OVG Sachsen-Anhalt: Reichweite eines Sportwetten-Verbots über das Internet

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Die Kanzlei-Infos v. 27.05.2005 hatten über die Vorinstanz, das VG Halle (Beschl. v. 19.05.2005 – Az.: 3 B 15/05 HAL), berichtet.

Nun hat das OVG Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 27.07.2005 – Az.: 1 M 321/05) auch in der 2. Instanz die Entscheidung bestätigt.

Es geht bei der rechtlichen Auseinandersetzung über die Reichweite eines Sportwetten-Verbots über das Internet. Dem auch in der 2. Instanz obsiegenden Antragsteller wurde ursprünglich behördlich verboten, in Sachsen-Anhalt Sportwetten über das Internet zu vermitteln. Daraufhin führte er bei seinen Online-Wetten eine Routinenachfrage ein, ob die wettende Partei aus Sachsen-Anhalt stammt. War dies der Fall, wurde die Wette abgelehnt. In allen anderen Fällen vermittelte der Antragsteller weiterhin seine Wetten online.

Hierin sah die Antragsgegnerin einen Verstoß gegen die Untersagung und drohte ein Zwangsgeld an bzw. setzte ein solches fest.

Dagegen wehrte sich der Antragsteller vor dem VG Halle, da er meinte, alles technisch Mögliche und Zumutbare unternommen zu haben, um sich an das Verbot zu halten. Und bekam sowohl vor dem VG Halle als auch nun vor dem OVG Sachsen-Anhalt Recht:

„Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung weiter zutreffend darauf gestützt, dass es für die Antragstellerin (als Content-Provider) weder technisch noch rechtlich möglich ist, exakt im Zeitpunkt der Abgabe eines Wettangebotes über Festnetztelefon, Mobiltelefon, Fax oder Internet den genauen Aufenthaltsort eines Wettinteressenten zu bestimmen.

Der Antragsgegner zeigt auch in der Beschwerdebegründung nicht auf, welche technisch möglichen und nach den Bestimmungen des Teledienstegesetzes bzw. Teledienstedatenschutzgesetzes rechtlich zulässigen Möglichkeiten die Antragstellerin haben könnte, die Abgabe einer Wette durch eine sich im Land Sachsen-Anhalt aufhaltende Person in jedem Falle auszuschließen.

Eine völlige Einstellung des Geschäftsbetriebes der Antragstellerin, auch soweit es den Bereich des Internets betrifft, verstößt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, jedenfalls gegen das Übermaßverbot. Der Antragsgegner hat dabei nämlich auch die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Ordnungsbehörden der anderen Bundesländer wie auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte der anderen Bundesländer zu respektieren.“

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Umstand, dass die unterliegende Partei eine Beurteilung durch das LKA Sachsen-Anhalt hinsichtlich der Frage der Identifizierung eingeholt hatte, diese jedoch, ganz offensichtlich weil sie negativ ausfiel, bislang verheimlicht hatte:

„Im Übrigen hat der Senat auch die fachliche Stellungnahme des Landeskriminalamtes des Landes Sachsen-Anhalt (…) zu berücksichtigen. Diese Stellungnahme war vom Antragsgegner am 18. April 2005 hinsichtlich der Antragstellerin im Verfahren 1 M 324/05 angefordert worden, ist dort aber nicht zu den Verfahrensakten gelangt und vom Antragsgegner – entgegen § 99 VwGO – weder dem Verwaltungsgericht rechtzeitig vor seinem Beschluss vom 19. Mai 2005 noch dem Senat unaufgefordert vorgelegt worden.

Der Senat hat von der Existenz und dem Inhalt dieser Stellungnahme erst durch die Schriftsätze verschiedener Antragsteller Kenntnis erhalten. Das Landeskriminalamt hat in seiner Stellungnahme die der Antragstellerin bei der Umsetzung der Verfügung vom 11. Oktober 2004 gesetzten technischen Grenzen im Einzelnen aufgezeigt.

Gerade vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren und im Ergebnis eindeutigen Stellungnahme einer nach Auffassung des Senates für technische Fragen der Gefahrenabwehr im Internet sachkundigen Stelle, welche in den wesentlichen Fragestellungen mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts übereinstimmt, wäre der Antragsgegner gehalten gewesen, sich mit der Begründung des Verwaltungsgerichts – auch in technischer Hinsicht – eingehend auseinander zu setzen und darzulegen, inwieweit die Festsetzung des Zwangsgeldes bzw. die Androhung der Festsetzung eines wetteren Zwangsgeldes – trotz der relativen Unbestimmtheit der Verbotsverfügung (…) und der der Antragstellern gesetzten technischen Grenzen – Bestand haben sollte.“