Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Umsatzbesteuerung für Glückspiele mit Geldeinsatz

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Umsatzsteuergesetzes 2005

In § 4 Nr. 9 Buchstabe b Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBI I S. 386) wird der Halbsatz „sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind“ gestrichen.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 4. Mai 2005 in Kraft.

Begründung

I. Allgemeiner Teil

Mit Urteil vom 17. Februar 2005 (verbundene Rechtssachen C-453/02 und C-462/02) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, das eine Umsatzsteuerbefreiung von Glückspielen mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken EG-rechtlich unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Der EuGH erkennt eine Verletzung des umsatzsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes, wenn zur Abgrenzung steuerbefreiter und steuerpflichtiger Glückspielumsätze an die Identität des Veranstalters oder Betreibers der Spiele oder Geräte angeknüpft wird. Ein Mitgliedsstaat, der eine solche Abgrenzung vornehme, überschreite daher seine Befugnisse zur Festlegung der „Bedingungen und Beschränkungen“ der Steuerbefreiung für Glückspielumsätze gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie, mit der Folge, dass die festgelegten Bedingungen und Beschränkungen keine Anwendung finden.

Das Urteil ist in Hinblick auf seinen Leitsatz und seine Begründung auslegungsfähig. Für den Ausgangsrechtsstreit kann es bedeuten, dass die Umsätze außerhalb der Spielbanken wegen Verstoßes der geltenden Rechtslage gegen den Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer von der Umsatzsteuer befreit wären, wenn es keine Kriterien gibt, die eine unterschiedliche Behandlung von Geldspielgeräteumsätzen innerhalb und außerhalb der Spielbanken rechtfertigen.

Im Interesse der Rechtssicherheit und der Wahrung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes unter gleichzeitiger Sicherung der Haushaltseinnahmen für Bund und Länder ist in Folge des EuGH-Urteils eine Gleichbehandlung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken und gleichartiger Umsätze außerhalb dieser Spielbanken herzustellen und die bisherige Umsatzsteuerbefreiung der Geldspielumsätze innerhalb dieser Spielbanken aufzugeben. Eine Gesetzesänderung, die zwar an der bisherigen umsatzsteuerlichen Unterscheidung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UstG festhält, diese aber durch Anknüpfen insbesondere an die Gewerbeordnung oder die Art der Geldspielgeräte innerhalb und außerhalb der Spielbanken reglementiert, erscheint mit Blick auf das Neutralitätsprinzip der Mehrwertsteuer mit erheblichen EG-rechtlichen Unsicherheiten behaftet zu sein. Eine solche Gesetzesänderung war daher nicht in Erwägung zu ziehen.

Im Zuge der gemäß § 2 GGO vorzunehmenden Relevanzprüfung sind unter Berücksichtigung der unterscheidlichen Lebenssituation von Männern und Frauen keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiederlaufen.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel I (§ 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 Umsatzsteuergesetz 2005)

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaft (EuGH) zur Stuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-Richtlinie – zuletzt das EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005 in den verbundenen Ra. C453/02 und C462/02 – zeigt, dass die Anwendungsbreite der nationalen Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG für Glücksspiele mit Geldeinsatz mit nicht unerheblichen Unsicherheiten belastet ist.

Von der Umsatzsteuer zu befreien sind nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedsstaat festgelegt werden. Aus dieser Formulierung folgt zunächst, das die Richtlinienvorschrift die mitgliedsstaaten nicht dazu verpflichtet, sämtliche Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerfrei zu stellen. Die Bundesrepublik Deutschland sowie jeder andere Mitgliedsstaat ist deshalb – in den Grenzen des Neutralitätsgrundsatzes – befugt, Art und Umfang der Steuerbefreiung für die erfassten Glücksspiele eigenständig zu bestimmen. Durch die den Mitgliedsstaaten danach offen stehenden Bedingungen und Beschränkungen wird es ermöglicht, bestimmte Formen des Glücksspiels, die sich dafür von ihrer Struktur her eignen, im Gegensatz zu dem grundsätzlichen Befreiungsgebot mit Umsatzsteuer zu belegen.

