LG Ellwangen: Glücksspiel mit europäischer Lizenz nicht strafbar

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Das LG Ellwangen (Urt. v. 12.05.2005 – Az.: 3 Ns 42 Js 5187/03) hatte zu entscheiden, ob die Vermittlung von Sportwetten in Deutschland für einen Anbieter, der lediglich im europäischen Ausland über eine Glücksspiel-Lizenz verfügt, nach § 284 StGB strafbar ist.

Dies haben die Richter mit klaren Worten verneint.

„Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen, dass § 284 StGB (…) unanwendbar ist, da seine Anwendung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch EG-Vertrag in Artikel 43 und Artikel 49 Abs. 1 EG gewährleistete Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (…) darstellt. (…)

Bei der Bewertung der Frage, wann zwingende Gründe des Allgemeininteresses eine Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit aus Artikel 43 und 49 EG rechtfertigen, ist jedem Mitgliedstaat zwar auf Grund seiner jeweiligen sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheit ein Ermessen eingeräumt. Die Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten muss jedoch in ihrer konkreten Ausgestaltung gerechtfertigt sein. (…).

Diesen Anforderungen des EuGH an die konkrete Rechtfertigungslage wird die derzeitige Rechtslage und Rechtspraxis in Baden-Württemberg (…) nicht gerecht. Vor dem Hintergrund der (…) dargestellten Werbesituation, die u. a. auch dadurch gekennzeichnet ist, für die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft erhebliche Zuwächse bei den Wettumsätzen zu erzielen und dabei auch, wie die Werbung von Toto-Lotto Niedersachen zeigt, die im Rahmen der Toto-Lotto Blockwerbung zu sehen ist, auch die Werbung von Neukunden beinhaltet, kann die Strafkammer nicht feststellen, dass das staatliche Sportwetten-Monopol u. a. in Baden-Württemberg vorrangig dem Ziel der Eindämmung der Spielleidenschaft und des Verbraucherschutzes dient, sondern zumindest in ähnlichem Umfang auch der Erzielung von Einnahmen, diese daher nicht nur ein sog. erfreulicher Nebeneffekf sind.

Vor diesem Hintergrund stellt das generelle Verbot der Teilnahme Privater am Sportwettemarkt Baden-Württemberg jedenfalls im vorliegenden Fall der bloßen Vermittlung von Sportwetten ausländischer Veranstalter, die im Besitz einer Erlaubnis eines Mitgliedsstaates der EU sind, und die damit einhergehende Strafverfolgung von Vermittlern eine im Lichte der Rechsprechung des EuGH unverhältnismäßige Sanktion dar.“

Und weiter:

„Es sind ohne weiteres andere, die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 43 und 49 EG weniger einschränkende Mittel denkbar und umsetzbar, um die Tätigkeit von Vermittlern von Wetten der vorgenannten Art zu kontrollieren und hierbei die öffentliche Sicherheit in Deutschland und die Verbraucher ausreichend zu schützen. Das LG Darmstadt nennt in seinem Beschluss (a.a.O.) zu Recht z. B. Zuverlässigkeitsüberprüfungen, Hinterlegung von Sicherheiten, wie es gerade in Österreich der Fall ist, Informationspflichten, Missbrauchsregelungen und Überprüfungen, wie sie in anderen staatlich überwachten Wirtschaftbereichen vorkommen.

Die Strafkammer stimmt mit dem LG Darmstadt überein, dass nicht erkennbar, ist, warum mit den üblichen Mitteln des öffentlichen Rechts private Wettvermittler nicht ausreichend überwacht werden können (…).“