Erneute Niederlage des Landes Hessen vor dem Landgericht Darmstadt

Rechtsanwalt Robert Dübbers

Teichsheide 17
D - 33609 Bielefeld
Nachdem das Landgericht Darmstadt im März 2005 in mehreren gleich lautenden Entscheidungen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktion der hessischen Behörden im südlichen Landesteil für rechtswidrig erklärt und die der Aktion zugrunde liegenden Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse unter anderem des Amtsgerichts Lampertheim aufgehoben hatte, hat der Generalstaatsanwalt in Frankfurt eine weitere Niederlage einstecken müssen.

Er hatte eine so genannte Gegenvorstellung erhoben und offenbar gehofft, das Landgericht würde seine Entscheidung doch noch abändern. Freilich vermochte seine Argumentation nicht zu überzeugen. Die Staatsanwaltschaft hatte angenommen, das Landgericht habe sich auf verfassungsrechtliche Bedenken gestützt und hätte deshalb die Sache zunächst dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen. Das Landgericht stellt demgegenüber klar, dass es sich auf Vorschriften des Europarechts bezogen hatte und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht deshalb nicht in Betracht kam. Das Landgericht Darmstadt führt aus:

“Bei Zweifeln an der Vereinbarkeit des § 284 StGB mit Europarecht hätte das Gericht demnach nicht gemäß Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht, sondern nach Art. 234 EGV an den Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen. Aus dem Beschluß der Kammer ergibt sich allerdings unzweideutig, daß das Gericht gerade keine Zweifel an der Unvereinbarkeit mit Europarecht hatte, sondern diese als gegeben ansah. Einer Vorlage an den EuGH bedurfte es deshalb nicht.“

Auch sonst findet das Landgericht Darmstadt deutliche Worte. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, dass man die maximale Strafandrohung des § 284 StGB von fünf Jahren Freiheitsstrafe bei der europarechtlichen Bewertung nicht berücksichtigen dürfe, sondern davon ausgehen müsse, dass durch Beachtung und Ausschöpfung des Strafrahmens und unter Berücksichtigung der Strafzumessungskriterien im Einzelfall eine Strafe gebildet werden könne, die gerade noch angemessen und verhältnismäßig sei. Das Landgericht führt dazu aus:

“Diese Auffassung verstößt – von verfassungsrechtlichen Bedenken einmal abgesehen – allerdings ebenfalls gegen Grundsätze europäischen Rechts.

Entscheidend ist, daß § 284 StGB für das – regelmäßig gewerbsmäßige – Betreiben eines Wettbüros auf der Grundlage einer europäischen Konzession generell eine zu hohe, unverhältnismäßige (Höchst-)Strafandrohung vorsieht.

Bereits diese abstrakte Rechtslage kann (ihrem Zweck entsprechend) abschreckend auf solche Wettvermittler wirken […]. Schon mit dieser möglichen Abschreckungsfunktion beschränkt sie – unabhängig von der konkreten Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung – die europarechtlich statuierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in unzulässiger Weise.

Ein Mitgliedsstaat ist verpflichtet, eine mit Art. 43, 49 EGV unvereinbare Norm anzupassen; eine bloße Änderung der Verwaltungspraxis (dies dürfte entsprechend für die Rechtsprechung gelten, auch wenn der Mitgliedsstaat wegen der Unabhängigkeit der dritten Gewalt hierauf praktisch keinen Einfluss nehmen könnte), genügt gerade nicht“.

Dass das Landgericht die Unabhängigkeit der dritten Gewalt derart betont, macht deutlich, dass es nicht gewillt ist, seine Rechtsprechung zu ändern.

LG Darmstadt, Beschluss vom 14.04.2005 – 3 Qs 89/05