AG Gronau: Keine Strafbarkeit bei Anbieten von privaten Sportwetten

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Das AG Gronau (Az.: 4 Ds Js 1018/04) hatte darüber zu entscheiden, ob das Anbieten von privaten Sportwetten in Deutschland nur mit einer europäischen Glücksspiel-Lizenz strafbar ist. Zuletzt hatte das LG Hamburg eine Strafbarkeit verneint, vgl. RA Dr. Bahr „Keine Strafbarkeit bei Anbieten von privaten Sportwetten“.

Das AG hat sich dieser Meinung angeschlossen und die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptsacheverfahrens abgelehnt:

„Der Angeklagte ist angeklagt worden (…), ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glückspiel veranstaltet, gehalten oder die Ermittlung hierzu bereitgestellt zu haben. Ihm ist vorgeworfen worden, (…) ohne die erforderliche behördliche Erlaubnis in seinem Wettbüro (…) Internet-Sportwetten durch ausländische, namentlich englische Anbieter (…) angeboten zu haben und somit ein illegales Glückspiel gem. § 284 Abs. 1 StGB betrieben zu haben.“

Und weiter:

„Der Angeklagte beantragt, die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen und ist der Auffassung, dass tatbestandlich kein Glückspiel vorliege. Die Auffassung des Angeklagten wird vom erkennenden Gericht geteilt.

Zwar hat das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 03.12.03 (…) festgestellt, dass es bei vermittelten Sportwetten sich um unerlaubtes Glückspiel im Sinne des § 284 StGB handelt.“

Das Gericht stellt sich damit gegen die höchstrichterliche zivilgerichtliche und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Sowohl der Zivilsenat des BGH als auch das BVerwG sind der Ansicht, dass es sich bei Sportwetten um Glücksspiel handelt. Auch der Strafsenat des BGH (Urt. v. 28.11.2002 – Az.: 4 StR 260/02) hatte sich vor kurzem mit dieser Frage zu beschäftigen. In den Entscheidungsgründe neigen die Strafrichter tendeziell eher dem Glücksspiel-Charakter zu, lassen letzten Endes diese Frage aber offen.

Auch aus weiteren Gründen hat das AG Gronau eine Strafbarkeit abgelehnt:

„Darüber hinaus wird man dem Angeklagten einen Verbotsirrtum gem. § 17 StGB zugute halten müssen, da ihm nicht bewusst war, dass er Unrecht getan hat. Bei einer derartig unklaren Rechtslage, die von verschiedenen Straf- und Verwaltungsgerichten unterschiedlich beurteilt worden ist, kann von dem Angeklagten nicht verlangt werden, dass er einen solchen Irrtum vermeiden konnte.“

Das Gericht schließt sich damit eine in der letzten Zeit verstärkten Ansicht in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung an, dass angesichts der komplizierten Rechtslage ein Verbotsirrtum unvermeidbar ist. Ein Verbotsirrtum ist immer dann gegeben, wenn objektiv eine Straftat vorliegt, subjektiv der Täter aber in unvermeidbarer Weise irrtümlich annahm, er handle nicht strafbar.

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Täter sich vorab anwaltlich hat beraten lassen und ihm unzutreffenderweise mitgeteilt wurde, es handle sich um ein kein strafbares Glücksspiel. Vgl. dazu instruktiv die Entscheidung des AG Mönchengladbach (13 Ds/102 Js 989/01-162/02).

„Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.05.2003 – RS. C-243/01 – ausgeführt hat, dass eine nationale Regelung, die strafbewehrte Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisses enthält, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit des freien Dienstleistungsverkehrs (…), wenn der betreffende Mitgliedstatt keine Konzession oder Genehmigung erteilt.

Die Bundesrepublik Deutschland kann eine solche Genehmigung nicht erteilen, da nach innerstaatlichem Recht dies Aufgabe der Länder ist. Daraus folgt, dass § 284 StGB (…) in Übereinstimmung mit dem Urteil des EuGH gegen die Art. 43 und 49 EG verstößt . (…)

Nach alledem kann hier dem Angeklagten kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden. Von daher musste aus Rechtsgründen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten abgelehnt werden.“

Die Entscheidungsgründe des AG Gronau sind absolut nachvollziehbar und gut vertretbar, unterliegen jedoch einem Irrtum: Der englische Anbieter, für den hier vermittelt wurde, ist auf der Isle of Man ansässig und genießt damit gar nicht die Grundfreiheiten der EU.

Das AG Gronau ist jedoch mit diesem Irrtum in guter Gesellschaft. Auch der VGH Hessen (Beschl. v. 09.02.2004 – Az.: 11 TG 3060/03) hatte dies bei seiner vielbeachteten Entscheidung von Anfang diesen Jahres angenommen. Erst später erkannte der VGH dann seinen Fehler und revidierte Ende Oktober 2004 seine Entscheidung (Beschl. v. 27.10.2004 – Az.: 11 TG 2096/04 = Pressemitteilung).