumindest habe ich etwas daraus gelernt. Machen Sie mir so etwas, bitte, nicht nach!

Euer Alex Lauzon