LG Baden-Baden: Anbieten von privaten Sportwetten nicht strafbar

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Das LG Baden-Baden (Beschl. v. 02.12.2004 – Az.: 2 Qs 157/04) hat entschieden, dass das Anbieten von privaten Sportwetten mit einer ausländischen, europäischen Lizenz nicht strafbar ist.

Der Angeschuldigte sammelte für einen englischen Anbieter, der dort über eine Lizenz verfügt, Sportwetten.

„Eine strafrechtliche Verurteilung der Angeschuldigten wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels gemäß § 284 StGB wäre vor dem Hintergrund der derzeitigen Rechtspraxis in Baden-Württemberg mit vorrangigem Europarecht nicht vereinbar.

Soweit (…) strafrechtlich gegen eben diese Vermittlungsfätigkeit vorgegangen wird, ist dies als Eingriff in die Grundfreiheiten der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zu bewerten. Dieser Eingriff und damit das verfahrensgegenständliche Strafverfahren muss sich, will er Bestand haben, an den gemeinschaftsrechtlich niedergelegten Rechtfertigungsmöglichkeiten einer Beschränkung der Grundfreiheiten messen lassen. Eine Rechtfertigung wäre, nachdem die besonderen Rechtfertigungsgründe der Artikel 45 und 46 EG nicht einschlägig sind, nach der Rechtsprechung des EuGH nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses möglich. (…)

Die Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheifen muss jedoch (…) in ihrer konkreten Ausgestaltung gerechtfertigt sein, sie muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“

Diese Anforderungen erfülle Baden-Württemberg nicht.

„Nach geltendem Landesrecht besteht derzeit in Baden-Württemberg ein Monopol für die Durchführung von Sportwetten (…). Die Teilnahme privater Veranstalter am Sportwettenmarkt ist – mit Ausnahme der Pferdewetten, die bundesrechtlich geregelt sind (…) in Baden-Württemberg ausgeschlossen.

Das staatliche Sportwettenmonopol und der damit einhergehende Aus-schluss privater Anbieter lässt sich in Ansehung der derzeitigen Rechtspraxis nicht mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, etwa der Eindämmung und Kanalisierung des Spieltriebes und des Verbraucherschutzes rechtfertigen, denn das Land hat sich dieses Rechtfertigungsgrundes aufgrund widersprüchlichen Verhaltens begeben.“

Dann setzt sich das Gericht mit dem Verhalten der staatlichen Anbieter auseinander:

„Die Werbepraxis der staatlichen Toto-Lotto GmbH Stuttgart ist gerichtsbekannt. Sie ist offensiven Charakters und zielt auf die Gewinnung neuer Kunden ab, geht folglich über die bloße und noch rechtfertigungsfähige Kanalisierung des nicht gänzlich zu unterbindenden Wetttriebes hinaus.

Die Teilnahme an staatlich vermittelten Sportwetten ist über die Internethomepage der staatlichen Toto-Lotto GmbH in Stuttgart (…)jedermann unproblematisch möglich, die dort aufzurufenden Seifen sind ausschließlich werbenden Charakters und von verbraucherschützenden Warnhinweisen ungetrübt (…).

Über den Zusammenschluss der Toto-Lotto Einrichtungen der Länder im bundesweiten Toto-Lotto-Block wird darüber hinausgehend auch bundesweit Werbung betrieben (…). Für die weiteren Einzelheiten der staatlich initiierten Werbemaßnahmen wird auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes Karlsruhe, Az. 11 K 160/04 vom 10.05.2004 (…) sowie des Amtsgerichts Heidenheim, Az. 3 Ds 52 Js 5187/03 AK 424/03 vom 19.08.2004 (…) Bezug genommen. Die dort getroffenen Feststellungen macht sich die Kammer zu eigen.

Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechtes kann § 284 StGB in Verbindung mit den oben genannten Landesgesetzen über die Sportwette in vorliegendem Fall keine Anwendung finden.“