Glücksspielstaatsvertrag – Wie geht es weiter?

Am Donnerstag 11. März und Freitag, 12. März 2010 fand an der Universität Hohenheim zum siebten Mal das alljährliche Symposium der Forschungsstelle Glücksspiel statt. Thema: Zwischenbilanz zum Glücksspielstaatsvertrag für Lotterien und Sportwetten.

Mehr als 200 Fachleute aus mehreren europäischen Staaten befassten sich mit dem neuesten Stand der Forschung zur Prävention der Glücksspielsucht und den Erfahrungen mit der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags für Lotterien und Sportwetten. Die Erfahrungen anderer europäischer Länder mit Lizenzsystemen bei Sportwetten wurden vorgestellt.

Der Glücksspielstaatsvertrag koordiniert seit 2008 die Gesetzgebung zu Glücksspielen in den einzelnen Bundesländern und stellt den gesetzlichen Rahmen dar, auf den sich die einzelnen Bundesländer geeinigt haben. Der Glücksspielstaatsvertrag läuft Ende 2011 aus und wird gegenwärtig von den Bundesländern evaluiert.

Am Donnerstag stand die Regulierung von Lotterien im Mittelpunkt. Es kamen Vermittler und Veranstalter der Lotterien zu Wort. Dabei wurde übereinstimmend angemahnt, dass die Vermittlung der staatlichen Lotterien zwar explizit erlaubt ist, die Praxis der Erlaubniserteilung jedoch einem Verbot gleichkommt. Dies betrifft vor allem die Lotterie „6 aus 49“ und die anderen Lotterien, die von den Lotteriegesellschaften der Bundesländer angeboten werden, sowie die Klassenlotterien. Die Vermittler sehen sich im Erlaubnisverfahren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Anforderungen gegenüber, die sich zum Teil widersprechen und nicht alle gleichzeitig eingehalten werden können. Das föderale System erweist sich an dieser Stelle nicht als ein Vorteil, sondern als Hindernis.

Auch die staatlichen Veranstalter der Lotterien sind von Teilen des Glücksspielstaatsvertrags negativ betroffen. Zwar hat sich die staatliche Lotteriegesellschaft eines Bundeslandes nur mit der Aufsichtsbehörde des betreffenden Bundeslandes auseinander zu setzen, doch werden auch hier Anforderungen an die Werbekonzepte gestellt, die nur schwer zu erfüllen und sachlich nicht gerechtfertigt sind.

Weitgehende Einigkeit bestand darin, dass der Glücksspielstaatsvertrag das Suchtgefährdungspotential von Lotterien viel zu hoch einschätzt und die Regulierung entsprechend unverhältnismäßig überzogen ist. Während in Deutschland etwa 5 Millionen Bürger nikotinsüchtig und knapp 2 Millionen Bürger alkoholsüchtig sind, ist nur von etwa 1000 Personen mit einem pathologischen Konsumverhalten bei Lotterien auszugehen. Aus wissenschaftlicher Sicht kann daher nicht ernsthaft von einer Lottosucht gesprochen werden. Doch auf der anderen Seite ist aus Gründen der Suchtprävention die staatliche Regulierung der Werbung bei den Lotterien sehr viel strenger, als bei Alkohol und Tabak.

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass daher eine bessere Differenzierung der verschiedenen Formen des Glücksspiels angebracht wäre, und dass es nicht angeht, ungefährliche Formen des Glücksspiels, wie die Lotterien, genau denselben Restriktionen und Anforderungen zu unterwerfen, wie sie für Glücksspielautomaten in Spielbanken und andere Casinospiele gelten.

Aus der Perspektive der Suchtforschung stellt der Gesetzgeber derzeit die Welt auf den Kopf. Die wirklich gefährlichen Formen des Glücksspiels mit Spielautomaten in Spielhallen und Gaststätten, werden kaum reguliert während die ungefährlichen Formen des Glücksspiels, wie die Lotterien, überreguliert werden. Hier besteht hier ein erheblicher Korrekturbedarf des Gesetzgebers.

Am zweiten Tag des Symposiums ging es speziell um die Regulierung der Sportwetten. Das Land Schleswig-Holstein hat hier die Initiative ergriffen und strebt eine Liberalisierung an, durch die das derzeitige Monopol abgelöst und durch ein Lizenzmodell ersetzt werden soll. Maßgebliches Motiv sind hierbei fiskalische Hoffnungen auf einen deutlich höheren Mehrertrag für den Landeshaushalt. Es bleibt allerdings kontrovers, inwieweit diese Hoffnung tatsächlich begründet ist. Leider fehlen hierzu differenzierte wissenschaftliche Studien.

In vielen anderen Ländern Europas werden Sportwetten getrennt von Lotterien reguliert. Dies ist in Deutschland bisher nicht der Fall. Die Teilnehmer an dem Symposium waren sich weitgehend einig, dass eine solche Trennung aus europarechtlichen. politischen und auch aus sachlichen Gründen sinnvoll sein könnte.

Das Programm des Symposiums und die Folien der Vorträge können auf der Homepage der Forschungsstelle Glücksspiel eingesehen werden. Die Vorträge selber werden in einigen Monaten in einem Sammelband erscheinen.