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Vertrauliches Protokoll: Bankenaufsicht bleibt bei Online-Glücksspiel untätig


Vertrauliches Protokoll belegt
Bankenaufsicht bleibt bei Online-Glücksspiel untätig

Von Michel Penke und Frederik Richter, Correctiv

08.06.2021Lesedauer: 3 Min.
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Illustration zu Online-Glücksspiel: Das Kompetenzgerangel erinnert an die Ausgangslage im Fall Wirecard.Vergrößern des Bildes
Illustration zu Online-Glücksspiel: Das Kompetenzgerangel erinnert an die Ausgangslage im Fall Wirecard. (Quelle: Fanatic Studio/Gary Waters/SCIENCE PHOTO LIBRARY/imago-images-bilder)

Mit einem neuen Staatsvertrag soll das Online-Glücksspiel liberalisiert werden. Doch für Geldwäsche fühlt sich die Bafin nicht zuständig. Die Lage erinnert an die Versäumnisse im Fall Wirecard.

Die Bankenaufsicht Bafin lehnt es nach Recherchen von "Correctiv" ab, eine Rolle bei der Aufsicht des milliardenschweren Markts für Online-Glücksspiel einzunehmen. Der Kampf gegen Geldwäsche droht damit in einem Gerangel um Zuständigkeiten unterzugehen. Die Bundesländer liberalisieren das Online-Glücksspiel zum 1. Juli mit einem neuen Staatsvertrag.

Banken müssen Zahlungen in Verbindung mit illegalem Glücksspiel unterbinden. Dennoch gibt es in Deutschland einen milliardenschweren Markt für Online-Glücksspiel, das über das Ausland abgewickelt wird. Über das Internet können Spieler auf Angebote ausländischer Anbieter mit Sitz zumeist auf Malta zugreifen. Das ist illegal, wenn diese Anbieter keine Lizenz in Deutschland haben.

Im September 2020 sprachen Vertreter von Bundesfinanzministerium, der Anti-Geldwäsche-Einheit Financial Intelligence Unit (FIU) sowie der Bafin über die Aufsicht über das Online-Glücksspiel. Laut einem "Correctiv" vorliegenden Protokoll sagte die Bafin, "dass die Unterbindung von Zahlungen in Bezug auf unerlaubtes Glücksspiel nicht in der Zuständigkeit der Bafin liegt".

Bafin entschuldigt Banken – Grünen-Politikerin übt Kritik

Es sei Aufgabe der Glücksspielbehörden in den Bundesländern, festzustellen, welches Glücksspiel erlaubt sei und welches nicht. Laut dem Protokoll entschuldigte die Bafin gegenüber den anderen Behördenvertretern die Banken, für deren Aufsicht sie zuständig ist. Es sei für die Banken nur schwer erkennbar, ob Zahlungsströme mit Glücksspiel in Verbindung stünden.

"Das hört sich ganz nach einem klassischen Reflex der Bafin an, Zuständigkeiten erst einmal von sich zu weisen", sagt die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus (Grüne). "Statt sich schützend vor die Banken zu stellen, sollte die Finanzaufsicht an gemeinsamen Lösungen hierfür arbeiten. Wenn es keine Gefahr gibt aufzufliegen, wird das illegale Glücksspiel munter weitergehen."

Die Bafin bekräftigte auf Anfrage, dass die Bundesländer dafür zuständig seien, den Banken die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel zu untersagen. "Als Bundesbehörde respektieren wir die grundgesetzliche Kompetenzordnung und den Willen des Gesetzgebers, die Zuständigkeit für die Überwachung der Glücksspielanbieter den in den Bundesländern angesiedelten Glücksspielaufsichtsbehörden im Rahmen einer föderalen Aufteilung zu übertragen", teilte sie auf Anfrage mit. Dennoch wirke sie darauf hin, dass die ihr unterstehenden Banken nicht an illegalem Glücksspiel mitwirkten. "Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst."

Kampf gegen Geldwäsche gesetzeswidrig?

Für die Glücksspielaufsicht sind formal die Bundesländer zuständig. Allerdings erfüllen sie ihre Pflichten bei der Bekämpfung von Geldwäsche nur nachlässig. So schrieb der Bundesrechnungshof letztes Jahr in einem vertraulichen Bericht, der "Correctiv" vorliegt, dass Deutschland deswegen gegen die eigenen gesetzlichen Grundlagen verstoße.

Das liegt auch daran, dass die Bundesländer ihre Pflichten bei der Geldwäscheaufsicht mit geringem Aufwand wahrnehmen. In der Vergangenheit haben sie schon einmal versucht, die Aufsicht ganz an den Bund loszuwerden.

Während die Bundesländer das Online-Glücksspiel im Juli liberalisieren, ist eine dafür geplante Aufsichtsbehörde wohl erst 2023 einsatzfähig. Die Situation erinnert an den Wirecard-Skandal: In dem Dreieck aus Bankenaufsicht Bafin, den Bundesländern sowie der FIU fühlte sich niemand ausreichend für die Aufsicht über den Konzern zuständig.

"Der Bund weiß, dass die Länder niemals in der Lage sein werden, die Aufsicht zu führen, das ist die Dramatik", sagt der Geldwäsche-Experte Andreas Frank. "Es ist dem Staat letztlich zu teuer, hier Aufsicht zu führen."

Geldwäscheeinheit sieht Probleme

Auch die FIU tut sich nach "Correctiv"-Recherchen schwer damit, Geldwäsche im Glücksspiel-Sektor zu bekämpfen. 2019 erhielt die FIU über 100.000 Verdachtsmeldungen. Gerade einmal 754 davon stammten aus der Glücksspielbranche.

"Es fällt auch der FIU schwer, die Entscheidung darüber zu treffen, welche Fälle unerlaubt und welche noch rechtlich zulässig sind", gestand die Behörde in der Telefonkonferenz mit Finanzministerium und Bafin im September 2020 laut Protokoll ein.

Die FIU teilte auf Anfrage mit, dass sie im Online-Glücksspiel "in zunehmendem Maße" Tendenzen erkenne, die eine Abstimmung der involvierten Behörde erfordere und ihr hierbei eine besondere Rolle zukomme. Im Rahmen einer konzertierten Aktion habe sie vergangenes Jahr die Aufsichtsbehörden der Bundesländer bei einer Überprüfung von Glücksspielanbietern koordiniert und unterstützt.

Verwendete Quellen
  • Dieser Text entstand in Kooperation von t-online mit dem Recherchezentrum Correctiv. Mehr zu Correctiv unter correctiv.org
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