Österreichischer Verfassungsgerichtshof entscheidet über die Glücksspieleigenschaft von Poker… oder doch nicht?

Rechtsanwalt Dr. Robert Kazemi

Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte PartG
Rheinallee 28
D - 53173 Bonn
Am 27.06.2013 fiel das mit Spannung erwartete Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) in Sachen Pokerkonzessionen (Az. G 26/2013-11 und G 90/2012-14, abrufbar unter: http://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/0/7/6/CH0003/CMS1374746476471/pokern_2013_g_26-2013.pdf).

Mit der Novellierung des Glücksspielgesetzes in Österreich, die zum 01.01.2013 in Kraft trat, wurde Poker mit einem Fingerstich den strikten Bestimmungen der Glücksspielregulierung unterworfen; was bis zum 31.12.2012 noch legal von konzessionierten Pokersalons am Markt angeboten werden konnte, sollte nunmehr grundsätzlich nur noch dem Bund vorbehalten sein (§ 3 GSpG). Dabei machte es sich der österreichische Gesetzgeber denkbar einfach und nahm das Pokerspiel einfach in den Katalog der in § 1 Abs. 2 GSpG aufgezählten Spielformen auf, die insbesondere ein Glücksspiel im Sinne der in § 1 Abs. 1 GSpG normierten Glücksspieldefinition fallen sollten.

Die geplante und Anfang dieses Jahres umgesetzte Regelung bedeutete faktisch das Aus für die zahlreichen in Österreich betriebenen sog. Card Casinos. Diese hatten sich, ob der Tatsache, dass Poker bis dato (jedenfalls im Rahmen der Glücksspielgesetzgebung) nicht als Glücksspiel legal definiert war, in einer rechtlichen Grauzone bewegt und stets mit der Einstufung des Pokerspiels als Geschicklichkeitsspiel argumentiert. In Österreich wurde dies jedenfalls geduldet, eine klare und eindeutige Zuweisung des Spiels als Geschicklichkeitsspiel existierte jedoch auch in der Vergangenheit nicht. Die Betreiber der sog. Card Casinos waren Inhaber von Gewerbeberechtigungen und boten ausschließlich Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter und nicht in Form einer Ausspielung an. Ihre die Dienstleistung erstrecke sich in diesem Sinne lediglich auf die entgeltliche Bereitstellung von Karten und Tischen in ihren Räumlichkeiten. Das dafür zu entrichtende Entgelt war spieleinsatz- und gewinnunabhängig (eine Art Miete). Die Spielverträge der Spieler untereinander wurden ohne Hilfe der Card Casinos und abgeschlossen.

Mit der Neureglung des Glücksspielwesens in Österreich durch die GSpG-Novelle 2008 sollte auch diese Form des Infrastrukturangebotes endgültig wegfallen und auch die Card Casino Betreiber als Glücksspielveranstalter eingestuft werden. Dies ergab sich aus 60 Abs. 24 GSpG die Card Casino Betreiber nur noch übergangsweise bis zum 31.12.2012 von den Bestimmungen des GSpG ausgenommen sein sollten. Spätestens seit Jahresbeginn waren Pokersalons damit formal illegal. Zwar sieht das GSpG in § 22 die Möglichkeit der Erteilung einer einzigen Konzession zum Betrieb eines Pokersalons für Pokerspiele ohne Bankhalter im Lebendspiel vor, doch waren bis zum 31.12.2012 weder das Vergabeverfahren genau ausgestaltet, noch existierten konkrete Anforderungen an den Erlaubnisinhaber. Verschärft wurde die Lage zusätzlich dadurch, dass selbst auf die Erteilung der einen Lizenz kein Rechtsanspruch bestand, sondern sowohl die generelle Öffnung des Pokermarktes um eine Lizenz, als auch die Lizenzvergabe an sich im Ermessen des Bundesministers für Finanzen lag.

Gegen diese Neuregelung wandte sich u.a. Peter Zanoni, Chef der Concord Card Casinos (CCC), mit einer Verfassungsbeschwerde an den VfGH. Obgleich im Rahmen dieser Beschwerde auch heftig dafür argumentiert wurde, Poker unterfalle als Geschicklichkeitsspiel schon dem Grunde nach nicht den Bestimmungen der Glücksspielregulierung und man deshalb zumindest hoffen konnte, der VfGH werde sich auch mit dieser – nicht nur in Österreich, sondern weltweit heftig umstrittenen -Fragestellung auseinandersetzten, sucht man in den Urteilsgründen vergeblich nach einer expliziten Beantwortung der Frage. Zwar ordnet der VfGH die Streichung des Begriffs Poker aus den Regelbeispielen der Glücksspiele in § 3 GSpG an, stellt jedoch gleichzeitig klar, dass hiermit eine Einordnung des Pokerspiels als Geschicklichkeitsspiel nicht verbunden ist. Soweit in den aktuellen Pressemitteilungen und -berichten daher davon gesprochen wird, der VfGH habe das Pokerspiel als Geschicklichkeitsspiel eingeordnet, ist Vorsicht geboten.