Der umsatzsteuerliche Neutralitätsgrundsatz stellt die Grenze der Befugnis der Mitgliedstaaten zur Festlegung der Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung dar. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH haben die Mitgliedstaaten diese Befugnis so auszuüben, dass gleichartige und deshalb in Wettbewerb zueinander stehende Glücksspielumsätze umsatzsteuerlich gleich behandelt werden. Der Neutralitätsgrundsatz verbietet daher die Besteuerung bestimmter Glücksspielumsätze nicht, sofern alle gleichartigen Glücksspielumsätze erfasst werden. Daraus folgt, dass der Neutralitätsgrundsatz nicht verletzt ist, wenn Glücksspiele und Glücksspielgeräte aller Art sowohl innerhalb als auch außerhalb zugelassener öffentlicher Spielbanken gleich behandelt werden, indem sie der Besteuerung unterworfen werden. Um bei der Umsatzbesteuerung derartiger Umsätze Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden und somit die Rechtssicherheit aller Wirtschaftsbeteiligten zu erhöhen, werden künftig nur noch die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Die fortbestehende Befreiung der Wetten und Lotterien, die dem Rennwett- und Lotteriegesetz unterliegen, verletzt den Neutralitätsgrundsatz nicht, da diese Umsätze mit den „sonstigen Glücksspielumsätzen“ nicht als gleichartig anzusehen sind.

Die Befugnis der Mitgliedstaaten, bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie auszunehmen, beinhaltet das weitgehende Recht der Mitgliedstaaten, den Begriff der „Glücksspiele mit Geldeinsatz“ für Zwecke der Steuerbefreiung auf der Tatbestandsebene der Steuerbefreiung in relativ weitem Umfang selbst zu definieren. Dies ergibt sich insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang, in dem die Richtlinienvorschrift steht.

Zwar ist davon auszugehen, dass Mitgliedstaaten nicht sämtliche „Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz“ besteuern dürfen (s. auch Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge vom 3. März 1994 in der Rechtssache C – 38/93 (Glawe), Rz. 10). Dies sieht der Gesetzesentwurf jedoch nicht vor, denn die dem Rennwett- und Lotteriegesetz unterliegenden Umsätze werden weiterhin befreit.

Systematisch ist Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie im Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften über die Steuerbefreiung und mit Art. 33 der 6. EG-Richtlinie zu lesen. So bestimmt der Einleitungssatz des Art. 13 Teil B der 6. EG-Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten Steuerbefreiungen unter den Bedingungen, die Sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen. Schon nach dem Einleitungssatz des Art. 13 Teil B der 6. EG-Richtlinie haben also die Mitgliedsstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Bedingungen von der Steuerbefreiung. Diesen – sicherlich sehr viel engeren – Gestaltungsspielraum hat der EuGH bereits in der Rechtssache 6/61 (Becker, Slg. 1982, 53) zwar dahingehend eingeschränkt, dass diese „Bedingungen“ sich in keiner Weise auf den Inhalt der vorgesehenen Steuerbefreiung erstrecken. Es liegt aber auf der Hand, dass diese Festlegung nicht ohne Weiteres auf den in Buchstabe f von Art. 13 Teil B der 6. EG-Richtlinie erneut verwandten Begriff der „Bedingungen und Beschränkungen“ übertragen werden kann. Es spricht nichts dafür, dass die erneute Verwendung des Begriffs der Bedingung in Art. 13 Teil B der 6. EG-Richlinie lediglich die umleitende Formulierung von Art. 13 Teil B der 6. EG-Richlinie wiederholen wollte. In diesem Falle wäre der der Begriff in Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie ohne jeden Sinn. Eigenständigen Sinn macht diese Formulierung nur dann, wenn damit die Reichweite und etwaige Ausnahmen der grundsätzlich festgelegten Steuerbefreiung gemeint sind. Für die Zulässigkeit einer Besteuerung von Glücksspielumsätzen spricht auch, dass der EuGH bereits in mehreren Entscheidungen zur Frage der Bemessungsgrundlage derartiger Umsätze Stellung genommen hat.

Der dargelegte Gestaltungsspielraum ergibt sich nicht zuletzt aus dem Leitsatz des EuGH-Urteils in den verbundenen Rs. C-453/02 und C-462/02. Der Leitsatz besagt, dass es EG-rechtlich unzulässig ist, Geldspielgeräte mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken von der Umsatzsteuer zu befreien, während vergleichbare Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind.

Mit der vorgeschlagenen Änderung macht der Gesetzgeber mithin von dem dargelegten, den Mitgliedstaaten in Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie eingeräumten, Gestaltungsspielraum in zulässiger Weise Gebrauch.

Die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, sind künftig umsatzsteuerpflichtig. Einer wirtschaftlichen Belastung der Spielbanken könnte durch Weitergabe der Umsatzsteuer an den Endverbraucher oder durch Senkung von auf den Spielbanken lastenden Länderabgaben entgegengewirkt werden.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes (Tag des Kabinettbeschlusses über den Regierungsentwurf).