Scheitert Hessens Initiative zur Schließung von privaten Wettbüros?

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Im November 2004 verkündete Lotto Hessen auf seiner Webseite (www.lottohessen.de) noch frohlockend: „(Die) durch illegale (Anm.: steht für die staatlichen Anbietern stets für „private“) Sportwettenanbieter gesteuerte Kampagne mit dem Ziel, eine Rechtsunsicherheit im Sportwettenmarkt zu schaffen, ist gescheitert. Lotto Hessen begrüßt sehr die Rechtssicherheit, die durch diesen Beschluss des VGH wieder eingetreten ist.“

Im gleichen Monat wurde vom Hessischen Innenministerium ein Merkblatt verfasst, das eher einer umfangreichen und detaillierten Klageschrift als einem Merkblatt gleicht. Hierin wird jeder private Sportwettveranstalter und -vermittler darüber „informiert“, dass eine Beantragung einer Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zwar grundsätzlich möglich, jedoch nicht aussichtsreich sei. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Gambelli-Entscheidung des EuGH aus dem November 2003 Bezug genommen.

„Umstritten – und deshalb klärungsbedürftig – sind allein die Fragen, ob die Behörden eines Mitgliedsstaates die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen“ (Fragestellung aus dem Urteil Gambelli) oder ob es eine „mit aggressiver Werbung einhergehende extreme Ausweitung des Spielangebots“ gibt (Fragestellung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts).“

In dem Merkblatt werden im Folgenden diese in der Tat alles entscheidenden Fragen in nur einem Satz beantwortet:

„Aus hiesiger Sicht sind beide Fragen eindeutig zu verneinen.“

Im Weiteren wurde die Entscheidung des OVG Münster vom 13. September 2004 (Az. 4 B 1961/04) angeführt. Diese Gerichtsentscheidung ignorierte jedoch nicht nur die Gambelli-Entscheidung, sondern führt deren Vorgaben sogar ad absurdum, in dem es ausführt, „ferner ist in Rechnung zu stellen, dass in einer durchwegs „reizstarken“ Werbewelt allzu moderate Werbemaßnahmen grundsätzlich nicht geeignet sein werden, das von den staatlichen Spielveranstaltern anzusprechende Publikum zu erreichen.“

Diese Ausführungen stehen im klaren Widerspruch zu der Vorgabe des EuGH, dass eine durch aggressive Werbemaßnahmen initiierte Marktexpansionsstrategie nicht einer Beschränkungspolitik in Form der absoluten Abschottung des Glücksspielmarktes vor privaten Anbietern gegenüber gestellt werden darf.

Damit bleibt der Inhalt dieses Merkblattes zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Hessen ein Lippenbekenntnis des Hessischen Innenministeriums. Die Rechtsauffassung des Hessischen Innenministeriums ist nicht nur fragwürdig, sondern aus gemeinschafts- und verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich.

Die Fragwürdigkeit und Widersprüchlichkeit der Auffassung des Innenministeriums wurde zuletzt durch die Entscheidung des Amtsgerichts (Abt. für Strafrecht) Offenbach vom 31. Januar 2005 (Az.: 201 Ds 1200 Js 80901/03) belegt.

Das AG Offenbach führt u. a. aus, dass es sich bei einem „Vermittler“ von Sportwetten eben gerade nicht um „Veranstalter“ von Sportwetten handeln würde, so dass weder das Strafrecht (§ 284 StGB) noch das Hessische SpW/LottG greife, da beide Gesetze auf den Veranstalter, also auf den organisatorisch Verantwortlichen und eben nicht auf den Vermittler anwendbar sei. Das im Grundgesetz verankerte strafrechtliche Analogieverbot lasse keine andere Schlussfolgerung zu.

Die Tätigkeit des Vermittlers beschränke sich lediglich auf die Verbreitung der Spielscheine, deren Entgegennahme und Weiterleitung via Internet an den eigentlichen Veranstalter. Auch sei ein „Bereitstellen von Einrichtungen“ (entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin) bei einer Sportwettvermittlung nicht anzunehmen, wenn die Kunden (wie im vorliegenden Fall) nicht auf den Computer, von dem aus die Wetten zum Veranstalter vermittelt würden, zugreifen könnten.

Weiter führt das AG Offenbach zur Verfassungsrechtskonformität des Hessischen SpW/LottG aus:

„Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass sich bezüglich § 5.1 SportW/LottG verfassungsrechtliche Bedenken aufdrängen, deren Klärung angezeigt wären.“

In den nächsten Tag wird das VG Darmstadt über die ersten Widersprüche der Wettbürobetreiber entscheiden. Ich erwarte, dass sich das VG Darmstadt der Auffassung des AG Offenbach anschließen wird.