Dr. Winfried Wortmann verlässt nach 16 Jahren als Geschäftsführer von WestLotto das Unternehmen und geht in den Ruhestand
Sein Wirken hinterlässt deutliche Spuren in der nationalen und europäischen Glücksspielpolitik
Münster, den 9. Dezember 2010 – Eine eindrucksvolle Ära geht zu Ende: Seit dem 1. November 1994 leitet Dr. Winfried Wortmann die Geschicke des größten deutschen Glücksspielunternehmens, der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co. OHG (kurz WestLotto) in Münster. Am 31. Dezember 2010 verlässt der nun 64-Jährige die „Zentrale des Glücks“, deren Entwicklung er in den vergangenen 16 Jahren prägend gestaltet hat.
In Wortmanns Zeit fallen große technische Innovationen, wichtige produktpolitische Entscheidungen und weit reichende rechtliche Auseinandersetzungen zum Glücksspiel in Deutschland und Europa. Als Geschäftsführer von WestLotto, als Präsident, Vorsitzender und Mitglied wichtiger Gremien hat er die Entwicklungen entscheidend mitgeprägt.
Zusammen mit seinem damaligen Kollegen Rainer Maedge managt er den Sprung von der alten Lotto-offline-Welt in die neue Online-Technologie, von der manuellen zur digitalen Spielabwicklung in Realzeit. Im Dezember 1997 wird die letzte Offline-Verarbeitungsmaschine bei WestLotto abgeschaltet. 2004 wird die erste Online-Generation durch den sogenannten „big bang“, den gleichzeitigen Austausch von Zentralsystem, 4.200 Terminals vor Ort und entsprechenden Netzverbindungen, ersetzt. Ein Verfahren, das in dieser Komplexität erstmals in Europa realisiert wird. 2008 kommt ein gemeinsam mit dem großen Nachbarn LVM betriebenes hoch modernes Ausweich-Rechenzentrum hinzu. Im Jahr 2000 gibt Wortmann den Startschuss für den Internet-Spielbetrieb. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag hat dieser 2009 abgeschaltet werden müssen.
Seit 1997 steuert Dr. Wortmann als Vorsitzender im Lotterietechnischen Ausschuss des Deutschen Lotto- und Totoblocks die mittelfristige Produktpolitik auf die Euro-Einführung 2002 hin, die die bisherigen Gewinnpläne weitgehend obsolet macht. Lotto 6aus49 wird seinerzeit besonders erfolgreich verbessert. Zwischen 1997 und 2001 wächst der Umsatz um 32 Prozent. Bausteine dieser mehrstufigen Strategie: Verdoppelung des Gewinns für Drei Richtige, Aufgabe der zwei Mittwochsziehungen A und B, Vereinheitlichung des Hauptproduktes und Verbindung zwischen Mittwochs- und Samstagsziehung durch den rollierenden Jackpot, der in der 1. Gewinnklasse mehrfach gestärkt wird.
Wortmanns besonderes Engagement gilt der über weite Strecken schwierigen Entwicklung der Lotto-Show, die 1998 bis 2001 in enger Zusammenarbeit mit dem WDR für die ARD am Samstagabend live aus Bottrop-Kirchhellen gesendet wird. Mit Ulla Kock am Brink als Showmasterin gilt es, den Gewinner oder die Gewinnerin für eine Million DM zu finden – in öffentlich-rechtlicher Ziehungsqualität.
Auch die Zentrale in Münster, das vor 50 Jahren von Professor Harald Deilmann gebaute Betriebs- und Verwaltungsgebäude an der Weseler Straße, wird unter Winfried Wortmann mehrfach umgebaut und modernisiert. Wortmann hat die früheren großen Lotto-Auswertungssäle im Jahr 2001 zu einem modernen Rechenzentrum und einem repräsentativen Forum, das über WestLotto hinaus von sich reden macht, umgestalten lassen. Im Jubiläumsjahr 2005 werden in diesem Forum an 16 verschiedenen Abenden insgesamt 5.000 Gäste einen unvergesslichen Festakt, das „Varieté des Zufalls“, erleben, um 50 Jahre Lotto in NRW gebührend zu feiern.
Wortmann hat WestLotto nicht nur auf seine technologische Sicherheit in der Spielabwicklung zertifizieren lassen. Als erstes deutsches Glücksspielunternehmen bekommt WestLotto 2009 das Zertifikat für verantwortungsvolles Glücksspiel (Responsible Gaming).
