«Wird als Nächstes das Angebot von Zalando gesperrt?»

Die Gegner des Geldspielgesetzes befürchten, dass die Abwehrmassnahmen gegen Online-Kasinos ein Präjudiz für eine tiefgreifende Internetzensur in der Schweiz sind.

Erich Aschwanden
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Das «Komitee gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung» will im Abstimmungskampf kein Geld von ausländischen Unternehmen einsetzen. (Bild Lukas Lehmann / Keystone)

Das «Komitee gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung» will im Abstimmungskampf kein Geld von ausländischen Unternehmen einsetzen. (Bild Lukas Lehmann / Keystone)

Mit deutlich zur Schau getragenem Selbstbewusstsein lancierten die Gegner des Geldspielgesetzes am Donnerstag den Abstimmungskampf. Die Vorlage kommt am 10. Juni an die Urne. Aufwind verleiht den Jungparteien von FDP, GLP und SVP ein überraschender Entscheid der FDP. Gegen den Willen der grossen Mehrheit der Fraktion und der meisten Regierungsräte fasste die Delegiertenversammlung der Freisinnigen Ende März die Nein-Parole. Das Geldspielgesetz, das vom Nationalrat klar mit 124 zu 61 Stimmen und vom Ständerat gar mit 43 zu 1 angenommen wurde, scheint nach dieser Weichenstellung nicht mehr ganz unangreifbar zu sein.

Die Mitglieder des bürgerlichen «Komitees gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung» machten klar, dass sie sich nicht grundsätzlich gegen eine Neuregelung des Lotteriewesens und der Spielbanken aussprechen. Sie wehren sich ausschliesslich dagegen, dass in Zukunft nur die 21 bisher in der Schweiz konzessionierten Kasinos Angebote wie Poker, Roulette oder Black Jack über das Internet anbieten dürfen. «Bei dieser Abstimmung geht es hier um viel mehr als eine Sperre im Bereich des Geldspiels», erklärte Nationalrat Marcel Dobler (fdp.) vor den Medien. «Hier wird eindeutig eine rote Linie überschritten.» Es müsse verhindert werden, dass mit diesem Gesetz die digitale Abschottung in der Schweiz salonfähig gemacht werde.

Kampf für eine liberalere Lösung

Die Netzsperren, die verhindern, dass ein Nutzer auf ausländische Angebote zugreifen kann, seien unter enormem Druck der Schweizer Kasinobranche vom Parlament beschlossen worden, betonten die Gegner der Vorlage. Ohne zu enthüllen, worin es bestanden hatte, berichtete Dobler von einem «Angebot», das ihm von den Befürwortern gemacht worden sei, wenn er dem Gesetz im Nationalrat zugestimmt hätte.

Der Staat greife fundamental in die Wirtschafts- und Medienfreiheit ein, so bekräftigte Nationalrätin Natalie Rickli die Aussagen ihres Ratskollegen. Es gelte ein gefährliches Präjudiz mit einem Nein am 10. Juni abzuwenden. «Was ist denn der nächste Schritt? Werden Zalando und Co. auf dem Internet gesperrt, um den Schweizer Kleiderhandel zu schützen?», fragte die Zürcher SVP-Vertreterin rhetorisch. Online-Geldspiele seien keine kriminelle Aktivität wie Kinderpornografie, die in der Schweiz von den Providern bereits heute mit Netzsperren bekämpft wird.

«Als intelligente Alternative», wie es JSVP-Präsident Benjamin Fischer bezeichnete, verlangen die bürgerlichen Gegner des Geldspielgesetzes die Einführung eines liberalen Konzessionierungsmodells. Eine solche marktfreundliche Lösung kennten heute bereits rund 20 Länder. Dieses Modell sieht vor, dass sich auch ausländische Anbieter an die schweizerischen Gesetze etwa im Bereich des Schutzes für Spielsüchtige halten müssten. Leider habe das Parlament alle liberalen Anträge abgeschmettert. Als Vorbild nannte Fischer Dänemark, dem es mit diesem Vorgehen gelungen sei, den Schwarzmarkt fast völlig auszutrocknen und die Einnahmen aus dem Geldspiel um fast die Hälfte zu erhöhen.

Kein Geld von ausländischen Kasinos

Seit der Lancierung im Sommer 2017 haftet dem Referendum der Makel an, dass die Unterschriftensammlung unter anderem mit finanziellen Mitteln von ausländischen Kasinobetreibern bezahlt wurde. Gemäss Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz, haben die Jungparteien diese Tatsache von Anfang an offen kommuniziert. Doch sei dem Komitee bewusst, dass das Thema heikel sei. «Wir werden daher direkte Unterstützung durch ausländische Firmen vermeiden», erklärte Silberschmidt. Gleichzeitig kritisierte er, dass die Befürworter Geld aus Lotterien, das eigentlich für gemeinnützige Zwecke vorgesehen sei, für die Ja-Kampagne ausgäben.

Bis jetzt steht dem «Komitee gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung» laut eigenen Angaben ein tiefer sechsstelliger Betrag für den Abstimmungskampf zur Verfügung. Die Jungparteien von FDP, SVP und GLP setzen in erster Linie auf weiteren finanziellen Support der einheimischen Wirtschaft. Diese Hoffnung wird genährt durch die Tatsache, dass Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse, Swissmem und ICT Switzerland die Nein-Parole zum Geldspielgesetz herausgegeben haben. Der Schweizerische Gewerbeverband wird seine Position erst im Mai festlegen. Mit einem Crowdfunding will das linke Gegenkomitee, dem unter anderem die Jungen Grünen, die Juso und die Digitale Gesellschaft angehören, seinen Abstimmungskampf finanzieren.