Spielsucht ist therapierbar

Wenn der Traum vom schnellen Glück am Automaten zum Albtraum wird

So wie Alkohol, das Rauchen und andere Drogen abhängig machen können, kann auch das Glücksspiel zu einer Sucht werden. Viele krankhafte Zocker rutschen dann in die Schuldenfalle, aus der sie aus eigener Kraft nicht wieder herausfi nden. Für sie und ihre Angehörigen gibt es medizinische und juristische Hilfsangebote, die oftmals kostenlos in Anspruch genommen werden können.

Magdeburg. „Vielleicht wurde meine Seele durch die vielen Empfindungen während des Glücksspiels nicht in höherem Maße befriedigt, sondern nur gereizt und verlangte nach immer stärkeren Empfi ndungen – mehr und mehr, bis sie schließlich völlig erschöpft war.“ Fast 140 Jahre alt sind diese Zeilen aus dem Roman „Der Spieler“ des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski. An Aktualität haben sie nichts eingebüßt.

„Typisch für pathologische Glücksspieler ist, dass sie ihre Lust am Spiel nicht mehr im Griff haben“, sagt Dr. Volker Kielstein von der Magdeburger Tagesklinik an der Sternbrücke. Auf der Suche nach dem Glücksgefühl durch den Gewinn beim Spiel wird die Höhe oder die Häufi gkeit der Einsätze immer weiter gesteigert. Die Risikobereitschaft wächst und damit oft auch die Schulden. Angehörige, Freunde und Arbeitskollegen werden angepumpt, die Schuldenrückzahlung hinausgezögert. Führt all das nicht mehr zum Erfolg, droht der Abrutsch in die Beschaffungskriminalität. Das kann in depressive Zustände bis hin zu einem Selbstmordversuch oder Selbstmord führen.

Nach Angaben der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde entwickeln bis zu drei Prozent der Erwachsenen mindestens einmal im Leben ein krankhaftes Glücksspielverhalten. Betroffen sind Menschen aus allen Gesellschaftskreisen. „Unser jüngster Patient war 21 Jahre, der älteste 71 Jahre“, so Diplom-Psychologe Hans-J örg Müller, der in der Tagesklinik an der Sternbrücke Therapiegruppen für Suchtkranke leitet.

Oftmals sind es Menschen, die mit ihrem bisherigen Leben unzufrieden sind. Der Gewinn beim Spiel am einarmigen Banditen, bei Baccara, Black Jack oder am Roulettetisch steigert ihr Selbstwertgefühl. „Sie sind überzeugt, ein System gefunden zu haben, ohne Anstrengung viel Geld zu gewinnen“, sagt Müller. Das ist natürlich ein Irrtum, den die Statistik längst widerlegt hat. Auf Dauer gewinnt immer die Bank.

„Die Spielbanken setzen sich mit dem Problem des pathologischen Glücksspiels ernsthaft auseinander“, so Dr. Kielstein. Manche bieten Informationen, wo Betroffene medizinische und rechtliche Beratung bekommen können. Medizinische Hilfe erhalten Spielsüchtigebeispielsweise in Einrichtungen, die spezielle Gruppentherapien für Suchtkranke anbieten.

„Während der sechswöchigen tagesklinischen Behandlung setzen sich die krankhaften Spieler bei uns mit den Ursachen und Folgen ihrer Krankheit intensiv auseinander“, so Müller. Gemeinsam werden Möglichkeiten der Rückfallprävention erarbeitet und das richtige Geldmanagement trainiert. Ähnlich wie für Alkohol- und Drogenabhängige übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen auch für pathologische Glücksspieler in der Regel die Behandlungskosten.

Um dauerhaft von der Sucht loszukommen, sollten ambulante Gruppensitzungen regelmäßig und etwa zwei Jahre lang fortgesetzt werden, rät Dr. Kielstein. Das geschieht in Selbsthilfegruppen und in professionell geleiteten Gruppen. 70 bis 80 Prozent der Betroffenen haben danach ihr Problem im Griff. Ein Teil verzichtet ganz auf das Glücksspiel, und ein anderer Teil hat gelernt, sich fi nanzielle Grenzen zu setzen.

„Es ist wichtig, die Angehörigen in die Therapie einzubeziehen“, so Dr. Kielstein. „Sie haben das Bedürfnis, ihre Sorgen auszusprechen, Fragen beantwortet zu bekommen, und sie brauchen Hilfe, um ihre Ohnmacht zu überwinden.“

Die Sucht in den Griff zu bekommen, ist für die meisten krankhaften Zocker ein wichtiger Schritt. Doch mindestens ebenso wichtig ist die Schuldenregulierung. Praktische Hilfen dabei bieten Beratungsstellen der Wohlfahrtverbände sowie der Fachverband Glückspielsucht, dem die Magdeburges Tagesklinik angehört.

Von Uwe Seidenfaden