Mit der Annullierung der Lotterieverordnungen treten die rechtlichen Auseinandersetzungen um das Glücksspiel in Deutschland ab 2001 in eine neue Phase. Geht es bis zum Lotteriestaatsvertrag von 2004 vor allem um die Zulassung privater Lotterien, konzentriert sich die Auseinandersetzung der Länder mit konzessionslosen Anbietern seit 2004 vor allem auf Sportwetten. Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Sportwetten- Monopol vom 28. März 2006, in dessen Vorfeld Wortmann in seiner Funktion als Präsident der staatlichen europäischen Lotterien vor den Verfassungsrichtern für das staatliche Glücksspielmonopol plädiert, führt zur Verabschiedung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) durch die Länder im Jahr 2007.
Zu Wortmanns wichtigsten Aufgaben der Jahre 2006 bis 2010 zählt die staatsvertragskonforme Ausrichtung der Geschäfte von WestLotto in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden. Hierzu werden bereits vor Inkrafttreten des Vertrages am 01.01.2008 zahlreiche Maßnahmen ergriffen, wie die Einführung einer Basiskarte für Sportwetten und Tageslotterien mit der Möglichkeit der Spielersperre, die Reduzierung (der Werbe-Etat wurde von 19 auf 9 Millionen Euro zurückgefahren) und Umstrukturierung der Werbung auf rein sachliche Informationen, die Integration von Warn- und Suchthinweisen auf allen Spiel- und Werbemitteln, die fortlaufende Schulung der Mitarbeiter im Hinblick auf Jugendschutz und Suchtprävention, die Überwachung der Einhaltung des Glücksspielstaatsvertrags durch Prüfungen und Testkäufe, die Schaffung einer Responsible Gaming Abteilung, die Zusammenarbeit mit Suchtberatungsstellen sowie der Verzicht auf Internet-Spielmöglichkeiten.
Die präzise Einhaltung dieser Vorgaben liegt Wortmann besonders am Herzen. Er achtet stets darauf, dass WestLotto seiner Verantwortung an dieser Stelle gerecht wird. Auch unter diesen strengen Bedingungen gelingt es, die gemeinnützigen Abgaben für Land und Destinatäre auf dem hohen Niveau aus der Zeit vor dem Glücksspielstaatsvertrag relativ stabil zu halten. „In der Amtszeit von Dr. Wortmann führt WestLotto rund 12 Milliarden Euro an Lotteriesteuern und Konzessionsabgaben an Land und Destinatäre ab – Gelder, ohne die zahllose Projekte aus den Bereichen Sport, Wohlfahrt, Natur- und Denkmalschutz sowie Kunst und Kultur nicht hätten finanziert werden können,“ so NRW-Justizminister Thomas Kutschaty anlässlich der Verabschiedung des WestLotto-Chefs.
Nicht nur das Gemeinwohl in Nordrhein-Westfalen wird mit Konzessionsabgaben, Zweckerträgen und Lotteriesteuern kräftig gefördert. Von den rund 29 Milliarden Euro Umsatz, die in den vergangenen 16 Jahren erzielt werden, fließen rund die Hälfte als Gewinne an die Spielteilnehmer zurück. Unter den Abermillionen von Einzelgewinnen in Nordrhein-Westfalen befinden sich rund 750 Gewinne in Millionenhöhe (520 DM-Millionäre von 1994 bis 2001 und 230 Euro-Millionäre von 2002 bis 2010). Auch die höchsten Einzelgewinne (37,7 Millionen Euro für einen Lotto-Spieler aus NRW im Oktober 2006) und der bisher höchste Jackpot bei LOTTO 6aus49 (45,3 Millionen Euro im Dezember 2007, die unter drei Gewinnern aufgeteilt wurden) ereignen sich in diesem Zeitraum.
Wortmanns strategische Priorität – quasi sein Vermächtnis – ist die Einführung der Jackpot-Lotterie „Euro-Jackpot“ in Deutschland, Italien, den Niederlanden und Skandinavien. Als Vorsitzender des Steering Committees organisiert er die genehmigungsrechtlichen und spieltechnischen Vorbereitungen auf einen Spielbeginn in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres hin.
