Elsbeth Müller hat als Kind einen Sommer auf Schloss Benkhausen verbracht und die Adelsfamilie in bester Erinnerung behalten
Espelkamp - Auch nach 82 Jahren wird die Erinnerung sofort lebendig. Wenn Elsbeth Müller gemeinsam mit Larissa Mattlage, Leiterin von Schloss Benkhausen, durch die historischen Räumlichkeiten schreitet, bauen sich die Bilder vor ihrem inneren Auge auf. Wie die Baronin der achtjährigen Elsbeth vorlas und gemeinsam Spiele gespielt wurden. Wie das junge Mädchen vom Personal umsorgt wurde und sich als Teil der Adelsfamilie fühlen durfte. Die Augen der 90-Jährigen füllen sich mit Tränen, wenn sie daran zurückdenkt. Nach mehr als acht Jahrzehnten ist sie nun wieder an diesem Ort, der ihr Leben geprägt und von dem sie immer wieder erzählt hat. Für die rüstige Rentnerin war der Besuch eine Überraschung, die Tochter Petra und Schwiegersohn Herbert in Absprache mit Larissa Mattlage organisiert hatten. Einmal noch wollte sie das Gebäude sehen, in dem sie eine so schöne Zeit verbracht hat.
Es war 1942, als das junge Mädchen aus Herten nach Espelkamp kam. Für sechs Wochen verließ sie das Ruhrgebiet, um im Rahmen der Kinderlandverschickung gemeinsam mit drei anderen Mädchen den Sommer auf Schloss Benkhausen zu verbringen. Als Tochter eines Bergmanns war Elsbeth Müller „auf Kohle“ geboren worden und tauchte nun in die besondere Welt der Adelsfamilie ein. Der Traum von einem Dasein als Prinzessin, den viele Mädchen in diesem Alter träumen, schien für einen Sommer Realität zu werden. Mit dem Zug ging es nach Espelkamp, und vom Bahnhof wurden die Mädels mit der Pferdekutsche aufs Anwesen gebracht.
„Ich habe nur gute Erinnerungen, es war eine wunderschöne Zeit“, schildert die 90-Jährige. „Weder von der Familie noch vom Personal haben wir jemals etwas Negatives erfahren.“ Besonders beeindruckt hat sie, wie sehr sich Baron Alhard von dem Bussche Münch und seine Ehefrau Helga um sie gekümmert hatten. „Als fremde Kinder gehörten wir quasi zur Familie, das war wirklich etwas Besonderes.“ Die Mädchen wurden genauso vom Hauspersonal bedient wie die Adeligen, und die Baronin brachte ihnen feine Tischmanieren bei. Auch das außergewöhnliche Spielzeug, das dem Adoptivkind Christina gehörte und mit dem sie spielen durften, ist immer noch präsent. Neueste Gesellschaftsspiele und ein mit Plüsch bezogener Ball hatten es ihr besonders angetan. Ebenfalls im Gedächtnis geblieben ist, dass sie auf Schloss Benkhausen das erste Speiseeis ihres Lebens gegessen hatte.
Aber auch den Bombenalarm hat Elsbeth Müller nicht vergessen. Dann ging es mit der Baronin in den Keller. Um die Kinder abzulenken, zeigte die Baronin ihnen Schattenspiele an der Kellerwand, an die sich Elsbeth Müller heute noch erinnert. „Wir hatten nie Angst und haben uns immer sicher gefühlt.“ Die mächtigen Bäume und der Mittellandkanal machten ebenfalls starken Eindruck auf das Mädchen aus dem Ruhrgebiet. „In den Park durften wir nur in Begleitung.“
Die Zeit sollte sie ein Leben lang prägen. So war sie beispielsweise von der Schönheit der Stuckdecken so angetan, dass ihr Ehemann die Ästhetik in ihrem Zuhause in Herten nachbilden musste. „Allerdings nur aus Styropor“, erzählt sie lachend. Umso glücklicher war Elsbeth Müller, dass sich Larissa Mattlage nun die Zeit nahm, um die Gäste herumzuführen und ihnen von den aufwändigen Renovierungen und dem Stellenwert, den das Schloss für die Familie Gauselmann hat, berichtete. Es fungiert nicht nur als Schulungszentrum und Tagungshotel, sondern ist auch dank kultureller Veranstaltungen und Gastronomie zu einem Ort der Begegnung geworden. Elsbeth Müller kam aus dem Staunen fast nicht mehr heraus. „Hier kann man sich wohlfühlen. Schloss Benkhausen steht wirklich unter einem guten Stern“, befand die 90-Jährige.
Quelle: Merkur Group