Im Gegenteil finden sich in dem Urteil starke Indizien gegen eine derartige Einordnung. So verweist der VfGH auf ein Urteil des österreichischen Verwaltungsgerichtshof vom (8. September 2005, 2000/17/0201), mit dem der Verwaltungsgerichtshof – gestützt auf ein vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eingeholtes Sachverständigengutachten – jedenfalls die Pokerarten „7 Card Stud Poker“, „Texas Hold´Em“ und „5 Card Draw“ als Glücksspiele qualifizierte. Der VfGH sieht es in diesem Zusammenhang als gerechtfertigt an, wenn der österreichische Gesetzgeber dieser Definition folgt und das Pokerspiel als Glücksspiel einordnet. Aber nicht nur der österreichische Verwaltungsgerichtshof, sondern auch der unabhängige österreichische Finanzsenates hatte das in Turnierform gespielte Pokerspiel in der Spielvariante Texas Hold’em als Glücksspiel eingeordnet (Urteil vom 11. Mai 2010, RV/0499-I/10) und ausgeführt:

In dem Urteil heißt es:

„Der UFS hat bereits in der Entscheidung vom 24. Juli 2007, Zl. RV/0369-W/02, ausgesprochen, dass Poker samt der Spielvariante Texas Hold’em Poker der Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 7 lit b GebG unterliegt, da es ein Glücksspiel ist. […] Anhand eines Demonstrationsspiel (bei diesem „Spiel“ spielt die „Sorge“ um Geld überhaupt keine Rolle) wird der Blick auf die Abhängigkeit der Ergebnisse des Spiels in keiner Weise irritiert oder verdunkelt, sondern es zeigt sich eindeutig, dass im Grunde genommen das Ergebnis des Spiels – wer die höchstwertigsten Karten in den Händen hat (= Gewinner) und wer nicht (= wer eben all seine Einsätze verloren hat, der oder die Verlierer) – vom Zufallen der Spielkarten beim Austeilungsvorgang abhängt.“

Jedenfalls in der österreichischen Rechtsprechung finden sich daher bislang eher Belege, die für eine Einordnung des Pokerspiels als Glücksspiel sprechen. Der VfGH lässt diese Frage jedoch, wie bereits geschildert unbeantwortet und überlässt die Definitionsentscheidung dem Gesetzgeber.

Eine Entscheidung zur Glücksspieleigenschaft des Pokerns ist damit leider nicht getroffen worden. Die Tendenz spricht jedoch, nimmt man den Verweis auf das Urteil des österreichischen Verwaltungsgerichtshof ernst, eher dafür, jedenfalls das Poker-Cash-Game in den Varianten „7 Card Stud Poker“, „Texas Hold´Em“ und „5 Card Draw“ als Glücksspiel zu qualifizieren. Ob für das Turnierpoker und andere Pokervarianten ebenso zu entscheiden ist, ist offen, auch wenn sich den Ausführungen des VfGH hier jedenfalls bezogen auf Turniere in der Variante Texas Hold´em Poker leichte Bedenken entnehmen lassen können.

Poker ist damit nach wie vor auch in Österreich nicht als Geschicklichkeitsspiel qualifiziert. Die Tendenzen gehen eher in die andere Richtung. Jedenfalls aber, macht der VfGH den Weg zu einer Qualifizierung als Glücksspiel für den österreichischen Gesetzgeber frei. Der VfGH betont dies ausdrücklich.

Für die deutsche Rechtslage bringt das Urteil damit (leider) keine Neuerungen und wird, jedenfalls soweit es um die Aspekte der Strafbarkeit und der Erlaubnisfähigkeit von Poker(turnier)veranstaltungen angeht, kaum fruchtbar gemacht werden können. Anders sieht es hingegen für die nach wie vor höchst umstrittene Steuerproblematik aus, für die die Entscheidung des VfGH durchaus fruchtbar gemacht werden kann. Wenn der Gesetzgeber grundsätzlich frei darin sein soll, ein bestimmtes Spiel dem Glücksspiel zuzuschlagen, so muss diese Entscheidung nämlich nach hiesiger Ansicht auch für das Steuerrecht gelten. Bezogen auf die Bundesrepublik ist die gesetzgeberische Einordnung des Pokerspiels als Glücksspiel hingegen unstreitig, dann jedoch muss es auch die hieraus folgende Steuerfreiheit des Spieles sein.

Gleichwohl, stellt sich die Entscheidung als großer Sieg für die Card Casinos dar. Auch, wenn dieser nichts mit Glücksspieleigenschaft des Pokerns zu tun hat, sondern allein auf einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz beruht. So sieht der VfGH das Konzessionsmodell als undurchschaubar und unzumutbar und die hiermit einhergehende Benachteiligung der privaten Card Casino Betreiber gegenüber den staatlichen Spielbanken als derzeit nicht gerechtfertigt an. Insoweit wird der Österreichische Gesetzgeber, will er das Pokerspiel weiterhin regulieren, das Konzessionsmodell zu überarbeiten haben. Dies wird, hier zeigen sich Parallelen zur deutschen Rechtslage, sicherlich nicht leicht. Erst am 30.04.2013 hatte das Verwaltungsgericht Wiesbaden das Hessische Ministerium des Innern und für Sport verpflichtet, es einem Anbieter von Sportwetten zu ermöglichen, an dem Vergabeverfahren um die Sportwettkonzessionen teilzunehmen und dem Ministerium die einzelnen Konzepte für das Wettangebot persönlich vorzustellen und diese gegebenenfalls nachzubessern (Beschluss vom 30. April 2013 – Az. 5 L 90/13. WI). Diese Möglichkeit blieb zahlreichen Bewerbern trotz Erfüllung der notwendigen Anforderungen bislang verwehrt. Auch das Konzessionsvergabeverfahren für Sportwetten in Deutschland ist damit an seiner Undurchsichtigkeit und schlussendlich an einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gescheitert.