2005 wird Dr. Winfried Wortmann in Rom zum Präsidenten der European Lotteries (EL), der Vereinigung der europäischen Staatslotterien, gewählt. 2007 wird er für weitere zwei Jahre in diesem Amt bestätigt. Auf dem EL-Kongress in Istanbul wird er 2009 zum Ehrenpräsidenten der EL gewählt. Als Präsident gelingt es Wortmann, die EL zu einer Institution zu entwickeln, die sich erfolgreich auf dem Gebiet der politischen Interessenvertretung betätigt. So schafft Wortmann neben der Zentrale in Lausanne ein politisch-strategisches Büro mit einem Generaldelegierten in Brüssel, das sich zu einer glücksspielpolitischen Anlaufstelle innerhalb der EU entwickelt und damit zum profilierten Gegenspieler der diversen Verbände der internationalen Wettanbieter avanciert. Wortmann führt als EL-Präsident Gespräche mit mehreren EU-Kommissaren, er informiert und berät das EU-Parlament, das am 10. März 2009 mit der eindrucksvollen Mehrheit von 544:36 eine Resolution verabschiedet, wonach die Mitgliedstaaten autonom entscheiden dürfen, wie sie ihre Glücksspielmärkte regulieren. Er macht sich für die Integrität des Sports stark durch Einführung eines „Code of Conduct“ und Initiierung eines Monitoring-Systems zur Überwachung von Sportwetten. Für seine Leistungen auf internationaler Ebene wird Dr. Winfried Wortmann im Januar 2010 in London in die „Lottery Hall of Fame“ aufgenommen. Friedrich Stickler, EL-Präsident seit 2009, dankt seinem Amtsvorgänger für seine großen Verdienste um den Dachverband der Europäischen Lotterien (EL) und hebt dabei insbesondere seine Erfolge bei der strategischen Ausrichtung der EL und in der Brüssler Politik hervor: „Unter Dr. Winfried Wortmann wurde die EL zu einem gefragten und geschätzten Ansprechpartner für die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat der EU. Dass heute die Mehrheit der EU-Entscheidungsträger mit uns einer Meinung ist, ist sein Verdienst.“
Mit Winfried Wortmann verabschiedet sich ein unternehmerisches „Urgestein“ aus dem aktiven Arbeitsleben. Sowohl in seinen 16 Jahren WestLotto wie auch zuvor bei seinen verschiedenen beruflichen Stationen innerhalb des WestLB-Konzerns zeichnet er sich durch ein Höchstmaß an Integrität und Seriosität aus. „Mit Weitblick und Initiative stellte sich Dr. Wortmann den jeweiligen strategischen Herausforderungen, war sich aber auch nie zu schade, nötige Entscheidungen auf dem weiten Feld des operativen Geschäftes zu treffen und so das Unternehmen und den Konzern-Verbund voranzubringen. Hierfür gebührt ihm der ganz besondere Dank des Gesellschafters“, sagt das Vorstandsmitglied der NRW.BANK Michael Stölting in seiner Funktion als Vorsitzender des WestLotto-Beirats über den scheidenden Geschäftsführer.
Der promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler wird vielen auch aufgrund seiner Reden in lebhafter Erinnerung bleiben. Kreative Wortschöpfungen Wortmanns wie „terrestrischer Vertrieb“ und „dynamische Kanalisierung“ werden zu Fachbegriffen im Unternehmen und darüber hinaus. Seine musischen Neigungen und fundierten Kenntnisse der Literatur machen Dr. Wortmann zum idealen Juror bei zwei Literaturwettbewerben, die WestLotto gemeinsam mit der Gesellschaft für westfälische Kulturarbeit in den Jahren 2005 und 2010 zum Thema „Glück“ veranstaltet und die jeweils in die Veröffentlichung einer Anthologie mit Erzählungen münden. „Er trägt seinen Namen zu Recht, er ist ein Mann des Wortes“, äußert einmal ein Zuhörer – aber auch ein Mann der Tat! So muss angesichts des eindrucksvollen Lebenswerkes von Dr. Wortmann ergänzend hinzugefügt werden.
Zukünftig wird Winfried Wortmann mehr Zeit für seine Familie haben. Der Vater von drei erwachsenen Söhnen wird demnächst auch erneut Großvater, und das sogar doppelt. „Das ist ja fast schon ein perfektes Timing, dass unmittelbar nach meiner Pensionierung die Schar meiner Enkelkinder weiter wächst“, meint Dr. Wortmann zu den erfreulichen Umständen in seiner Familie.
Wortmann wird sich nun auch seinen Hobbies, wie der Literatur und der Musik, wieder intensiver widmen können. „Hier habe ich Nachholbedarf“, bekennt der scheidende Lotto-Chef.
Seinem Unternehmen WestLotto wünscht Wortmann, dass es seinen einzigartigen Charakter, der von hoher Professionalität gepaart mit Fairness und Empathie gekennzeichnet ist, bewahren möge, egal, welche Modelle sich auf dem derzeit heiß umkämpften Glücksspielmarkt zukünftig durchsetzen werden. In einem ist sich Wortmann sicher: „WestLotto wird jeden Wettbewerb bestehen.“ Seinem Nachfolger Theo Goßner, der sich in den vergangenen 12 Monaten bereits tief in die Lotterie-Thematik eingearbeitet hat, und dem stellvertretenden Geschäftsführer Detlef Nagel überlässt Winfried Wortmann die Unternehmensleitung deshalb mit absoluter Zuversicht. „Der Zufall ist das Grundelement jeder Lotterie, aber damit diese Idee funktioniert, wird in diesem Geschäft nichts demselben überlassen. Das war und bleibt immer ein Qualitätskriterium von WestLotto“, so Dr. Wortmann.